Resigniert «vernünftig»

 

Zunächst ein langer Applaus für Eveline Widmer-Schlumpf (wenigstens dies), dann die guten Bestätigungen für die Bisherigen: 217 Stimmen für Didier Burkhalter (das zweitbeste Ergebnis aller Zeiten), 215 Doris Leuthard, 210 Alain Berset, 191 Johann Schneider-Ammann, 182 Simonetta Sommaruga (11 Witzstimmen für Daniel Jositsch), 173 Ueli Maurer.

Dann der 1. Wahlgang für den Neuen, der schon alles klarmachte: Guy Parmelin führt mit 90 Stimmen klar, Thomas Hurter erhält als einer der hochgehandelten SprengkandidatInnen 22 Stimmen, und die Grünen halten sich an ihr Versprechen und stimmen für die CVP-Frau Viola Amherd. Die SP verzichtete also auf eine geschlossene Demonstration und setzte mehrheitlich bereits auf Guy Parmelin. Nach dem zweiten Wahlgang ist definitiv klar, dass nur noch einer aus dem offiziellen SVP-Trio gewählt werden kann, und der welsche Hobbyweinbauer und Berufspolitiker steht drei Stimmen vor dem Bundesrat. Offensichtlich haben auch die Grünen teilweise auf ihn gesetzt, und Norman Gobbi und Thomas Aeschi sind derart weit distanziert, dass sie zusammen weniger Stimmen als Guy Parmelin erhalten. Im dritten Wahlgang ist es dann klar: Mit 138 Stimmen ist er neuer Bundesrat.

 

Die vereinigte Bundesversammlung erledigte also, was zu erledigen war, in nützlicher Zeit. Ohne überflüssige Manöver und ohne künstliche Spannung. Die Entscheidung zu dieser Wahl (nicht zur Person Parmelin) war bereits deutlich früher gefallen: Zunächst am 18. Oktober bei den Wahlen und dann mit dem Rückzug von Eveline Widmer-Schlumpf. Was die SVP mit dem Volkswillen für einen zweiten SVP-Bundesrat landauf und landab in fast immer gleichen Worten erzählte, ist ihre Ideologie. Fakt ist die simple Mathematik: Es braucht für einen Bundesrat maximal 124 Stimmen. SVP und FDP, die sich sofort für einen zweiten SVP-Bundesrat aussprach, kamen nach dem 18. Oktober dieser Zahl mit 119 National- und StänderätInnen sehr nahe. Eveline Widmer-Schlumpf hätte bei einem nochmaligen Antreten eine kleine Chance gehabt. Jemand anders kaum. Zumal sich niemand vordrängte. Eine CVP-Kandidatur wäre eine ganz kleine Möglichkeit gewesen. Nur: Die Fraktion rückte bei den Wahlen nach rechts, die Lust, gegen die SVP anzutreten, war sehr klein. Die Versuche eines Mitte-Zusammenschlusses scheiterten in der ersten Woche, und ich glaube kaum, dass dies je klappen wird. CVP- und BDP-Mitglieder kommen teilweise aus dem gleichen Milieu, die GLPler kommen aus einer anderen Ecke. Sie sind zwar geizig (sie sagen dem finanznachhaltig) und technologiegläubig, aber weltoffen, und Fremdenangst ist ihnen eher fremd. Ein Zusammenschluss mit der FDP wäre logischer.

Es war somit eigentlich schon lange klar, dass die SVP die nötigen 124 Stimmen für ihren zweiten Sitz besitzt. Die Frage war nur noch, für wen, und ob sie es nicht noch schafft, die Ausgangslage gewollt oder ungewollt zu vermasseln.

 

