Bild: Hannes Henz

«Seebahn-Höfe» einen Schritt weiter

Der Zürcher Gemeinderat genehmigte den privaten Gestaltungsplan «Seebahn-Höfe» zwar mit deutlichem Mehr, jedoch erst nach ausführlicher Debatte.

An seiner Sitzung vom Mittwochabend gab hauptsächlich ein Geschäft zu reden – und dies, obwohl es mit dem privaten Gestaltungsplan «Seebahn-Höfe» um ein Projekt der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich ABZ und der Baugenossenschaft des eidgenössischen Personals BEP ging, das zudem bereits eine lange Vergangenheit hat. Kommissionssprecher Roger Suter (FDP) fasste sich noch kurz: Er hob hervor, dass es um die Realisierung von Ersatzneubauten gehe. Diese ermöglichten mehr Wohnungen als jetzt sowie eine qualitätsvolle Innenentwicklung. Die jetzige Siedlung lasse sich nicht mehr ausbauen, und in den Neubauten gebe es obendrein eine Kita, einen öffentlich zugänglichen Innenhof, Gewerbeflächen etc. Es gebe keinen Grund, diese Vorlage abzulehnen, schloss er mit einem kleinen Seitenhieb, schliesslich seien «sogar die Genossenschaften dafür».

Für die Minderheit sagte Karen Hug (AL), der private Gestaltungsplan sei «weit fortgeschritten» und die beiden Genossenschaften hätten sich bemüht, ihn noch zu verbessern. Die AL sage trotzdem Nein: «Diese Planung  ist aus der Zeit gefallen, das würde man heute anders realisieren.» Sie verwies auch auf die IG Seebahnhöfe – einige Mitglieder der IG hatten sich vor der Ratssitzung vor dem Rathaus Hard eingefunden –, die eine Neubeurteilung des Projekts fordern (siehe P.S. vom 17. Januar).

Reizthema «Abriss und Neubau»

Brigitte Fürer (Grüne) stellte klar, dass «Abriss und Neubau bei den Grünen einiges zu diskutieren gibt». Nicht alle Mitglieder ihrer Fraktion stimmten der Vorlage zu. Die mit einem Ersatzneubau verbundene Vernichtung grauer Energie sei nicht im Sinne der Grünen. Doch es brauche dringend günstigen Wohnraum, und die Genossenschaften hätten in der Kommission plausibel darlegen können, dass eine Sanierung samt Aufstockung «sehr grosse zusätzliche Kosten» verursacht hätte. Das wiederum hätte zu teureren Wohnungen geführt. Zudem gebe es mit dem Gestaltungsplan rund einen Drittel mehr Wohnungen, und 20 Prozent der Wohnungen seien subventioniert. Das sei «etwas, was die Stadt ja nicht schafft, die Genossenschaften jedoch schon», sagte sie mit Verweis auf die vielen Business-Appartements, die «die Stadt in der Umgebung durchwinkt». Immerhin würden in einem der halb öffentlichen Innenhöfe zwei Blutbuchen sowie Linden unter Schutz gestellt, fügte sie an, was «extrem wichtig» sei, handle es sich hier doch um «eines der heissesten Quartiere der Schweiz».

Marco Denoth (SP) sprach von einem «sehr alten Projekt», das sich auch weiterentwickelt habe. Würde es jetzt gestoppt, würde man wohl andere Eckwerte einfordern als damals. Doch das jetzt vorliegende Projekt sei trotz seines Alters ein gutes Projekt, und es würden damit nicht nur gemeinnützige Wohnungen erhalten, sondern es entstehe ein Drittel mehr. Es sei ein «gemeinnütziges, preisgünstiges und ökologisches» Projekt, und die SP sage überzeugt Ja dazu.

Maleica Landolt (GLP) sagte, auch ihrer Fraktion behage es nicht, alles abzureissen und graue Energie zu vernichten. Doch es gebe ökologische Massnahmen und vor allem viel mehr Wohnraum, der zudem barriererfrei gestaltet sei, dazu eine attraktive Gestaltung des Aussenraums sowie den nötigen Lärmschutz. 80 Prozent der Genossenschafter:innen hätten sich für das Projekt ausgesprochen, und auch die GLP sage Ja.

