Schaffe, schaffe, Wohnig miete

Was hat Wohnen mit dem 1. Mai zu tun? Oder: Was hat Wohnen mit Arbeit zu tun? Die einfache Antwort: Vieles. In der diesjährigen redaktionellen Beilage zum 1. Mai haben wir versucht, uns mit der schwierigeren Antwort auseinanderzusetzen. Verdichtung, Verdrängung, Hochhäuser, nicht berücksichtigte Haus- und Care-Arbeit… Die Perspektiven sind zahlreich. Und setzen bei Grundsatzfragen an: So müssten wir uns etwa fragen, wieso die Arbeit, die zuhause stattfindet, nicht als solche angesehen wird? Wie können wir dafür sorgen, dass schlecht oder unbezahlte Care-Arbeit ihrer zen­tralen Funktion in unserem System entsprechend wertgeschätzt wird? Im Gespräch erklärt Barbara Zibell, Raumplanerin und pensionierte Professorin für Planungs- und Architektursoziologie, wieso feministische Ansätze in der Raumplanung uns allen zugutekämen.

Elke Schimmel, ebenfalls Raumplanerin und Co-Präsidentin des Vereins Lares, der sich für alltags- und gendergerechtes Planen und Bauen einsetzt, setzt an einem Thema an, das auch im Interview angeschnitten wird. Es geht, stark zusammengefasst, um die Frage der Macht im öffentlichen Raum. Wer fühlt sich legitimiert, sich den öffentlichen Raum anzueignen? Und wie kann ein Raum verändert werden, wenn er manchen Gruppen nicht mehr zugänglich ist? Und wie kann ein Raum besser auf die Bedürfnisse jener eingehen, die ihn heute nicht benützen?

Natürlich geht es hierbei oft auch um Verdichtung und deren Konsequenzen: Die Verdrängung von Menschen mit oft tieferem Einkommen an den Stadtrand und darüber hinaus. Obwohl vieles leer steht. Heisst: Wohnen und Arbeiten rücken oft weiter auseinander, die räumliche Vereinbarkeit wird schwieriger. Und nur eine Minderheit handelt. Hannes Lindenmeyer nimmt sich in seinem Artikel zur Besetzung an der Hellmutstrasse der Bedeutung der Häuserbewegung für die Stadtentwicklung und der Wohnungsfrage als klassischem Widerspruch des Kapitalismus an. Fazit: Recht auf Wohnen muss vor Recht auf Spekulation gehen. 

Nicole Soland hat sich derweil im grösseren Kontext mit der Wohnungsproblematik ausei­nandergesetzt. Genauer mit dem Wohnraum, den wir heute mieten, dass er immer teurer wird, dem Unterschied zwischen dem theoretischen Mietzins und dem, was wir effektiv zahlen und ob Gestaltungspläne eigentlich bringen, was sie sollen. Die Instrumente, um bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen zu können, wären offensichtlich vorhanden. Aber setzen wir sie sinnvoll ein?

Die Frage nach dem Wohnen ist auch eine Frage danach, wie gebaut wird. Und Zürich baut gern nach oben. Die Revision der Hochhausrichtlinien steht bald an, weshalb sich Heinz Oeschger die Senkrechtmonumente aus Beton und Glas vorgenommen hat. Braucht Zürich überhaupt Hochhäuser? Hat das Hochhaus nicht seine Berechtigung verloren? Fakt ist: Die neuen Richtlinien sind noch nicht genehmigt. Höchste Zeit also, dass sie diskutiert werden.  

Weiter hat Roman Prelicz, wie jedes Jahr in der 1. Mai-Beilage, die Thematik auch künstlerisch in Cartoon-Form aufbereitet. Auf zwei ganzen Seiten wird das Thema Raumplanung und Wohnen also auch humoristisch kommentiert. Und auch Ina Müller, eigentlich eine unserer Kolumnistinnen, hat einen artistischen Beitrag in Form einer Collage als Frontbild beigesteuert. Darin erschliesst sich unter anderem eine Perspektive, die wir leider vergessen haben – das mit den Hochhäusern und ihrem durchaus etwas phallischen Design. Und wie Sie in der Lektüre dieser Zeitung erfahren, sitzt das Patriarchat im Standard der Stadtplanung. Wie die Hochhäuser aussehen, ist vielleicht gar kein Zufall. 

Wie immer finden Sie in dieser Beilage auch das Programm der 1. Mai-Feste im Kanton Zürich – damit Sie wissen, wo zahlreich durch die Stadt gelaufen wird, wo diskutiert und debattiert wird und auch wo es Künstlerisches zu sehen gibt.
Heraus zum 1. Mai! 

Wir wünschen schöne 1. Mai-Feste!

Sergio Scagliola

PS: Wir sind Samstag bis Montag auch vor Ort! Besuchen Sie uns doch an unserem Infostand am Stadtzürcher 1. Mai-Fest, wir freuen uns.

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