(Bild: Reto Kaufmann, Kunst Museum Winterthur)

Schmaler Grat

Ausgerechnet der penibelste Markt in Sachen Urheberrecht, die Kunst, gebar frei nach «Des Kaisers neue Kleider» eine Abteilung, in der eine behauptete Zuschreibung sämtliche weiteren Vorbehalte überstimmt.

Bei Vintageartikeln in Möbeln, Roben oder Fahrzeugen kann der ursprüngliche Ausgabepreis einer Ware schon mal explodieren. Die sich verändernden modischen Vorlieben sorgen durch Entsorgung automatisch für eine Verknappung. Das sorgsame Aufbewahren und geduldige Abwarten auf ein Revival eines Hypes ist ein einträgliches Geschäft, weil im Grunde hochspekulativ. In der Gegenwartskunst steht die Weiterentwicklung der erstmals von Marcel Duchamp vorexerzierten Unverschämtheit durch das Ausstellen eines Readymade (ist faktisch widerlegt) spätestens seit den Nachkriegsjahren in einer immer sich breiter auffächernden Ambivalenz just an der Scheide von Kongenialität und Bauernnepperei. Ein während vierzig Jahren millionenfach produziertes Moped wird noch ewig keinen Vintagegewinn abwerfen, frisch restauriert und von einem namhaften Absender zur Kunst erklärt, übersteigt der damit potenziell lösbare Marktwert jedweden logischen Zusammenhang mit Material, Rarität und Vernunft. Das Objekt ist fetischisiert, wie ein Holzsplitter vom Kreuz Jesu. Auf einer entgegengesetzten Ebene entwickelte sich in derselben Zeit die gegenteilige Bewegung der Profanisierung einer Highend-Marke, häufig einhergehend mit einer Ironisierung und/oder anklagenden Neukontextualisierung, wofür sich der White-Cube der Kunst sehr gut eignet. Wenn der Schriftzug einer direkt auf John D. Rockefeller zurückgehenden Monopolmineralölfirma typengleich reproduziert wird, inhaltlich jetzt aber anscheinend als Werbetafel für ein natürlich illegales, halluzinogenes Rauschmittel steht, überschlägt sich die Vielzahl von Möglichkeiten an Assoziationen einer damit beabsichtigten Aussage. Mit dem Ziel einer Auslotung der Grauzonen zwischen diesen beiden Extremen versammelt der Kurator Lynn Kost für «Form Matters, Matter Forms» weit über achtzig verschiedene Positionen, die den jeweils momentan opportunen Kommentar im Umgang mit ein und demselben Dilemma über mehr als ein halbes Jahrhundert nebeneinanderstellen. Einige sind empörend durchschaubar allein dem pekuniären Zugewinn für die Urheberschaft dienlich (oder der Verballhornung der potenziellen Käuferschaft), andere wiederum sprengen beinahe das räumliche Fassungsvermögen der physischen Örtlichkeit mit einer übersprühenden Fülle an Hintersinn. Die Ausstellung als solche unternimmt ihrerseits keine Anstalten, eine Wertigkeitswertung herzustellen.

«Form Matters, Matter Forms», bis 17.11., Kunst Museum Winterthur / beim Stadthaus, Winterthur.