Schöne neue Arbeitswelt?

Die Arbeitswelt wandelt sich stetig und im Zuge der Digitalisierung auch immer rascher, wie eine neue Studie aufzeigt. Vier Berufsfelder sind besonders betroffen.

Die am Dienstag in Zürich vorgestellte neuste Studie der Arbeitsmarktbeobachtung Ostschweiz, Aargau, Zug und Zürich (Amosa, siehe auch Infobox) trägt den Titel «Arbeit 4.0. The Future of Work». Sie untersucht den Wandel der Arbeitswelt seit 2010. Im Vorwort umreisst Edgar Spieler, Vorsitzender des Steuerungsausschusses sowie stellvertretender Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich und Bereichsleiter Arbeitsmarkt, den inhaltlichen Schwerpunkt schon im ersten Satz: «Wie verändert Digitalisierung unsere Arbeit?» Zur Beantwortung dieser Frage habe die Amosa «vier Berufsfelder identifiziert, die bereits heute oder in naher Zukunft besonders stark von Veränderungen durch Automatisierungsprozesse oder Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz betroffen sein werden». Damit gemeint sind die Berufe der industriellen Produktion, Büro- und Sekretariatsberufe, Marketingberufe sowie Verkaufsberufe im Detailhandel. Diese Berufe seien geprägt durch einen «hohen Routineanteil oder durch ein hohes Anwendungspotenzial für künstliche Intelligenz, welche den Wandel in den Berufsfeldern weiter beschleunigen wird», heisst es in der Medienmitteilung vom Dienstag.

Digital statt analog…

Im ersten Kapitel, «Der Arbeitsmarkt im Wandel», stellen die Studienautor:innen unter der Projektleitung von Amosa-Leiterin Katharina Degen fest, dass der Strukturwandel im Arbeitsmarkt zwar «nicht neu» sei: «Bemerkenswert ist jedoch das Tempo des Wandels, das sich im Vergleich zu früher verschärft haben dürfte.» Zur Frage, wie die Digitalisierung unsere Arbeitswelt beeinflusst, hätten sich in der Wissenschaft zwei Ansätze herauskristallisiert: Gemäss der Polarisierungstheorie führten zunehmende Automatisierungsschritte «vor allem zu Beschäftigungsrückgängen im Bereich des mittleren Qualifikationsniveaus, während die Beschäftigung bei den Gering- und Hochqualifizierten zunimmt». Gemäss der Upgrading-Theorie hingegen «steigt mit der Digitalisierung vor allem die Nachfrage nach höherqualifizierten Arbeitskräften, während die Nachfrage im Bereich der niedrigen und mittleren Qualifikation zurückgeht, da diese Tätigkeiten zunehmend durch technische Errungenschaften übernommen werden können». Laut den Studienautor:innen lässt sich die Beschäftigung im Amosa-Gebiet eher dem Upgrading-Ansatz zuordnen, während beispielsweise im angelsächsischen Raum eher eine Polarisierung am oberen und unteren Ende des Qualifikationsspektrums zu beobachten sei.

