Pro Velo fährt ohne ‹Velojournal› weiter

Rund 40 Regionalverbände mit über 40 ’000 Mitgliedern gehören dem nationalen Dach­verband für die Interessen der Velofahrer:innen, Pro Velo Schweiz, an. Alle Deutschschweizer Mitglieder von Pro Velo erhalten das ‹Velo­journal›, das sechsmal jährlich erscheint – allerdings nicht mehr lange: Pro Velo gibt künftig ein eigenes Magazin heraus.

Im Juni feiert das ‹Velojournal› sein 30-jähriges Bestehen – und Pro Velo Schweiz sucht zurzeit je eine Person mit deutscher und eine mit französischer Muttersprache als «Co-Redaktor:in unserer neuen Mitgliederzeitung». Die beiden sollen sich auch um Web, Newsletter und Social Media kümmern. Wenn sich aber Pro Velo Schweiz eine eigene, neue Mitgliederzeitung zulegt, kann das wohl nur heissen, dass das integrierte ‹Velojournal›-Abo bald Vergangenheit ist? So ist es, wie der Präsident von Pro Velo Schweiz, SP-Nationalrat Matthias Aebischer, auf Anfrage bestätigt.

«Inhaltlich keinen Einfluss gehabt»

Nach den Gründen für diesen Entscheid befragt, erklärt er, das Thema sei präsent gewesen, seit er 2017 zum Pro-Velo-Präsidenten gewählt wurde. «Ich finde das ‹Velojournal› super», schickt er voraus, «doch es ist eine eigene Publikation, der man die Verbindung zu Pro Velo von aussen nicht ansieht.» Pro Velo hätte zwar das Velojournal mitfinaziert, aber inhaltlich keinen Einfluss gehabt. Die 20 Franken pro Mitglied, die Pro Velo für das Velojournal und die regionalen Zusätze habe abliefern müssen, seien viel Geld. Die Regionalverbände hätten zwar ihre Regionalseiten beilegen können, aber sie eben auch bezahlen müssen. Das soll sich nun ändern: «Nehmen wir die acht Seiten, welche die Regionalverbände von Zürich, Schaffhausen und Zug zusammen füllen, und die acht Seiten des Regionalverbands Bern zusammen, haben wir bereits ein 16-seitiges Magazin.»

Das sei natürlich «nicht so sexy wie das ‹Velojournal›», gibt er zu, doch dabei werde es ja nicht bleiben: «Wir werden die Beiträge aus den Regionen aufarbeiten und als ‹Pro Velo Info› herausgeben. Die beiden Redaktor:innen werden sich austauschen und ihre jeweiligen Geschichten auch in die anderen Sprachen übersetzen, sodass Deutsch- und Westschweiz je ein ‹Best of› erhalten.» Finanziert wird das Magazin mit dem Geld, das bisher ans ‹Velojournal› überwiesen wurde. Matthias Aebischer hofft, «dass viele Pro-Velo-Mitglieder dem ‹Velojournal› die Treue halten, auch wenn sie künftig eine Aborechnung erhalten». Er persönlich werde das Velojournal sicher abonnieren, sagt Aebischer. Aus Sicht von Pro Velo sei das neue Magazin eine gute Lösung, ist er überzeugt und gibt auch noch zu bedenken, dass der Verleger und Chefredaktor des ‹Velojournals›, Pete Mijnssen, in näherer Zukunft pensioniert werde. Man wisse ja nicht, was er für Pläne habe und ob er sein Magazin allenfalls verkaufen wolle. Zudem habe man mit dem ‹Velojournal› über die bestehenden Mitglieder hinaus kein Publikum erreichen können. Mit einem eigenen Magazin könne man neue Mitglieder anwerben, «und zudem ist es der nötige Schritt in die digitale Zukunft», hält Matthias Aebischer fest.

«Verträge sind noch nicht gekündigt»

Und was sagt ‹Velojournal›-Chef Pete Mijnssen zu diesem ‹Jubiläumsgeschenk›? Er hält auf Anfrage erst mal fest, die jahrzehntelangen Verträge seien noch nicht gekündigt, und die Regionalseiten seien in den 20 Franken pro Mitglied inbegriffen (das Jahresabo des ‹Velojournals› kostet 60 Franken). Die Sichtbarkeit sei «seit 30 Jahren ein Thema», deshalb stehe heute das Label «Pro Velo» auch auf der Front des ‹Velojournals›: «In allen Umfragen haben unsere Leser:innen geantwortet, dass sie unser Magazin als 50/50-Heft wahrnehmen – zur Hälfte Pro-Velo-Publikation, zur Hälfte eigenständige Fachpublikation. Man könnte auch von einer Win-Win-Situation sprechen.» Pro Velo habe auch Einsitz gehabt in die Redaktionssitzungen und den Inhalt von drei bis fünf Seiten pro Ausgabe mitbestimmt.

«Aber ich habe durchaus Verständnis für den Entscheid», sagt Pete Mijnssen, «im Sinne moderner Verbandskommunikation ist es heute üblich, sein Profil zu schärfen und alles aus einer Hand anzubieten.» Er und sein Team hätten eine Lösung angeboten, bei der das ‹Velojournal› mit im Boot gewesen wäre, doch nun habe sich Pro Velo anders entschieden: «Wir schlagen deswegen die Türe nicht zu, aber wir werden uns breiter aufstellen, denn wir machen selbstverständlich weiter», stellt er klar. Wann genau er pensioniert werde, spiele im Übrigen keine Rolle: «Das ‹Velojournal› ist eine AG, die ich zu gegebener Zeit an die Mitarbeiter:innen weitergebe. Das habe ich ihnen schon vor längerer Zeit versprochen.» Grundsätzlich ist er überzeugt, dass sich mit der anstehenden Veränderung neue Chancen und neue Herausforderungen stellten, auf die er sich freue: «Wir werden selbstverständlich weiterhin Hintergrundinfos dazu liefern, was bei Pro Velo oder in Sachen Veloförderung läuft. Aber wir werden das nun auch unabhängiger tun können.»

Ob sich die neue Strategie von Pro Velo Schweiz auszahlt? Pete Mijnssen ist skeptisch: «Es sind heute mehr Organisationen in diesem Bereich unterwegs als früher, Umverkehr etwa oder die ‹Velomänsche›. Um die Verkehrswende zu schaffen, müssen wir zusammenspannen und alle am selben Strick ziehen.» Gemeinsam oder einsam, was funktioniert? Die Zukunft wird es weisen. Das ‹Velojournal› nimmts gelassen – und feiert erst mal Jubiläum.

Transparenz: Nicole Soland schreibt fürs ‹Velojournal› seit 2010 zwei- bis dreimal pro Jahr die Kolumne ‹Rücklicht›.

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