- Kantonsrat
Schuld ist der Bund
Der Kantonsrat verabschiedete am letzten Montag drei langjährige Politiker, die jeweils für ihre Fraktion typisch und prägend waren. Florian Meier war fachlich und inhaltlich ebenso das Paradebeispiel eines Grünen wie Thomas Wirth für die Grünliberalen, der zwar liberal war, aber bei dem das Grüne meist überwog. Jean-Philippe Pinto war in seiner langen Amtszeit vor allem Präsident: Er stand insgesamt vier Kommissionen vor, zuletzt der Geschäftsprüfungskommission, und er verlässt den Rat jetzt, damit die Mitte den Sitz im Bezirk Uster mit einem Bisherigen leichter verteidigen kann.
Bei den Geschäftsberichten der vier Kantonsspitäler und der Umsetzung der Eigentumsstrategie bekamen das Kantonsspital Winterthur und die psychiatrische Universitätsklinik Zürich viel Lob. Beide weisen für 2024 deutlich bessere Zahlen als für das Vorjahr auf, wobei Daniel Heierli (Grüne) trocken festhielt, dass «besser oft einfach weniger schlecht» bedeutet. Die Spitäler konnten ihre Defizite zum Teil deutlich verringern, und die Aussichten für ein Plus dieses Jahr stehen recht gut. Das Plus reicht allerdings nicht aus, um die nötigen Investitionen aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Bei der psychiatrischen Universitätsklinik wurde dies auch offen von Verschiedenen, inklusive der Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli, deklariert. Da das Bürghölzli denkmalgeschützt ist, können auch die Freisinnigen dazu stehen, dass das Spital beim fälligen Neubau einen beträchtlichen Zuschuss benötigt.
Genug von einigen Klinikdirektoren
Die Debatte um das Universitätsspital stand ziemlich unter dem Einfluss der Nichtentlassung des Klinikdirektors und des Oberarztes der Urologie. Der Direktor hatte seinem Untergebenen eine falsche Operationsliste unterschrieben, damit dieser die nötige Qualifikation zur Beförderung erhielt. Das Personalrecht, für dessen Auslegung das Spital zuständig ist, lässt offenbar nur einen Verweis und keine Kündigung zu. Natalie Rickli machte kein Geheimnis daraus, dass sie über diesen Entscheid nicht glücklich ist. «Ich habe langsam genug von Klinikdirektoren, die mit ihrem Verhalten den Ruf des Universitätsspitals schädigen.» Sie hofft, dass die «beiden Herren selber kündigen».
Die integrierte Psychiatrie Winterthur-Zürcher Unterland hatte kein gutes 2024 mit einem unerwarteten Defizit von fast 3 Millionen Franken. Grund dafür waren Probleme in der Leitung: Verschiedene Spitzenangestellte verliessen das Spital, was vor allem bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu Einnahmeausfällen führte. Dazu war das Verhältnis der Spitalratspräsidentin zur Aufsichtskommission des Kantonsrats nicht gerade das Beste. Immerhin: Der Neubau ist nun eingeweiht.
Generell gibt es noch zu bemerken, was fast alle Redner:innen ausführten: Sexuelle Belästigungen und Gewalt gegen das Personal nehmen zu. Die Massnahmen dagegen und das Bewusstsein dafür allerdings auch.
Nutzt nicht viel
Es ist unbestritten, dass die Zunahme der Flüchtlinge die Gemeinden belastet. Im Kanton Zürich ist es so, dass im Prinzip Flüchtlinge mit abgeklärtem Aufenthaltsstatus auf die Gemeinden gemäss Einwohnerzahl verteilt werden. Praktisch bedeutete dies bis vor zwei Jahren einen Quotienten von 0,5 Prozent oder anders gesagt: 5 Flüchtlinge auf 1000 Einwohner:innen. Der Quotient wurde – auch wegen des Ukrainekriegs – via 1,0 bis auf 1,6 erhöht. Das führte in etlichen Gemeinden vor allem zu Unterkunftsproblemen, da die Wohnungsnot keine städtische Spezialität ist. Kommt hinzu, wie Yiea Wey Te (FDP und Gemeinderat in Unterengstringen) ausführlich schilderte: Die Akzeptanz für die Kosten nimmt bei den Stimmberechtigten ab. So lehnte die Gemeinde erst gerade einen Kredit für ein Wohnhaus für Flüchtlinge deutlich ab, obwohl die lokale SVP sich dafür ausgesprochen hatte.