…und kognitiv statt manuell

Im zweiten Kapitel der Studie findet sich unter anderem eine Übersicht dazu, wie sich die Tätigkeitsprofile und Kompetenzanforderungen in den Fokusberufen verändert haben. In den Büro- und Sekretariatsberufen sind einige Routinetätigkeiten bereits weggefallen. Bankangestellte etwa müssen heute die Kund:innen vermehrt dabei unterstützen, die neuen digitalen Dienstleistungen und Tools anzuwenden. Im Bereich Marketing führt die Entwicklung vom analogen hin zum digitalen Marketing dazu, dass die Mitarbeiter:innen mit den neu dazugekommenen Kanälen, Tools und Messmethoden umgehen müssen. Das mache das Tätigkeitsfeld der Mitarbeiter:innen im Marketing nicht nur «vielfältiger», sondern auch «fragmentierter». Bei den Verkaufsberufen änderte sich zwar die Berufsrolle, aber «ohne harte Brüche und abgehängte Mitarbeiter:innen». Statt Personen, die lediglich Gestelle auffüllten, würden nun Mitarbeiter:innen angestellt, die «vermehrt Mischfunktionen wahrnehmen» und dabei etwa mehr Kund:innenkontakte haben. Dadurch werde der Verkaufsberuf aufgewertet. In der industriellen Produktion schliesslich seien zwar neue digitale Hilfsmittel dazugekommen, doch die Kerntätigkeiten blieben meist unverändert. Bei den Mechaniker:innen fand eine Differenzierung in verschiedene Berufsprofile statt: Arbeiten, die früher eine Person ausführte, sind heute auf drei Berufsprofile verteilt, nämlich Programmierer:innen, Mechaniker:innen mit gewissen Programmierkenntnissen und Maschinenbediener:innen.

Im dritten Kapitel geht es um «Future Skills» beziehungsweise um die Frage, «wo stehen unsere Stellensuchenden?» Dass «digitale Fitness in fast allen Berufen vorausgesetzt» wird, versteht sich heutzutage von selbst. Aber auch «eine hohe Anpassungsfähigkeit, Teamfähigkeit, selbstständiges Arbeiten, die Übernahme von Verantwortung oder die Fähigkeit, Begeisterung zu zeigen, werden auf dem heutigen Arbeitsmarkt regelmässig und in allen Berufsbereichen gefordert». Als «Schlüsselkompetenz mit Entwicklungspotenzial» bezeichnen die Studienautor:innen das lebenslange Lernen. Um in Zukunft arbeitsmarktfähig zu bleiben, rückten neben den berufsbezogenen Fachkompetenzen digitale Kompetenzen und sogenannte Soft Skills, «zwischenmenschliche Kompetenzen», immer stärker ins Zentrum.

Im vierten Kapitel der Studie geht es schliesslich noch um Handlungsfelder und Massnahmen. Speziell erwähnt wird unter anderem das «Erkennen und Fördern von digitalen Kompetenzen», aber auch der «Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit und Förderung von beruflicher Mobilität». Dazu gehört aber auch, «praxisnahe Kompetenzanforderungen» zu definieren und berufliche Quereinstiege zu fördern. «Deshalb sollte bei der Personalrekrutierung vermehrt auf die Fähigkeiten und Kompetenzen der Kandidatinnen und Kandidaten fokussiert werden und weniger stark auf Bildungsabschlüsse», heisst es dazu in der Medienmitteilung.

Amosa: Die Arbeitsmarktbeobachtung Amosa wurde im Sommer 2002 von der Regionalkonferenz Ost des Verbandes Schweizerischer Arbeitsmarktbehörden (VSAA Ost) gegründet. Dies geschah aus der Erkenntnis heraus, «dass der Arbeitsmarkt keine Kantonsgrenzen kennt», wie ihrer Webseite amosa.net zu entnehmen ist. Seither arbeitet Amosa im Auftrag der Ämter für Wirtschaft und Arbeit der Kantone Aargau, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Glarus, Graubünden, Schaffhausen, St. Gallen, Thurgau, Zug und Zürich. Ihre Aufgabe umschreibt die Amosa wie folgt: «Wir erarbeiten Entscheidungsgrundlagen zur Optimierung und Weiterentwicklung der strategischen Ausrichtung der Vollzugspraxis in den Mitgliedskantonen von Amosa. Dafür erheben wir Informationen zu praxisbezogenen Problemstellungen und analysieren diese wissenschaftlich. Auf Basis der Studienergebnisse entwickeln wir gemeinsam mit unseren Projektpartnern (Behörden, Sozialpartner, Verbände) Massnahmen zur raschen und nachhaltigen Integration von Stellensuchenden in den Arbeitsmarkt.» 

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