Romeo & Romeo

Dem Schweigen fehlt die Kraft, Missstände zu verändern. «Wet Sand» ist ein Appell, Ängste zu überwinden.

 

Eher verstimmt erfüllt Moe (Bebe Sesitashvili) die Pflicht, von Tiflis aus in die Pampas ans Schwarze Meer zu reisen, um die Beerdigung und die Haushaltsauflösung ihres Onkels zu organisieren. Die Nachbarn, die sie von ihren Ferienreisen als Kind noch kennt, reagieren wie befürchtet: Geheuchelt überfreundlich und abschätzig erstaunt über ihre äussere Erscheinung und die Tatsache, dass sie noch immer nicht verheiratet und Mutter geworden ist. Einzig der Schankwirt Amnon (Gia Agoava) ist ihr gegenüber neu­tral, will heissen freundschaftlich zugeneigt. Aber seine Stellung in der Dorfhie­rarchie ist am unteren Ende angesiedelt. Vergleichbar mit der Position ihres Onkels, nur dass Moe sich dies erst nach und nach selber erschliessen muss. Als sich das Dorf weigert, seinen Leichnam auf dem Friedhof zu beerdigen, und dies nicht etwa, weil er sich selbst gerichtet hat, kippt die Stimmung. Die alte «Schwuchtel», im Verständnis der Bevölkerung nur um Haaresbreite nicht der Leibhaftige höchstselbst, hat ihre Idylle beschmutzt, wenn nicht sogar ihre Seelen und Gedanken. Also weg damit und Ruhe ist. Weil die Regisseurin und Drehbuchautorin Elene Naveriani für «Wet Sand» die Perspektive einer Fremden in der Fremde trotz desselben Kulturkreises und der Religion wählt, erwirkt sie die Möglichkeit, in der Handlung das Skalpell schärfer und tiefer zu führen und im Sezieren der Gesellschaftsordnung richtiggehend dahin vorzudringen, wo der Schmerz tatsächlich sitzt. Ein paar Machos dominieren alles und verteidigen ihre engstirnige Weltsicht – auch mit Prügeln. So war es immer und so wird es bleiben. Wer aufmuckt, kann einpacken.

 

«Wet Sand» findet via einer codierten Verständigung unter wenigen Figuren zurück zum herzlich allen Menschen zuneigenden Wesen eines in allen schlummernden Inneren. Ergo einer Angstfreiheit alias Mut. Die tragische Romantik darin schwingt lange nach.

 

«Wet Sand» spielt in den Kinos Houdini, RiffRaff.

 

Spenden

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte. Jetzt spenden!

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.