PJZ und Kasernenareal

 

Mit 112 Stimmen überwies der Kantonsrat eine Parlamentarische Initiative von Thomas Vogel (FDP), mit der nachträglich die gänzliche Freihaltung des Kasernenareals von Polizei im Gesetz über das Polizei- und Justizzentrum (PJZ) verankert werden soll. 

 

Es ist eines der zähesten Geschäfte, die der Kanton Zürich jemals bewältigte, respektive an dessen konkreter Bewältigung (oder Bau) er trotz zweier positiver Volksabstimmungen nach wie vor herumdoktert. Nach dem Entscheid vom Montag, in dem sich eine sehr klare Mehrheit für ein Kasernenareal im Stadtzürcher Kreis 4 ganz ohne Polizei aussprach, ist eine dritte Volksabstimmung im Bereich des Möglichen. Obwohl dies kaum jemand sinnvoll findet. Verhindert werden kann sie nur, wenn sich zwischen Regierungsrat und Kantonsratsmehrheit ein Kompromiss finden lässt. Dieser ist insofern schwer zu realisieren, als sich die Mehrheit nur darin einig ist, dass das Versprechen des polizeifreien Kasernenareals einzuhalten ist. Regierungsrat Markus Kägi , der für die Regierung den Kopf hinhielt, sieht keine Möglichkeit, das Kasernenareal vom Polizeikommando zu befreien, ohne mehr Geld zu erhalten. Dafür existiert im Kantonsrat keine Mehrheit. Hier erfolgt eine Zusammenfassung der Ziele der verschiedenen Gruppierungen:

Die Befürworter. Für das PJZ setzte sich seit Beginn die FDP am stärksten ein. Immer dafür waren auch die CVP und die EVP.

Die Arealbefreier. Die SP war in beiden Volksabstimmungen nach umstrittenen Delegiertenversammlungen für das PJZ. Neben der Person von Markus Notter wog das Versprechen der Befreiung des Kasernenareals von der Polizei vor allem für die Mitglieder der Stadtpartei schwer.

Die Gegner. Der SVP war der Bau von Anfang an zu teuer. Die Grünen wehrten sich gegen die Zentralisierung der Polizei und der Justiz. Zudem passte ihnen der Standort nicht.

 

Die Etappen

Hier kurz die Etappen, die Baudirektor Markus Kägi in seinem Votum Jahr für Jahr schilderte, um zu zeigen, wie komplex der grosse Bau ist. Die Planung begann 1990, der Standortentscheid für das Areal des Güterbahnhofs fiel 2000. 2002 verabschiedete der Kantonsrat das PJZ-Gesetz, eine merkwürdige Mischung aus Gesetz und Kreditantrag von maximal 490 Millionen Franken (ohne Teuerung). Die Vorlage kam 2003 in einer Volksabstimmung mit gut 60 Prozent überraschend gut durch. 2004 gab es einen Masterplan, 2006 den Architekturwettbewerb, 2009 erfolgte die Baueingabe samt Rekursen dagegen. Dann kam es zum Chlapf: Der Regierungsrat verlangte gut 700 Millionen Franken für den Bau, wogegen der Kantonsrat sich geschlossen wehrte. Der Regierungsrat krebste auf 580 Millionen Franken zurück. Obwohl im Kantonsrat eine Mehrheit vom Bau nichts mehr wissen wollte, kam es zu einem Kompromiss: Das Gesetz sollte aufgehoben werden, um dagegen das Referendum ergreifen zu können. Eher überraschend bestätigten die Stimmberechtigten den Bau des PJZ, wenn auch knapp. Der Bau nahm seinen Lauf, bis der Regierungsrat 2014 mitteilte, er beanspruche die bestehende Polizeikaserne auf dem Kasernenareal weiterhin für das Polizeikommando. Als Grund nannte er unvorhergesehene Platzbedürfnisse, die auf dem Areal des PJZ nur mit Mehrkosten befriedigt werden könnten, was er als Möglichkeit ausschloss.

 

Markus Schaaf (EVP) erinnerte in seinem Votum an die Zeit, die seit dem Beginn der Planung verging. «Soll man 2016 mit einem Bau beginnen, der den Bedürfnissen von 2003 entspricht und mit dessen Planung man begann, als es praktisch noch keine Handys gab?» Darum könne man sagen, die Bevölkerung sei angelogen worden. Er kaschierte mit dieser Argumentation, dass der eigentliche Sündenfall des Regierungsrats 2009 erfolgte, als er behauptete, der Bau sei mit 580 Millionen Franken doch möglich, obwohl er kurz davor mehr als 700 Millionen Franken verlangt hatte.

