- Winterthur
Sind Pauschalkürzungen rechtlich haltbar?
«Aus dem vorliegenden Budget ist der Willen des Parlamentes nicht klar ersichtlich», betont Finanzvorsteher Kaspar Bopp. Um dieses Vorgehen nun abschliessend rechtlich zu klären, hat der Stadtrat daher beim Bezirksrat eine Aufsichtsbeschwerde gegen den Beschluss des Stadtparlamentes eingereicht.
Nach einem Rückweisungsantrag 2021 hatten sich die Vertreter:innen von SVP bis EVP dieses Jahr erneut unabhängig der parlamentarischen Debatte auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt: Sie beantragten eine pauschale Kürzung des Budgets um 7 Millionen Franken. Der pauschale Kürzungsantrag war lediglich mit bekannterweise nicht realisierbaren Empfehlungen versehen. Aufrufe von SP, Grünen und Al, doch auf eine Diskussion einzusteigen, wurden abgeschmettert.
«Ausgewogene Vorlage»
Die Vorlage des Stadtrates sah bei rund 1,7 Milliarden Gesamtaufwand einen kleinen Einnahmenüberschuss von 10 Millionen Franken vor. Dies nachdem das Budget für das laufende Jahr noch ein Minus von rund 5 Millionen vorsah. Der Steuerfuss sollte nach dem Willen des Stadtrates weiterhin bei 125 Prozent festgesetzt werden. Damit, so Finanzvorstand Kaspar Bopp (SP) bei der Präsentation der Vorlage Anfang Oktober, sei ein ausgewogenes Budget vorgelegt worden, das darauf ausgelegt sei, den wichtigsten Aufgaben der Verwaltung gerecht zu werden und gleichzeitig das Eigenkapital der Stadt etwas zu stärken. Seine Hoffnung, damit eine Mehrheit des Parlamentes überzeugen zu können, hat sich nun aber nicht erfüllt.
«Fronten haben sich verhärtet»
«Die Fronten im Stadtparlament haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich verhärtet», sagt dazu Béatrice Helbling, Co-Fraktionspräsidentin der SP-Fraktion. Begonnen habe dies mit Corona, dann sei 2021 eine Budgetdebatte vor den Gesamterneuerungswahlen gekommen, welche von einem Rückweisungsantrag dominiert wurde. «Und nun steht nächstes Jahr wieder eine solche Budgetdebatte bevor, und die Vorzeichen lassen kaum Hoffnung zu, dass die selbst ernannte ‹Sparallianz› sich ernsthaft auf eine Budgetdiskussion einlassen will.» Der pauschale Kürzungsantrag sei nicht wirklich diskutiert worden. Auch über die Höhe habe man nicht reden können. «Die Diskussion wurde abgeblockt.»
Erneute Kürzung beim Amt für Städtebau
Allerdings liess es die Sparmehrheit im Parlament nicht bei den pauschalen Kürzungen bewenden. So verweigerte sie dem Departement Bau und Mobilität von Christa Meier (SP) erneut 200 000 Franken für einen Ausbau beim Amt für Städtebau für die anstehenden grossflächigen Planungsarbeiten. Abgelehnt wurde hingegen ein Antrag von Grünen und AL auf eine Erhöhung des Steuerfusses, der als Reaktion auf den pauschalen Kürzungsantrag eingereicht wurde. Gegen die Stimmen von SP, Grünen und Al wurde das Budget dann mit einem um 8,9 Millionen verminderten Gesamtaufwand von der Sparallianz genehmigt. Bis zu einem rechtlich endgültigen Entscheid wird dieses Budget Gültigkeit behalten.
«Vorgetäuschte Einigkeit»
Kaspar Bopp zum Budgetentscheid des Stadtparlamentes im Interview mit Matthias Erzinger.
Herr Bopp, in der Parlamentsdebatte haben Sie den pauschalen Kürzungsantrag bekämpft, nun reicht der Stadtrat gar eine Aufsichtsbeschwerde gegen das Stadtparlament ein. Um was geht es Ihnen dabei genau?
Kaspar Bopp: Auch wenn der pauschale Kürzungsantrag klar angenommen wurde, ist es ein völlig widersprüchlicher Auftrag der Parlamentsmehrheit an den Stadtrat: Es ist völlig unklar, wo gespart werden soll und wo nicht. Die eine Fraktion redet von Umwelthysterie, die andere will Massnahmen für Klimaschutz und Biodiversität priorisieren. Auch der Betrag von 7 Millionen ist rein willkürlich. Die Einigkeit hört dann auf, wenn man über Inhalte spricht – und so ist für den Stadtrat nun der Wille des Parlamentes nicht klar erkennbar und damit auch kaum umsetzbar. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, dieses Vorgehen rechtlich klären zu lassen und die Aufsichtsbeschwerde eingereicht.
Sind Sie und der Stadtrat nicht auch etwas mitschuldig an der Sparhysterie, indem die zukünftigen Entwicklungen immer sehr negativ dargestellt werden. In den letzten zehn Jahren hat die Rechnung mit einer Ausnahme (Corona) immer besser abgeschnitten als das Budget. Gesamthaft sind es rund 300 Millionen Franken.
Es hat immer Elemente in der Finanzplanung, die zu diesem Zeitpunkt nicht ins letzte Detail bekannt, hinterfragt oder noch nicht definitiv entschieden sind. Wir haben aber in den letzten Jahren stark daran gearbeitet, Voraussagen plausibler und präziser zu machen. Darum müssen wir die Voraussagen mindestens als Tendenz auch durchaus ernst nehmen. Der Stadtrat hat aber in den letzten Jahren bewiesen, dass er dort, wo notwendig, sehr wohl reagiert und angemessene Lösungen findet.
Diese Kürzung war also nicht sachlich begründet, sondern parteistrategisch im Hinblick auf die nächsten Wahlen?
Zumindest ist das nicht völlig von der Hand zu weisen. Ich will einem Teil der Parlamentarier den ernsthaften Willen nicht absprechen. Zu sagen, man habe nicht die notwendigen Instrumente im Budgetprozess zur Verfügung, das stimmt aber einfach nicht. Wir haben viel Aufwand auf uns genommen, um das Parlament und die Kommissionen bestmöglich zu unterstützen.