Archivbild von einer Anti-AKW-Demo anno 2011. (Bild: Nicole Soland)

«Sicher ist nur das Risiko!»

Am kommenden Dienstag wird das Rahmenbewilligungsgesuch für den Bau eines Endlagers für radioaktive Abfälle bei Stadel eingereicht. Aus diesem Anlass rufen verschiedene Organisationen zu einer Kundgebung in Bülach auf.

«Nein zu einem Prozess voller Ungewissheiten mit vielen ungeklärten Fragen. Nein zu vergraben und vergessen der radioaktiven Gefahren für nachfolgende Generationen. Nein zu undemokratischen Prozessen ohne Mitsprache der Betroffenen», heisst es auf dem Flyer zur Tiefenlager-Kundgebung vom 19. November (Details siehe Box). Eine Kundgebung an einem Dienstag um 17 Uhr? Das ‹schräge› Datum hat natürlich einen Grund: An diesem Tag wird in Bern das Rahmenbewilligungsgesuch für den Bau eines Endlagers für radiokative Abfälle bei Stadel ZH eingereicht. In der Stadthalle in Bülach findet zudem mit Einlass ab 18 Uhr die Vollversammlung der Regionalkonferenz Nördlich Lägern statt.

Erst die AKW stilllegen

Organisiert wird die öffentliche Kundgebung vom Verein LoTi (Nördlich Lägern ohne Tiefenlager). Der Verein engagiert sich gemäss seiner Webseite loti2010.ch «gegen die Errichtung eines Endlagers für radioaktive Abfälle, wie es derzeit gemäss den gesetzlichen Vorgaben in der Schweiz vorgesehen ist». Das Ziel des Vereins bestehe darin, «ein Umdenken und Neudenken hinsichtlich des Endlagerkonzeptes zu fördern, um eine sichere, umwelt- und sozialverträgliche Lösung für die Lagerung und/oder Entsorgung radioaktiver Abfälle zu finden».

Die Haltung der Grünen beschreibt Kantonsrätin Wilma Willi aus Stadel, eine der Redner:innen an der Kundgebung, auf Seite 11 dieser Ausgabe ausführlich, hier nur soviel: «Wir haben stets gefordert, dass mit dem Bau eines Atommülllagers erst begonnen werden darf, wenn alle AKW in der Schweiz stillgelegt worden sind. Wir halten da­ran fest, egal, was AKW-Fans planen.» Sie spricht damit an, was seit Energieminister Röstis Ankündigung, das Neubauverbot von AKW aufheben zu wollen, erstaunlicherweise kaum je ein Thema war: Selbst wenn es beim Neubauverbot bleibt, ist das Atommüllproblem noch längst nicht gelöst und wird es auch nicht so schnell sein, wie folgende Beispiele zeigen.

40 Jahre zum Abkühlen

Sie stammen von der Webseite der Baudirektion und sind zu finden unter bd.zh.ch, Suchbegriff «Radioaktive Abfälle»: «Derzeit werden die radioaktiven Abfälle aus den schweizerischen Kernkraftwerken im Zwischenlager in Würenlingen (Zwilag) oder im Zwischenlager des Kernkraftwerks Beznau (Zwibez) gelagert. Die hochaktiven Abfälle kühlen in Transport- und Lagerbehälter verpackt während etwa 40 Jahren so weit ab, bis sie in ein geologisches Tiefenlager gebracht werden können. Die Abfälle aus Medizin, Industrie und Forschung lagern im Bundeszwischenlager in Würenlingen.» Erst mal 40 Jahre lang abkühlen – schon das klingt surreal. Doch es kommt noch dicker: «Es dauert bis zu einer Million Jahre, bis die radioaktiven Abfälle so weit zerfallen sind, dass sie für Mensch und Umwelt nicht mehr schädlich sind. Während dieser Zeit sollen die Abfälle durch Einlagerung in geeigneten geologischen Schichten im Untergrund – in sogenannten geologischen Tiefenlagern – von der Lebenswelt ferngehalten werden.»

Dazu zwei Einschübe. Erstens: Wer weiss, wie die Welt in einer Million Jahren aussieht, soll bitte die Hand heben… Und zweitens: Auch wenn keine neuen AKW mehr gebaut werden, ändert das nichts am Umfang des bereits bestehenden Abfallbergs. Laut der Webseite der Baudirektion beziffern Berechnungen «ein Gesamtvolumen von rund 83 000 m3 an verpackten radioaktiven Abfällen, welches in geologischen Tiefenlagern eingelagert werden muss». Dies entspreche «etwa zwei Dritteln des Volumens des historischen Teils der Zürcher Bahnhofshalle».

Damit zurück zur Kundgebung bzw. zum Flyer. Dort heisst es, «um die Energiewende zu schaffen, braucht es einen Fokus auf dem Ausbau der Erneuerbaren». Zudem seien der «umwelt- und gesundheitsschädliche Abbau von Uran» und der «Import aus zweifelhaften Quellen» alles andere als nachhaltig und belasteten die Gesundheit und Umwelt mehrfach. Kurz zusammengefasst: «Wir können den Franken nur einmal ausgeben: Entweder für Fantasie-AKW, die frühestens in 20 Jahren vielleicht ans Netz gehen, oder für Erneuerbare, die jetzt konkret und rasch liefern. Alles klar, Schweiz?!

Kundgebung gegen Atommüllager

Am 19. November um 17 Uhr lädt der Verein LoTi (Nördlich Lägern ohne Tiefenlager) vor der Stadthalle Bülach, Allmendstrasse 8, zur Tiefenlager-Kundgebung unter dem Motto «Sicher ist nur das Risiko!». Mit Auftritten und Beiträgen von Martina Munz, Nationalrätin SP (SH), Wilma Willi, Kantonsrätin Grüne (ZH), Karin Joss und Bodo Schröder (Co-Präsidium LoTi), Thomas Feer, Klar! Schweiz (Kein Leben mit atomaren Risiken), Rosi Drayer, Gemeinderätin SPD, Hohentengen (D), Nils Eprecht, Schweizerische Energie-Stiftung SES, Harald Jenny, Projektleiter USBT (Unabhängiges Schweizer Begleitgremium Tiefenlager) und CEDRA, Bure (F).