- Im Kino
Respekt
Zuoberst im Aostatal steht eine unbemannte Sternwarte. Hierhin möchte sich der Mailänder Astrophysiker Paolo während eines Winters zurückziehen und sich in Arbeit vergraben. Es ist auch die Flucht vor den unwägbaren Herausforderungen des sozialen Zusammenlebens in die Welt der wissenschaftlichen Erklärbarkeit sämtlicher anzutreffender Phänomene. Nur ist etwas am Teleskop kaputt, der Techniker unerreichbar irgendwo am Nordpol beschäftigt. Ein dienstbarer Roboter ist auf Dauer auch kein abendfüllender Gesellschafter. Also beisst er in den sauren Apfel und befragt die Bergbevölkerung mittels eines vorgefertigten Fragebogens zu deren Wissen über das Universum. Paolo ist jetzt eher nicht so der Menschentyp und seine schlimmsten Befürchtungen werden in den ersten Gesprächen noch übertroffen. Die Sonne sei mit dem Glauben erklärbar, der Vollmond begünstige Geburten, lauten erste Anworten auf Fragenkomplexe, deren Absicht sich einem teils überhaupt nicht erschliessen. In diese Kontakte grätscht das reale Leben. Er würde sehr gerne weiterreden, sagt beispielsweise Josef, aber er müsse jetzt dringend die Kühe füttern gehen. Dass Sternbilder optische Täuschungen seien, findet Severino sehr interessant, allerdings würde der Witwer lieber eine im Tal lebende Witwe mit der reinen Romantik eines Blicks in den Sternenhimmel für sich begeistern. Gabriele kommt kaum je zu Wort, weil seine kleine Tochter alle Aufmerksamkeit für sich reklamiert. Hin- und hergerissen zwischen Selbstmitleid und Selbstvorwürfen löst sich bei Paolo in dem Moment der Knopf, als er nach einem Schwächeanfall die geballte Fürsorge der gesamten Dorfbevölkerung zu spüren bekommt. «Segnali di vita» von Leandro Picarella ist weniger unmittelbar bestechend, als vielmehr poetisch-philosophisch. Die Suche nach dem Sinn treibt alle gleichermassen um. Die Verschiedenartigkeit des Suchens muss Paolo indes erst als gleichwertig zu respektieren lernen.
«Segnali di vita» spielt im Kino Frame.