 

Die Debatte

Cyrill von Planta (GLP) betonte, dass seine Partei immer gegen das PJZ gewesen sei (Klumpenrisiko), dass sie aber mit ihrer Position zwei Volksabstimmungen verloren habe. Er findet es unakzeptabel, dass das Kasernenareal nicht ganz frei wird und bemängelt, dass nicht nachprüfbar sei, ob der Bau zu luxuriös erfolge, da die Details der Planung unter das Amtsgeheimnis fallen. Markus Bischoff (AL) erinnerte daran, dass Demokratie davon lebt, dass die Regierung ihre Versprechen einhält. Man gewann die Volksabstimmung mit dem Versprechen, das Kasernenareal werde ganz geräumt. Dazu wandte Markus Schaaf ein, es sei eine kantonale Abstimmung gewesen, und die NichtstadtzürcherInnen hätten aus anderen Gründen Ja gestimmt. Was zutrifft, aber unterschlägt, dass, wie es Markus Bischoff leicht spöttisch hervorhob, sich die städtischen GenossInnen wegen dieses Versprechens für ein Ja einsetzten. Ohne die SP wäre die zweite Abstimmung mit grosser Wahrscheinlichkeit anders ausgegangen. Markus Bischoff warf dem Regierungsrat vor, dass er das Projekt nicht rasch durchzog und teils unverständliche Änderungen anbrachte: 2011 drei statt eines Eingangs zu planen, sei teuer und unseriös. Er fragte sich, ob die Regierung mit dem Versprechen des freien Kasernenareals, das in der Abstimmungszeitung sehr prominent zur Geltung kam, den Strafbestand der Irreleitung der Stimmberechtigten erfülle.

 

Auch Daniel Frei (SP) bezeichnete die Nichtfreigabe des Kasernenareals als einen Sündenfall und nicht einfach als ein Versehen. Er offerierte den Bau eines Zusatzgebäudes beim PJZ für rund 50 Millionen Franken. Damit stiess er bei Thomas Vogel (FDP) auf taube Ohren. Er und die FDP sind dezidiert der Meinung, dass die Nichtfreigabe des Kasernenareals eine Bedingung der Abstimmung war. Mit der Parlamentarischen Initiative wird diese nachträglich ins Gesetz geschrieben. Lasse sich dies mit dem vorhandenen Kredit nicht realisieren, müsse die Regierung anderswo verzichten. Er dachte an den Haftrichterbereich, der heute beim Bezirksgericht angesiedelt ist. Céline Widmer (SP) brachte dies auf ihren Punkt: «Mir ist es egal, wo das Polizeikommando ist, solange es nicht auf dem Kasernenareal ist.» Esther Guyer (Grüne) strich logischerweise heraus, dass ihre Partei immer skeptisch war (für ihre Parteikollegin Gabi Petri haben die Befürworter mit falschen Analysen und Versprechen die Vorlage beim Volk plausibel gemacht) und es sie immer noch ärgert, dass für den Speck Kasernenareal eine Toplage zum Wohnen geopfert wurde.

 

Im Gegensatz zur SVP sprach sich Esther Guyer für die PI von Thomas Vogel aus. Wenn das PJZ schon gebaut wird, sollen die StadtzürcherInnen wenigstens das freie Kasernenareal erhalten. Jürg Trachsel (SVP) betonte, dass die SVP immer dagegen war und nannte als Verantwortliche für das Debakel die linken Vorsteher von Justiz und Polizei. Seine Partei werde auf keinem Fall einer Krediterhöhung zustimmen.

 

Baudirektor Markus Kägi hob hervor, dass das Polizeikommando eine Verwaltungsabteilung sei und es somit keine Rolle spiele, ob der Kanton als Kaserneneigentümer diese Räume an einen Privaten für Büros vermiete oder sie selber besetze. Dass ein Polizeikommando andere Sicherheitsbedürfnisse haben kann, liess er unerwähnt. Er betonte, dass ohne einen höheren Kredit die Forderungen der Initiative unerfüllbar seien.

 

Für einen Zusatzkredit lässt sich im Kantonsrat derzeit keine Mehrheit finden. Die vollständige Polizeifreiheit des Kasernenareals ist umgekehrt noch deutlicher mehrheitsfähig. Dem Regierungsrat bleiben derzeit zwei Möglichkeiten: Er stiert seinen Bau mit Verzögerungstaktik durch. Oder er füllt ein anderes bisheriges Gebäude weiterhin mit Polizei.

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