Selbsterrettung

Stephan Roppel inszeniert zwei Monologe über die Auswüchse von Rettungsversuchen aus der Einsamkeit.

 

Sind Sehnsüchte reine Projektionen, Schutzmechanismen gegen das Überschnappen oder bereits die Manifestation einer Sonderlichwerdung? Und wer genau will das definieren? Die zwei Monologe von «Ich ersehne die Alpen; So entstehen die Seen» von Händl Klaus, finden keine Möglichkeit zu einer kritischen Distanz, denn die Figuren – Olivia und Bruno – stecken Oberkante Unterlippe im Treibsand der Einsamkeit, aus dem sie sich am eigenen Schopf zerrend, retten zu können erhoffen. Olivia (Vivianne Mösli) wird von einem Übermass an Hitze geplagt und erhofft sich von ihren geliebten Alpen mit ihren Schneehängen Abkühlung und von ihrer endlos gereiften Weisheit Halt in ihrem regelrecht körperlich gespürten Untergehen. Bruno (Michael Wolf) stakst auf seinen Zweimeterbeinen durchs ewige Eis und verfällt ins regelrechte Tänzeln, kaum erblickt er einen im Schmelzwasser liegenden Toten, von dessen Nähe er sich die Wärme einer innigen Freundschaft erhofft. Stephan Roppel lässt sie einander konträre Ausdrücke für ihre unbedingte Dringlichkeit finden: Vivianne Mösli ist die flehend-bettelnd Leidende, während Michael Wolf wie der frohlockende Narr während einer Glückssträhne spielt. Vordergründig scheinen sie zwei Extreme zu verkörpern, doch zum Schluss wird klar, dass ihre Traumbilder und die Temperaturunterschiede innerhalb ihrer Intensität bloss ein je eigener Ausdruck für dasselbe sind. Sie sind verloren, wissen darum und kämpfen mit den Mitteln dagegen an, derer sie in ihrer jeweiligen Situation überhaupt habhaft werden können. Auf eine Aussenwirkung brauchen sie überhaupt nicht bedacht zu sein, denn da ist niemand, der sie darauf aufmerksam machen könnte, sie befänden sich auf einem Irrweg oder würden von der eigenen Phantasie ins Wohlgefühl einer Wahnwelt gelockt. Sie sind schon ganz unten, also führt jedwede Bemühung gewiss nach oben. Zumindest in der Hoffnung.

 

«Ich ersehne die Alpen; So entstehen die Seen», 5.12., Theater Winkelwiese, Zürich.

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