Scheinintegriert

Das hohe Alter hat weder dem Geschäftssinn noch der Risikobereitschaft von Pat (Lin-Lin Li) etwas anhaben können. Frivol investiert sie in Whisky zur Kapitalanlage und ist im Begriff, einen Onlinehandel aufzuziehen. Ihre Langzeitliebespartnerin Angie (Patra Au) musste sich mit derlei Belangen nie auseinandersetzen. Selbstverständlich bestritten sie ihr gemeinsames Leben einander nach Befähigungen ergänzend, kauften gemeinsam eine Wohnung, liehen Pats Neffen das Geld für den Kauf einer Limousine als Existenzgrundlage und luden zu Feiertagen alle grosszügig zu lukullischen Gaumenfreuden zu sich ein. Sie lebten ihr Leben unbeschwert und vernachlässigten darüber profane Dinge wie das Verbriefen gemeinsamer Besitztümer oder gar eine juristische Absicherung ihrer Liebe durch Heirat im Ausland. Also steht Angie nach dem überraschenden Hinschied von Pat in einem rein rechtlichen Sinn vor dem Nichts. 

In «All shall be well» von Ray Yeung, der mit «Suk Suk» vor fünf Jahren bereits ein Drama um das Schwulsein im Alter in Hongkong realisiert hatte, kommt erschwerend hinzu, dass das Paar pekuniär weit besser gestellt gewesen war als die Restfamilie, was deren Begierden weckt. Wollte Angie Pats Asche im Meer verstreuen, wie sie es sich gewünscht hatte, müsste sie dies beweisen können und käme erst so nicht in einen Clinch mit ihrer Schwägerin Fanny (Fish Liew). Wollte Angie den Anteil ihres Besitzstandes an der gemeinsamen Wohnung nachweisen, müsste auch dies offiziell beurkundet worden sein und könnte nicht von ihrem Schwager Shin (Tai Bo) ignoriert werden. Nur weil die ursächlich einer misogynen Tradition folgenden Absicht der Familie eine neu erweckte Gier meint, heisst das nicht automatisch, dass die Konsequenzen nicht letztlich auf Homophobie gründen. 

Angie zieht sich zum sogenannt allgemeinen Wohl immer weiter zurück, bis sie als jahrzehntelange Hauptperson im Pats Leben selbst zu verschwinden droht.

«All shall be well» spielt im Kino RiffRaff.