Grösstes Hindernis war der Ausschlussparagraf für ein SVP-Mitglied, das eine Wahl annimmt, obwohl er oder sie nicht auf dem offiziellen Ticket aufgeführt war. Ich gehöre nicht zu jenen, die dies als einen Verfassungsbruch betrachten. Ich begriff und begreife den SVP-Schock nach der Abwahl von Christoph Blocher, obwohl sie zumindest für die Hälfte der politischen SchweizerInnen ein seltenes Glücks- und Befreiungsgefühl ausgelöst hatte. Aber dass seine Partei sehr heftig reagierte, war legitim. Ich stelle mir lieber nicht vor, was die SP mit Francis Matthey angestellt hätte, wenn er auf seine Wahl zugunsten einer Frau nicht verzichtet hätte. Es ist sehr naheliegend, dass man als Partei mit einer Person im Bundesrat vertreten sein will, von der man hoffen kann, dass sie die Parteilinie im Bundesrat hartnäckig vertritt. Nur: Muss man diesen berechtigten Anspruch mit der Keule durchsetzen, wenn die Nadel auch ausreichen würde? Auch wenn es einer Keulenpartei schwer fällt: Nach dieser Wahl wäre es vernünftig, diesen Paragrafen abzuschaffen und die eigenen Leute nur darauf zu verpflichten, die Wahl erst nach einer nochmaligen Konsultation anzunehmen oder eben auch abzulehnen.

Die SVP-Rennleitung wird sich nun auf die Schultern klopfen und finden, sie habe absolut richtig taktiert. Dabei übersieht sie möglicherweise, dass für die andern diesmal keine sinnvolle Alternative existierte: Der Unterschied zwischen Heinz Brand und den drei Offiziellen war einfach nicht gross genug, um dafür einen Streit anzuzetteln. Die beiden Schaffhauser stehen eher am Rande ihrer Partei, und wenn man die SVP einbinden will (von können rede ich nicht), ergibt ein Parteiaussenseiter keinen Sinn. Das war bei der Abwahl von Christoph Blocher kein Kriterium.

 

Ich finde es nicht gerade fair und sinnvoll, über den nun gewählten Guy Parmelin und die andern beiden offiziellen Kandidaten herzufallen. Er hat eine Chance verdient, zu zeigen, dass er nicht so mittelmässig ist, wie viele es von ihm sagen. Das Problem bei den drei Kandidaten sah ich eher darin, dass sie nicht aus dem Zentrum der Partei stammen, in der Partei zumindest bisher wenig eigenes Gewicht aufwiesen. Das Verhältnis eines Bundesrats zu seiner Partei lebt immer auch von einem Spannungsfeld ihrer unterschiedlichen Funktionen. Der Wert einer Simonetta Sommaruga oder eines Alain Berset für die anderen Parteien liegt nicht in ihren Ansichten, sondern darin, dass ein von ihnen im Bundesrat geschlossener Kompromiss in der Partei eine Chance hat, zumindest ernsthaft diskutiert zu werden –  wie dies derzeit mit dem AHV/Pensionskassen-Paket oder dem Asylgesetz geschieht. Die beiden SP-BundesrätInnen prägten ihre Partei vor der Wahl wie ein Ueli Maurer die SVP mit. Das kann man von allen drei SVP-Kandidaten kaum behaupten. Nur wenn sie sich ein eigenes Profil und Gewicht erarbeiten können, wären sie für die anderen auch ein Gewinn. Befehlsempfänger oder ‹halbe Bundesräte› nützen niemandem. Nur: Auch ein Guy Parmelin hat eine Chance verdient, zu zeigen, dass er kann, was er zwölf Jahre wenig betrieb.

Die Mittwochswahl stellte die Konkordanz nicht wieder her. Die Verteilung stammt aus dem Jahre 1959, als die Parteien sich näher standen. Zwischen der SVP und der SP und den Grünen existieren kaum mehr Gemeinsamkeiten. In der Schweiz wird der Bundesrat effektiv durch das Parlament gewählt, frei und nicht als Vollstreckung eines diffusen Volkswillens. Und es braucht auch kein ewiges Geschwafel von einem anderen System. Nochmals deutsch und deutlich: Für einen Bundesrat braucht es höchstens 124 Stimmen. Wer diese zusammenbringt, hat das Recht, entsprechend zu handeln.

 

Eine kurze Schlussbemerkung: Die bisherigen BundesrätInnen wurden mit sehr guten Stimmenzahlen gewählt, man traut ihnen also doch etwas zu. Es wäre schön, wenn man sich bei den Verhandlungen über die Masseneinwanderungsinitiative etwas mehr daran erinnerte. Wen man so glanzvoll wählt, denen sollte man auch zutrauen, dass sie die schwierige Situation mit der EU am besten einschätzen können und sie ungestört an der Schutzklausel oder einer anderen Lösung arbeiten lassen, bis das Parlament oder die Stimmberechtigten auch zum Wort kommen.

 

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