Lorenz Habicher führte als Sprecher der SVP aus, dass die Quote von 1,0 gerade noch bewältigbar sei, was aber darüber gehe und vor allem so schnell wie die letzte Erhöhung komme, übersteige die Kapazitäten der Gemeinden. Die Gemeinden benötigten – und das sagten alle Redner:innen der SVP und der FDP – eine gewisse Planungssicherheit und auch Zeit, um sich einzurichten. Kämen in einer Welle so viele Flüchtlingen wie in den letzten beiden Jahren, so sähen sie den Bund und den Kanton in erster Linie in der Pflicht. Es gehe nicht an, dass der Bund einige seiner Zentren schliesse und dann den Gemeinden die Last übergebe. Die Schliessung einiger Bundeszentren lässt sich tatsächlich nur mit den Sparbemühungen des Bundes und nicht mit den Erfordernissen der Asylpolitik rechtfertigen. Alain Sanguines (SP) wies darauf hin, dass diese Schliessung nicht einfach durch Bundesrat Beat Jans erfolgte, sondern auch Druck der Finanzdirektorin und der eidgenössischen Räte dazu beitrug.
Die Festlegung einer Obergrenze von 1,0 hat logischerweise die Konsequenz, dass die Übriggebliebenen von jemand anderrm untergebracht werden. Fast einig war man sich darin, dass der Bund eigentlich nur Flüchtlinge mit abgeklärtem Status und einer Bewilligung an die Gemeinden abgegeben sollte und er mit gegen 20 000 unerledigten Gesuchen einfach zu langsam sei. Die parlamentarische Initiative von FDP und SVP verlangt, dass der Kanton in eigenen Zentren die Überzähligen unterbringt. Die Antwort darauf von vielen Redner:innen: Auch die kantonalen Zentren stehen in einer Gemeinde und machen dort wegen ihrer Grösse durchaus Probleme. Zudem sei das Ziel zumindest bei den Flüchtlingen mit einer geregelten Aufenthaltsbewilligung die Integration, und diese werde in Grosslagern nicht gerade gefördert. Zudem müssten für die Kinder extra Schulen eingerichtet werden.
Regierungsrat Mario Fehr griff in seinem Votum den Bund und Bundesrat Beat Jans im Speziellen heftig an. Er wolle von ihm nicht via «Schweizer Illustrierte wissen, wie er sein Privatleben organisiere, sondern wie er seinen Job, den raschen Abbau der Pendenzen, erledige. Der Bund mache seinen Job derzeit einfach nicht, war sein Fazit, und er forderte die Parteien auf, in Bern Druck zu machen. Energisch wehrte er sich aber auch gegen eine Obergrenze für die Gemeinden. Er findet erstens das Prinzip richtig, dass die Flüchtlinge auf alle Gemeinden gleichmässig nach Einwohnerzahl verteilt werden, und dass es nicht zu Konzentrationen in einigen Kantonen wie im Kanton Bern kommt. «Die Zentren entstehen dann einfach in den armen Gemeinden, die sich nicht wehren können.»
Mit 94:75 Stimmen wurde die Parlamentarische Initiative von FDP und SVP definitiv versenkt. Mit dem gleichen Resultat auch jene, die mit einer Standesinitiative verlangt, dass der Bund alle Kosten für die Flüchtlinge übernimmt. Während der Vorstoss zur Obergrenze bei Gemeinden eine rationelle Grundlage hat und die Diskussion zwar intensiv, aber ausgesprochen sachlich verlief, war der zweite Vorstoss vor allem für die Galerie.