«Rózsa! – Uswiis!»

Der reale Ausspruch eines nicht namentlich bekannten Polizisten gegenüber Klaus Rózsa bei dessen Berufsausübung als Fotograf spricht Bände und bietet wenig Anlass für eine Rundumberuhigtheit.
Wären die von Erich Schmid im Film «Staatenlos» anhand der aufgefächerten Lebensgeschichte von Klaus Rózsa ausgebreitete Häufung von Willkür in Polizei- und Justizarbeit Anekdoten aus einer längst vergangenen Zeit, man staunte als Spätgeborener über die als persönliche Beleidigung angenommene Bedrohung der damaligen Obrigkeit durch die Zürcher Jugendunruhen. Angesichts von noch heute in die Länge gezogenen Untersuchungshaftzeiten durch Staatsanwaltschaften, die in keiner Relation zu einer potenziell möglichen Strafdauer stehen, wie etwa bezüglich den sogenannt Terrorverdächtigen in Winterthur, bleibt ein diffuses Unwohlsein. Auch ohne besondere Begabung für Verschwörungstheorien mutet es doch sehr seltsam an, dass Klaus Rózsa, um nur ein offensichtliches Beispiel zu nennen, seit nunmehr fast 40 Jahren als ‹Polizistenschreck› gehandelt wird – und das über die Pensionierungen von alten Betonköpfen hinaus bis ins Selbstverständnis von nachkommenden jungen Polizisten, wie die erneute handgreifliche Auseinandersetzung am Rande von «Brotäktschn Hardturm» auf irritierende Weise vor Augen führte. Fast vierzig Jahre nach dem ‹Bunker›, dem AJZ-Vorläufer Mitte der 1970er-Jahre, als Klaus Rózsa zum ersten Mal der Rädelsführerschaft beschuldigt wurde, erkennen junge Polizisten in ihm augenscheinlich eine Bedrohung. Und das nach langjährigen, mehrfachen, immer wieder gewonnenen Prozessen Klaus Rózsas für die Medienfreiheit, die Polizei während ihrer Arbeit filmen oder fotografieren zu dürfen oder der eigentlichen Selbstverständlichkeit, auch PolizistInnen hätten sich bei Personenkontrollen klar kenntlich zu identifizieren.

 

Bitter bis zum Schluss
Dass der heutige Rückzugsort von Klaus Rózsa mit Budapest ausgerechnet in einem Staat mit stark nationaler Ausrichtung liegt und ‹Jobbik›, die zweitstärkste Partei, einen besorgniserregenden paramilitärischen Arm unterhält, dient auch nicht einem Gefühl von Erleichterung, Klaus Rózsa hätte wenigstens jetzt endlich eine Art Ruhe. Wobei Erich Schmid diese letzte Ahnung von Bitternis kunstvoll umschifft, indem er sie aussen vor lässt. Das innere Auge malt sichs trotzdem aus und wünschte, die Realität hätte mitunter deutlichere Züge hollywoodesken Drangs zur finalen Versöhnung. Dafür zeigt der Autorenfilmer Erich Schmid, der auf die Subjektivität seines Standpunktes, also des gesamten Filmes, proaktiv hinweist, eine nur sehr wenigen ZeitgenossInnen Rózsas bekannte Vorgeschichte und seine Zugehörigkeit zum Judentum, wofür er sich – wie andere, etwa Roger Schawinski – erst im zunehmenden Alter ernsthaft zu interessieren beginnen scheint, oder reziprok das eigene Jüdischsein erst spät einen Einfluss auf das eigene Selbstverständnis erhält. Und damit das bisherige Hemmnis der Auseinandersetzung mit der eigenen Vorgeschichte aus nicht erwähnten Gründen sukzessive abgebaut werden konnte. Diesbezüglich schliesst sich im Film ein Kreis. Ein Kreis, der sich Klaus Rózsa ganz offensichtlich erst selbst erarbeiten musste, denn die überlebten KZ-Erlebnisse des eigenen Vaters waren verständlicherweise kein Abendtischgespräch und in jungen Jahren waren ihm vermutlich die gesellschaftlichen Umwälzungen durch die Jugendunruhen Lebensinhalt und Beschäftigung genug. Das konkret zu Erreichende, das Aufbrechen der jetzt bestehenden Schieflage in zu zementieren versuchte Hierarchien versus in Anspruch genommenen Freiheitsansprüchen, war aufreibend genug. Hinzu kommt ein zu keiner Zeit bequemer Beruf als Pressefotograf in einer sich stets zuspitzenden Zeit der technischen Umwälzungen und Sparrundenaneinanderreihungen von Presseerzeugnissen. Ein physisch örtliches Ausweichen war Klaus Rózsa – darauf bezieht sich der Filmtitel letztendlich – nicht möglich. Denn als Ungarnflüchtling, wie das damals hiess, wurde ihm bereits als Kind von Staates wegen die ungarische Staatsangehörigkeit aberkannt und seine mehrmaligen Einbürgerungsbegehren in der Schweiz wurden samt und sonders abgelehnt. Erst eine Eheschliessung zwang quasi die Eidgenossenschaft mit ihren lokalen Körperschaften, ihn ganz am Ende der möglichen Frist durch Einhaltung des geltenden Rechts einzubürgern. Die Grundtonalität dieser Lebensdokumentation bleibt tendenziell deprimierend und man nähert sich unweigerlich der Frage, wie viele Rückschläge, erlitte­nes Unrecht und wiederholte von Amts wegen forcierte juristische Leerläufe ein Mensch ertragen kann.

 

«Staatenlos. Klaus Rózsa, Fotograf» spielt im Kino Arthouse Movie.

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