Schattenwurf als Hoffnungsträger?

Weshalb können die ehemaligen Personalhäuser des Triemlispitals nicht weiter genutzt werden? Der Stadtrat argumentiert unter anderem mit Schattenwurf während mehr als zwei Stunden, obwohl die entsprechende kantonale Verordnung per 1. August 2021 geändert wurde und seither drei Stunden Schatten zulässig sind.

 

Die ehemaligen Personalhäuser des Triemlispitals sollten eigentlich schon nicht mehr stehen. Das ist in der Abstimmungszeitung zur Volksabstimmung vom 25. November 2007 über den Kredit von 290 Millionen Franken für den Neubau des Bettenhauses nachzulesen. Dort heisst es, «die drei Personalhäuser werden nach Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 2018 rückgebaut». Das Bettenhaus ist unterdessen in Betrieb, der Abbruch der Personalhäuser jedoch verzögerte sich, weil sie noch zwischengenutzt werden: nicht nur vom Spital, sondern auch als temporäres Altersheim.

 

Aktuell geht man bei der Stadt davon aus, dass die drei Personalhäuser 2023 abgebrochen werden. In seiner Kolumne auf tsüri.ch stellte das Architekturkollektiv ZAS* am 11. Dezember 2021 nichtsdestotrotz zur Debatte, ob ein Umbau und eine Neunutzung der «Betonreserven am Triemli» wirklich so «undenkbar» wären. Diese Idee stiess im Zürcher Gemeinderat auf fruchtbaren Boden, und zwar in Form einer am 5. Januar eingereichten dringlichen schriftlichen Anfrage von Regula Fischer Svosve und Walter Angst (beide AL) sowie 32 MitunterzeichnerInnen (vgl. P.S. vom 21. Januar). Sie stellen darin etwa die Frage, ob der Stadtrat einen Abbruch ins Auge fasse, «ohne dass eine Nachfolgenutzung rechtlich und finanziell bewilligt worden sei».

 

Neue Schattenwurfregelung

Speziell interessant ist allerdings die Frage 10: Im Stadtratsbeschluss 406 vom 23. Mai 2018 werde der Verzicht auf die Aufnahme der Personalhäuser ins Inventar der Denkmalpflege unter anderem damit begründet, dass wegen dem «Schattenwurf des neuen Bettenhauses (…) eine reine Wohnnutzung für die Personalhochhäuser nicht mehr zulässig» sei, schreiben die VerfasserInnen der schriftlichen Anfrage und wollen ausserdem wissen, ob für die Wohnnutzungen keine Bestandesgarantie bestehe.

 

In seiner Antwort hält der Stadtrat fest: «Der Bauentscheid des Amts für Baubewilligungen der Stadt Zürich (…) zum Neubau Bettentrakt vom 15. April 2008, resp. zum Weiterbetrieb/zur Umnutzung der Häuser war geknüpft an die Auflage, dass in den unzulässig beschatteten Bereichen der Personalhäuser auf eine Wohnnutzung zu verzichten sei. Der Nachweis der Beschattung ergab, dass alle drei Häuser teilweise im Schatten des Bettenneubaus stehen und vom Zwei-Stunden-Schatten (…) in unterschiedlichem Mass betroffen sind (…). In den Bereichen, die zurzeit nicht für Wohnzwecke genutzt werden, gilt gegenwärtig die Nutzung gemäss Baueingabe der Zwischennutzungen (Büros, Ambulatorien). In diesen Bereichen besteht somit keine Bestandesgarantie der Wohnnutzung.»

 

Und was ist daran interessant? Am 28. Juni 2021 hat der Kantonsrat mit 141:27 Stimmen bei einer Enthaltung der Änderung von §30 der Allgemeinen Bauverordnung zugestimmt, die sich mit dem Schattenwurf von Hochhäusern befasst: Bisher war eine Beschattungsdauer von zwei Stunden an den mittleren Wintertagen (3. November und 8. Februar) zulässig. Neu beträgt die zulässige Beschattungsdauer drei Stunden. In der Vorlage heisst es zudem, «das neue Recht findet ab Datum des Inkrafttretens der Verordnungsänderung auch auf hängige Verfahren Anwendung». Die Änderung ist am 1. August 2021 in Kraft getreten.

