Schönenberg vor Schicksalsfrage

In der innerdörflichen Auseinandersetzung um einen Zusammenschluss mit Wädenswil und Hütten geht es in Schönenberg schon länger ziemlich wüst zu und her. Zwei Infoabende vor dem Urnengang im Mai aber verliefen nun fast schon erstaunlich gesittet.

 

Von Arthur Schäppi

 

Grabenkämpfe und persönliche Anfeindungen im Gemeinderat, Aufsichtsbeschwerden und ein laufendes Amtsenthebungsverfahren, das zwei Gemeinderäte gegen ein eigenmächtiges Exekutivmitglied angestrengt haben. Und Flyer mit zweifelhaften Behauptungen, Drohbriefe sowie eine Dauerkrise in der Verwaltung samt einem damit einhergehenden Verschleiss von Gemeindeschreibern: Seit Jahren wurde und wird in der noch ziemlich ländlich geprägten Gemeinde Schönenberg mit harten Bandagen gestritten. Meist ging und geht es dabei direkt oder indirekt um jene brisante Frage, über die nun am 21. Mai gleichzeitig auch die WädenswilerInnen und HüttnerInnen an der Urne zu befinden haben, die aber die SchönenbergerInnen ungleich stärker umtreibt und die den dortigen Gemeinderat tief gespalten hat: Sollen die zwei Kleingemeinden Schönenberg und Hütten auf 2018 in die Stadt Wädenswil eingemeindet werden? Im Wädenswiler Parlament jedenfalls hatten mit Ausnahme der kleinen GLP schon mal alle Fraktionen dem Zusammenschluss zugestimmt – aus nachbarschaftlicher Solidarität, wenn auch ohne Begeisterung. Und auch, weil das Zusammengehen gemäss Modellrechnungen und dank Synergien und einer Anschiebehilfe des Kantons von 7,6 Mio. Franken ohne Steuererhöhung gelingen soll. Kaum Opposition regt sich bislang auch in der finanz- und strukturschwachen Berggemeinde Hütten, die eine Fortsetzung des Alleingangs teuer zu stehen käme. In Schönenberg hingegen scheint ein Ja weit weniger gewiss, obwohl die StimmbürgerInnen dort die Behörden ebenfalls – wie in Hütten – mit klarem Mehr mit der Aufnahme der Fusionsverhandlungen beauftragt hatten.

 

Kleine in Bedrängnis

 

Am Mittwoch dieser Woche nun hat der Schönenberger Gemeinderat, wo nach einer Ersatzwahl die BefürworterInnen Oberhand gewonnen haben, an einem Informationsabend im Dorfhuus für die Eingemeindung geworben – unterstützt vom Wädenswiler Stadtpräsidenten Philipp Kutter (CVP) und der Hüttner Gemeindepräsidentin Verena Dressler (parteilos). Schönenbergs Gemeindepräsident Lukas Matt (FDP) rekapitulierte dabei vor annähernd 300 BesucherInnen, weshalb die Eingemeindung für Schönenberg überhaupt zum Thema geworden ist: etwa weil sich das Dorf mangels Baulandreserven kaum weiterentwickeln könne und die Bevölkerung stetig abnehme. Und auch, weil es für die Kleingemeinde immer schwieriger werde, die immer komplexeren Aufgaben zu bewältigen, Behördenämter zu besetzen und Personal für die Verwaltung zu finden. Während die Gemeinde bei einem Alleingang wegen des neuen Finanzausgleichs deutlich höhere Steuern gewärtigen müsste, könne sie bei einer Eingemeindung von einem im Vergleich zu heute um acht Prozent tieferen Steuerfuss von Wädenswil profitieren.

 

Kontroverse um Heim und Schule

 

Nur eine knappe Woche davor hatte das gegnerische Forum Pro Schönenberg am selben Ort und mit vergleichbarem Besucheraufmarsch für ein Nein mobilisiert. Dessen Sprecher, Karl Götschi, bezichtigte die BefürworterInnen damals ganz unverhohlen der Lüge und warnte nicht bloss vor dem Verlust der Eigenständigkeit und dörflichen Identität. Sondern auch davor, mit der Eingemeindung die eigene Primarschule und das Altersheim aufs Spiel zu setzen und die Gemeindeliegenschaften zum Verscherbeln freizugeben. Alles Bedenken oder Behauptungen, die am Mittwoch in der Publikumsdiskussion erneut auftauchten, vom Schönenberger Gemeindepräsidenten, der dortigen Schulvorsteherin und auch von Wädenswils Stadtpräsident Philipp Kutter aber dezidiert zurückgewiesen wurden. Kutter betonte auch, dass Wädenswil zwar über etwas weniger Steuerkraft, aber über ein höheres Nettovermögen als Schönenberg verfüge. Unbestritten blieb, dass mit der Stadt am See und den ländlichen Berggemeinden unterschiedliche Partner zusammenfinden würden und dass es dabei um eine Zweck- und nicht um eine Liebesheirat geht. Eine zumindest in Ansätzen vergleichbare Eingemeindung haben im Kanton Zürich auf Anfang 2016 die Stadt Illnau-Effretikon und die Landgemeinde Kyburg vollzogen. Mit bislang durchwegs positiven Erfahrungen, wie dortige Behördenvertreter am Mittwoch bilanzierten.

 

Ausserkantonale Ratgeber

 

Sogar ausserkantonale Fürsprecher hatten vor Wochenfrist die Gegner aufgeboten: nämlich René Roca, Historiker und Inhaber eines «Forschungsinstituts direkte Demokratie» sowie Vizeammann in Oberrohrdorf AG und einst VPM-Mitbegründer, und Peter Forster, Leiter des ‹Schweizer-Soldaten› und Ex-Chefredaktor der ‹Thurgauer Zeitung›, sowie den emeritierten St. Galler Rechtsprofessor Rainer J. Schweizer, der in Hirzel dortige Gegner einer Fusion mit Horgen juristisch alimentiert. Den drei ausserkantonalen Ratgebern gemeinsam war vor allem eines: Dass sie zu allen möglichen vollzogenen oder gescheiterten Fusionen etwa im Glarnerland, Thurgau oder Aargau sprachen – bloss nicht zur Vorlage in Schönenberg. Weil sie damit auch gar nicht vertraut waren. Stattdessen warnte das Trio generell vor Absorptionsfusionen, bei denen die kleinere von der grösseren Gemeinde verschluckt werde. Sinnvoll sein könnten Zusammenschlüsse nur, wenn sie freiwillig, kooperativ und partizipativ auf Augenhöhe erfolgten, lautete die Kernbotschaft. Vom Wädenswiler Schulvorstand Johannes Zollinger (EVP) als kaum praktikabel zurückgewiesen wurde etwa Schweizers Vorschlag, für Schönenberg und Hütten auf den Wädenswiler Wahllisten eine bestimmte Anzahl Plätze zu reservieren oder gar eigene Wahlkreise festzulegen. Gerechterweise müssten dann auch diverse andere Ortsteile, wie etwa die Au, einen Wahlkreis bilden dürfen, konterte Zollinger.

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