Genug verdichtet, genug aufgewertet?

Martin Busekros (Grüne) verwies in seinem Votum auf das Leitbild Seebahn-/Hohlstrasse aus dem Jahr 2010, das in Zusammenarbeit von Stadt, ABZ, BEP sowie der Gemeinnützigen Bau- und Mietergenossenschaft Zürich GBMZ entstanden war. Darin seien die «Defizite» des Bullingerquartiers aufgezählt, unter anderem das tiefste Durchschnittseinkommen aller Quartiere, eine im Vergleich mit anderen Quartieren relativ hohe Sozialhilfequote von acht Prozent im Jahr 2009, einer der höchsten Anteile an ausländischer Bevölkerung und ein «Mischverhältnis», das «unvorteilhaft fürs Quartier» sei. Die neuen Siedlungen sollten gemäss Leitbild unter anderem dazu führen, dass «ein kleinerer Anteil fremdsprachiger und bildungsferner Kinder in Schulen und Kindergärten den Ängsten und Vorurteilen deutschsprachiger Eltern entgegenwirkt». Martin Busekros fügte an, das gentrifizierende Projekt werde heute zwar mit dem Drittelsziel begründet, aber es sei schon speziell, dass unter einem SP-Stadtrat zwei Siedlungen des rot-grünen Zürichs weichen müssten. Auch in Sachen Ökologie zeigte er sich nicht überzeugt: Die Siedlungen würden autoarm? «Heute sind sie autofrei!»

Patrik Maillard (AL) sprach ebenfalls davon, es handle sich nicht um ein ökologisches Projekt, ja mehr noch: Mit solchen Ersatzneubauten rücke das CO2-Ziel in weite Ferne. Zudem seien die bestehenden Siedlungen keineswegs marode, sondern immer gut in Schuss gehalten worden. Man könnte sie renovieren und eventuell aufstocken. Marcel Tobler (SP) outete sich als ehemaliger Bewohner der Kanzleisiedlung und sagte, die ABZ habe sich 2008, als es losging mit den Neubauplänen, gegenüber den Bewohner:innen «vorbildlich» verhalten und tue das auch jetzt. Als Quartiervertreter freue er sich über das gute Projekt. Yves Henz (Grüne) sagte, er habe langsam genug vom «verdichten, verdichten, verdichten, aufwerten, aufwerten, aufwerten»: «Dieses Mantra hat schon die halbe Stadt zerstört und Menschen vertrieben.» So würden genau die Orte und Quartiere, in denen man leben möchte, zerstört, und diese Politik, die eine «Schneise der Zerstörung» hinterlasse, müsse gestoppt werden: «In keiner anderen Stadt wird soviel abgerissen und neu gebaut wie in Zürich.» Nicolas Cavalli (GLP) reagierte mit Unverständnis: «Am 4. April habt ihr an einer Demo mehr Wohnungen gefordert, und am 9. April wehrt ihr euch gegen die böse, böse Genossenschaft, die mehr Wohnungen bauen will?» Reto Brüesch (SVP) gab die Zustimmung seiner Fraktion bekannt – und wer sich jetzt wunderte, weil die SVP üblicherweise Nein sagt, dem:der lieferte er die Erklärung: Es sind die Parkplätze, was denn sonst.

Stadtrat André Odermatt gab mit Verweis auf das erwähnte Leitbild zu bedenken, heute habe man andere Ziele, etwa jene, den Bestand zu erneuern, auch die Grundrisse. Die neuen Wohnungen würden zudem vom Lärm abgewandt erstellt. Den Bestand stehen zu lassen und zu sanieren, wäre nicht so einfach, fügte er mit Verweis auf die Statik und den Erdbebenschutz an. Um diesbezüglich ein gutes Resultat zu erreichen, müsste man so tief in den Bestand eingreifen, dass man «praktisch in den Neubaubereich» käme. Schliesslich stimmten nur die AL und ein paar Grüne gegen den privaten Gestaltungsplan «Seebahn-Höfe», er wurde mit 100 gegen elf Stimmen überwiesen.