 

Schattenwurf oder Schutzwürdigkeit?

Somit ist für die Berechnung des Schattenwurfs nicht mehr der Zwei-Stunden-Schatten relevant, sondern der Drei-Stunden-Schatten. Und damit stellt sich die Frage, ob das Wohnen in den heute beschatteten Teilen der Personalhäuser auch dann noch unzulässig wäre, wenn der Schattenwurf gemäss aktuell gültiger kantonaler Gesetzgebung neu berechnet würde.

 

Anatole Fleck, stv. Kommunikationsleiter des Amts für Städtebau, erklärt dazu auf Anfrage, eine solche Neuberechnung sei zurzeit kein Thema, und wie rasch sie ausgeführt werden könnte, lasse sich auf die Schnelle nicht beantworten: «Dazu bedürfte es genauerer Abklärungen.» Zudem sei auch die Schutzwürdigkeit der einzelnen Gebäude nicht gegeben: «Der Schattenwurf spielt somit nur eine untergeordnete Rolle.» In der baulichen Entwicklungsstrategie Areal Stadtspital Zürich (STZ) 2020–2050 aus dem Jahr 2017 heisst, auf eine Aufnahme der Personalhäuser ins Inventar der schützenswerten Bauten sei aus folgenden Gründen zu verzichten: «Aufgrund der für das Ortsbild wichtigen Ensemblewirkung ist der Erhalt der primär städtebaulich bedeutenden Personalhäuser A, B und C (…) nur als gesamte Gebäudegruppe, nicht aber als Einzelobjekte zu rechtfertigen. Das zwischen 2008 und 2016 erstellte neue Bettenhaus (…) schwächt (…) die Ensemblewirkung der Personalhäuser A, B und C (…). Zudem hat der Schattenwurf des neuen Bettenhauses zur Folge, dass eine Wohnnutzung für die Personalhäuser nicht mehr zulässig ist.»

 

Soweit, so klar, nur: In seiner Antwort auf die Frage 10 der schriftlichen Anfrage nimmt der Stadtrat ausdrücklich Bezug auf den Bauentscheid zum Neubau des Bettentrakts vom 15. April 2008 und auf den damals gültigen Zwei-Stunden-Schatten, nicht aber auf die Entwicklungsstrategie von 2017. Zum Vergleich: Auch in der Weisung 203 vom 4. Februar 2004, «Stadtspital Triemli, Genehmigung überarbeitete Gesamtplanung 2003» war noch keine Rede vom Denkmalschutz: «Da die Gebäude auch nach einer Sanierung keine Standardverbesserung aufweisen (…), geht die Gesamtplanung 2003 davon aus, dass diese Gebäude nach der Fertigstellung der Sanierung des Hochhauses abgebrochen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt werden sie nur so weit nötig unterhalten. Für einen Abbruch spricht zudem, dass zwei der drei Personalhäuser im Schattenwurf des neuen Bettenhauses liegen und somit nicht mehr für Wohnzwecke nutzbar sind.»

 

«Spielraum nutzen»

Könnte man den Abbruchentscheid also nochmals überdenken? Walter Angst erklärt dazu auf Anfrage: «Es gibt Spielraum für Gespräche und dafür, die Häuser übers Jahr 2023 hinaus zu erhalten. Diesen Spielraum sollten wir nutzen.»

 

Fazit: Auch wenn die Personalhäuser nur «so weit nötig» unterhalten wurden und eine Renovation teuer käme: Woran es in Zürich fehlt, ist Wohnraum. Und da es zurzeit bekanntlich schwierig und sehr teuer ist, Häuser oder Bauland zu kaufen, müsste es doch einen Gedanken wert sein, das Geld statt in einen (ebenfalls teuren) Abbruch in eine Sanierung zu stecken und Wohnraum zu schaffen. Selbst wenn es eher kleine Wohnungen gäbe und somit ausnahmsweise nicht für Familien mit Kindern gesorgt würde: Es gibt in Zürich auch viele SeniorInnen, Lehrlinge und StudentInnen, Paare ohne Kinder und Alleinstehende. Und wohnen müssen alle.

 

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