(Bild: Sara Merz)

Rückbesinnung

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, aber eine Gemeinsamkeit in drei Nachwuchsproduktionen ist eine Tendenz.

Der Zeitgeist kennt Saisonerscheinungen, die in Wellen auftreten. Wenn jetzt die drei Nachwuchsprojekte von «Show-Off» im Tanzhaus Zürich, das die Fühler immer nah am Puls hat, allesamt eindeutige Hinweise darauf vereinen, dass eine Rückbesinnung auf die Qualitäten des poetisch erzählenden Tanztheaters bevorstehen könnte, ist das zuallererst eine Feststellung. Und könnte ein Anzeichen dafür sein, dass die jahrelange (oder noch längere) Ablehnung dieser als nicht zeitgemäss verschrienen Form von Ausdruckstanz alias Bühnenerzählung nicht mehr mit derselben kategorischen Absolutheit gilt, sondern im Umkehrschluss die Distanz zu den Vorreiter:innen unterdessen so ausreichend gross geworden ist, dass die erneute Annäherung an die Form für eine jüngere Generation wieder so spannend erscheint wie das Betreten von Neuland. Chloé Wanner und Lea Korner verhandeln in «Etincelles sous la brume» (etwa: Funken sprühen im Nebel) ihr jeweiliges Standing zueinander, innerhalb des Raumes und gegenüber dem Plexiglas-Bühnenaccessoire diverser semitransparenter Ecken. Zuerst bilden diese ein manifest erscheinendes Bollwerk, entlang dessen sich aufzurichten übermenschliche Kräfte erfordert. Erst der Abbau und die Neuschichtung zu einer Art Individualbabel vermag es, das Wagnis einer Instabilität mit der Bestärkung der Gewissheit zu einem Dritten zu verbinden, der Befriedigung von Selbstdurchsetzung. Alex Ferro steht in «Jasper and his last bits» drei Stühlen gegenüber, die je anders beschaffen sind und verschieden im Raum liegen/stehen. Zu jedem pflegt er eine unterschiedliche Beziehung. Der Umgang mit jedem einzelnen erinnert bald einmal an die rückwärtige Betrachtung – inklusive einer dazugehörenden Wehmut – von zurückliegenden (Liebes-)Beziehungen und den sich unterscheidenden Rollen, die darin verschieden ausgeprägt gelebt worden waren. Morgane Stephane (Performance) und Désirée Myriam Gnaba (Konzert und Film) suchen in «Puppet without a Ghost» nach Massnahmen und Methoden der Selbstermächtigung einerseits und der Anerkennung andererseits als weibliche Breakerinnen innerhalb der männlichkeitenlastigen Szene. Die reine Nachahmung, so viel steht fest, führt da nicht hin. Aber ohne Vorbilder oder bereits erfolgreich erprobte Alternativrouten ist das kontinuierliche Spiel mit Trial and Error ebenso gefahrenvoll wie kräftezehrend. Der klitzekleinste errungene Erfolgsansatz indes flutet die körper-/geisteseigene Energiequelle von Neuem, ist Ansporn, damit fortzufahren.

«Show-Off», 30.6., Tanzhaus, ZH.