- Kultur
Poesie im Sinne von todernster Lachhaftigkeit
Hesse fand, Mann fand, Einstein fand. Alle was anderes. Anonyme dankten der Gebrauchslyrikerin Mascha Kaléko (1907-1975) so: «Es ist ein befreiendes Gefühl, seine eigensten Nöte in Versen ausgedrückt wiederzufinden.» Vivianne Mösli, Jul Dillier und Irina Ungureanu nähern sich ihren Texten, ihrer Zeit, ihrem Leben mit Lärm für den Krieg, Geflüstertem für Intimes und Begeisterung für Begeisterung. Als selbstbewusst herausragend begabte Dichterin wurden ihr zahllose Ratschläge zuteil, die sie natürlich in spöttische Reime des Ratschlagens verwandelte. Die damals gängige Verortung der Frau in ihr vermeintlich natürliches Habitat verleitete sie zu vergleichbar absonderlichen Überhöhungen und Zuschreibungen von Hausarbeit mit der Krönung einer Ei-Zubereitung. Und der Idee einer romantischen Liebe als alleiniger Daseinszweck gegenüber bekundete sie ihr Bedauern. Dabei ist sie nicht allein in ihrer Sprache freudig elastisch hintersinnig trefflich, sondern auch in ihren spitzen politischen Infragestellungen einer grassierenden Ansteckung mit überwiegender Einhelligkeit gegenüber eines selbstmörderisch-ruinösen Comme-il-faut ihrer Zeit. Ihrer Zeit? Die Auswahl für «Ob das Glück stehts hinter Wolken» in der verspielten Regie von Eva Brunner entblösst die ungeheuer heutige Modernität sowohl ihrer Themenwahl als auch ihrer Ansichten. Auch gerade in den Umschreibungen von Schmerz, Furcht und Vereinzelung, Flucht, Sehnsucht und dann wieder Schabernack rannen ihr Verse aus dem Füller, deren Identifikationspotenzial ungebrochen hoch ist, weil sie sie auf ihre Universalität hin zugespitzt hat. Diese verspielte Dringlichkeit animiert das Spieltrio seinerseits zu waghalsigen Unterfangen wie einem Tanz auf der Himmelsleiter, dem Geigenspiel qua Stricknadel, dem beherzten Treten des Klangkörpers und dem Entknüllen und Entziffern von versehentlich entsorgten Textpassagen, die sie «lange Briefe an den Papierkorb» nannte. Hie und da wirken die drei etwas verpeilt und verloren im Versuch, eine Herkömmlichkeit von Ordnung auf der Bühne herstellen zu wollen, denn die annähernde Uferlosigkeit der Inspiration durch Mascha Kalékos Texte will nicht gebändigt, sondern an der langen Leine ausgeführt werden. Das wiederum klappt vorzüglich.
«Ob das Glück stets hinter Wolken»,
19.10., Theater im Kornhaus, Baden.
Nächstmals: 15.–19.1.25, Kellertheater, Winterthur. 27.5.25, Theater Ticino, Wädenswil.