Politischer Weichspüler

Themen wie soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit sind en vogue und werden mittlerweile auch von Konzernen vereinnahmt. So werden aus politischen Forderungen Marketingbegriffe. Doch wer auf Wachstum und Profitsteigerung aus ist, kann niemals Teil des sozialen Wandels sein.

 

Kira Kynd

 

In den letzten Jahren sind politische Themen – wie die Bewältigung der Klimakrise – immer weiter in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Auch die Frage nach unserem sozialen Zusammenleben oder der Kampf gegen Diskriminierung und Ausbeutung hat an Aufmerksamkeit zugelegt. Dass sich nun mehr Menschen sozial engagieren, ist erst mal eine gute Nachricht.

 

Doch dabei bleibt es nicht: Auch für Konzerne wird es zunehmend attraktiver, sich vorgeblich um eine ökologische und soziale Veränderung zu bemühen. Denn: Politisch sein ist heute cool – und immer notwendiger für ein funktionierendes Marketing. Ganz nach dem Prinzip: Der Markt muss reagieren, wenn die Nachfrage zunimmt. Und die Nachfrage nach ethisch korrektem Konsum steigt rasant.

 

Kauft bei uns, wir sind die Guten

Diese vermeintlichen Bemühungen um eine gesellschaftliche Veränderung kommen in allen möglichen Formen daher. Von KritikerInnen werden sie green-, queer-, gender- und diversity-washing genannt oder direkt als social- und woke-washing zusammengefasst. Diese Überbegriffe vereinen das ganze Bündel des vorgegebenen ethischen Handelns: Neben Klimaschutz auch Arbeits- und Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit, Massnahmen gegen Rassismus und Ableismus und so weiter. 

 

Firmen und Konzerne eignen sich also immer weiter das Narrativ des sozialen Retters an, der Verantwortung für die Gesellschaft übernimmt. In den meisten Fällen geht es aber nicht um die konsequente Umsetzung progressiver Ideen, sondern um Profit. So werden politische Forderungen und Begriffe bis zur kompletten Entpolitisierung weichgespült. Wie kalkuliert, absurd aber wirkungsvoll diese Strategien sind, zeigen einige Beispiele von multinationalen Konzernen.

 

Als grösster Rohstoffkonzern und führender Profiteur im Handel mit Braunkohle genoss Glencore bislang zwar keinen besonders guten Ruf. Steuervermeidung in Milliardenhöhe und gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen halfen auch nicht dabei, als progressives Unternehmen zu gelten. Doch neu setzt Glencore ganz auf die Marketingstrategie eines Öko-Unternehmens: «Sie arbeiten auf eine nachhaltigere Zukunft hin. Wir auch.», prangt auf der Startseite des Rohstoffmultis. Im nächsten Slide: Ein glücklicher Schwarzer Arbeiter. Klickt man auf das Menü der Website, offenbart sich einem die ganze Palette des neuen, sozialen und grünen Anstrichs des Grosskonzerns: Hinter dem Begriff «Nachhaltigkeit» geht es weiter mit den Themen «Gesundheit», «Umwelt», «Klimawandel» und «Menschenrechte». Für einen Moment könnte man glatt vergessen, dass es Glencores Kerngeschäft ist, uns wortwörtlich die Erde unter den Füssen wegzubaggern.

 

Auch Swisscom, das grösste Telekommunikationsunternehmen der Schweiz, möchte den Eindruck erwecken, im Kampf gegen die Klimakrise ganz vorne mit dabei zu sein. So wirbt die Firma damit, ab sofort klimaneu-
tral zu sein. Dass diese Bemühungen vor allem auf der Kompensation durch CO2-Zertifikate beruhen, dürfte den meisten KonsumentInnen dabei entgehen. Durch Zertifikate werden keine Emissionen eingespart. Sie sind lediglich ein Weg, sich die Klima-Absolution zu erkaufen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass andere Betriebe und Länder weniger CO2 zur Verfügung haben, weil Firmen wie Swisscom sie bereits aufgebraucht und als «klimaneutral» vermarktet haben.

 

Experte im green- und social-washing ist auch IKEA, der beliebte multinationale Einrichtungskonzern, dessen Erben seit Jahren die Rangliste der reichsten Schweizer anführen. Das Billigmöbelgeschäft mit familiärem Charme, schwedischem Akzent und gemütlichen Zierkissen hinterlässt einen vertrauenswürdigen Eindruck bei der Kundschaft. Die Tatsache, dass der grösste Holzverbraucher der Welt illegal Wälder rodet und fälschlicherweise mit FSC-Siegeln zertifiziert wurde oder bis vor Kurzem mit undemokratischen Staaten wie Belarus Geschäfte machte, scheint dem Firmenimage kaum geschadet zu haben. Eine Art Second-Hand-Store mit einer Handvoll ausrangierter Möbel, eine Anleitung zur Holzpflege oder ein Designerbuch über nachhaltige Ideen wischen schnell wieder weg, wofür IKEA eigentlich steht: Grosse Produktion für grossen Profit. 

 

Profitorientierte Unternehmen sind nie Teil der Lösung

Die Liste der vermeintlich sozialen und ökologischen Unternehmen geht ins Unendliche: Vom Schweizer Finanzplatz, der grösste CO2-Emittent der Schweiz, der sich einmal im Jahr gerne queerfreundlich in Regenbogenfarben hüllt bis hin zum europäischen Grenzschutzverein Frontex, der dasselbe tut aber nebenbei Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt, über Modekonzerne wie H&M, die ihre mit «Feminist Power» bedruckten T-Shirts zu menschenfeindlichen Konditionen fabrizieren lassen oder multinationale Lebensmittelhersteller wie Unilever, der sich an einer 4-Tage-Woche probiert, da somit die Produktivität der ArbeiterInnen gesteigert werden kann.

 

Tatsächlich stehen all jene grossen und kleinen Firmen auf der Liste, die profitorientiert wirtschaften. Doch die Logik, dass die Produktion weiterhin wachsen, dabei aber klima- und menschenfreundlich sein wird, kann nicht aufgehen. Ein Rückgang der Emissionen und der dazugehörige soziale Wandel basiert auf der Prämisse, dem kapitalistischen Wachstumszwang zu entkommen. Und diejenigen Akteure, die unsere Lebensgrundlage und Arbeitskraft ausbeuten, können niemals Teil des gesellschaftlichen Wandels sein, den wir so dringend brauchen.

 

Bis dahin sollten wir uns von den Versprechen profitorientierter Unternehmen nicht täuschen lassen – auch wenn sie vermeintlich freundlich, bunt und progressiv daherkommen.

 

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