- Gemeinderat
Ohne Leerkündigung zu mehr Wohnungen
Am Mittwochabend verfolgten Schüler:innen des Gymnasiums Unterstrass auf der Tribüne die Sitzung des Zürcher Gemeinderats, und was das bedeutet, ist so hinlänglich bekannt, dass Ratspräsident Guy Krayenbühl gleich in die Offensive ging: «Ich habe den Schüler:innen versprochen, dass es ein paar persönliche Erklärungen gibt, damit es ein bisschen lebendig ist, also bitte macht das auch…» Und so kam David Garcia Nuñez auf das städtische Amtsblatt, das ‹Tagblatt der Stadt Zürich›, zu sprechen, das bekanntlich seit 2018 durch einen SVP-nahen Verlag publiziert werde. Trotz damaliger Beteuerungen, das Amtsblatt werde nicht «verpolitisiert», würden dort unterdessen «parteiisch und selektiv Kolumnen verteilt», und bei Volksabstimmungen sei es zu kaufen: Bereits zum zweiten Mal habe sich ein bürgerliches Komitee den Luxus der ersten Seite geleistet. Ihm sei es zwar egal, «wenn Bürgerliche ihr Geld zum Fenster rauswerfen», aber die gleichen Kreise würden dem SRF vorwerfen, «linksversifft» zu sein. Stefan Urech (SVP) wies darauf hin, dass auch Linke dort Kolumnen hätten und dass das ‹Tagblatt› im Gegensatz etwa zum «Staatsmedium SRF» nicht «mit Steuergeldern bezahlt» werde. Michael Schmid (FDP) befand, es gebe «zum Glück» Medienfreiheit und Meinungsäusserungsfreiheit in diesem Land. Zudem habe das ‹Tagblatt› ein Redaktionsstatus, das verbindlich sei. Für Urs Riklin (Grüne) stellt sich die Frage, ob ein solch staatliches Publikationsorgan überhaupt in privater Hand sein sollte, während Stephan Iten (SVP) daran erinnerte, dass die Bürgerlichen mit Vorderseite-Inseraten immerhin ihr eigenes Geld «zum Fenster raus schmeissen» und nicht «Steuergelder wie ihr». Bleibt zu hoffen, dass den Schüler:innen die ‹Vorstellung› gefallen hat…
Mit «Güsel» befasste sich Emanuel Tschannen (FDP), der seine parlamentarische Initiative präsentierte, die Beat Oberholzer (GLP), Benedikt Gerth (Die Mitte) und zehn weitere Gemeinderät:innen mitunterzeichnet haben. Sie fordern, dass bei der Anlieferung von Sperrgut «auf die Erhebung der Mengengebühr pro Haushalt und Jahr» verzichtet werden soll, und zwar in den Jahren 2025–2027 bei der Anlieferung von bis zu 200 Kilo und ab dem Jahr 2028 bis 100 Kilo. Es ging also ein weiteres Mal um die Entsorgungs-Coupons, die der Stadtrat abschaffen will. Mit der Initiative wollten deren Urheber:innen eine «konsumentenfreundliche und nachhaltige» Entsorgung ermöglichen, sagte Emanuel Tschannen. Was ist wohl «nachhaltig» daran, das Verursacherprinzip ausgerechnet bei der Entsorgung von Sperrgut ausser Kraft zu setzen? Mit 56 Stimmen kam die vorläufige Unterstützung zustande.
Einstimmige Kommission…
Viel zu reden gab eine Vorlage mit einem harmlosen Titel: «Tiefbauamt, Strassenbauprojekt Murwiesenstrasse und Murhaldenweg, Tausch». Es gehe um einen Landabtausch zwischen der Stadt Zürich und der Helvetia-Versicherung, der ein bereits bewilligtes Wohnbauprojekt der Helvetia ermögliche, sagte Kommissionssprecher Michael Schmid (AL). Der Landabtausch sei nötig, weil der dort im Richtplan eingezeichete Fussweg «anders über das Areal verlaufen soll», was in der Kommission «keine relevanten Diskussionen» hervorgerufen habe. Dort sei es vor allem um das Wohnbauprojekt auf dem rund 40 000 Quadratmeter grossen Areal zwischen Frohburg- und Winterthurerstrasse in Oerlikon gegangen, das eine bestehende Siedlung aus den 1950er-Jahren ersetzen soll. So sei eine deutliche Erhöhung der Anzahl Wohnungen von heute 307 auf neu 650 Wohnungen möglich, was sich mit dem Erhalt der bestehenden Siedlung, die zudem von schlechter Qualität sei, nicht realisieren liesse. Die Siedlung Frohburg bekommt ausserdem ein Café, einen Quartierladen und in Zusammenarbeit mit der Stadt einen Dreifach-Chindsgi samt Hort. Weiter soll es Wohnateliers und Gemeinschaftsräume geben. 106 Wohungen sollen «preisgünstig» vermietet werden – eine 2,5-Zimmerwohnung mit 60 Quadratmetern Fläche würde nach heutigem Preisstand netto durchschnittlich zirka 1600 Franken pro Monat kosten, eine 4,5-Zimmerwohnung mit 95 Quadratmetern ca. 2700 Franken, rechnete Michael Schmid vor. Zudem sollen 120 Zimmer in 36 Wohneinheiten dem «studentischen Wohnen» dienen.
Für jene knapp 90 Mietparteien, die bereits vor 2016 einen Vertrag hatten, sollen die Wohnungen günstiger sein, konkret ca. 2100 Franken für die 4,5-Zimmerwohnung – was deutlich mehr sei, als sie jetzt zahlten, aber deutlich weniger, als sie zahlen müssten, wenn die Helvetia nur auf die maximale Rendite schaute. All dies werde schriftlich zwischen der Stadt und der Helvetia vereinbart. «Dass die Mieter:innen nicht vertrieben werden wie bei Neubauprojekten sonst üblich, liegt nicht nur an der Ausgestaltung der Mietzinse, sondern auch an der Etappierung von Abrissen und Neubauten sowie einer frühzeitigen und vorbildlichen Informationspolitik», sagte Michael Schmid.
…nach langen Diskussionen
Er betonte aber auch, die Bauherrschaft habe ohne Auflagen der Stadt gehandelt – und herauszufinden, inwiefern der Gemeinderat Auflagen machen könnte, um diese Wohnungen langfristig als preisgünstig zu sichern oder genauer zu definieren, welche Mietpreise verlangt werden, oder den Umgang mit den Altmieter:innen verbindlich zu regeln, hätten «einen Grossteil der Beratungszeit in der Kommission» beansprucht. Letztlich habe sich aber bei allen Fraktionen die Ansicht durchgesetzt, dass weder das Instrument der Arealüberbauung noch der Landabtausch das Potenzial für die Art und den Umfang von Regelungen biete, die im Rahmen eines Gestaltungsplans «möglich und üblich» wären. Die Ablehnung dieses Geschäfts würde somit nicht zu einem Projekt mit weitergehenden Zugeständnissen zur Schaffung von preisgünstigem Wohnraum führen würde, sondern einfach zu einem Projekt ohne Landabtausch. Die Kommission sage denn auch einstimmig Ja zum Landabtausch.
Dass dennoch eine längere Debatte folgte, lag gemäss Andreas Egli (FDP) daran, dass die Kommission lange beraten habe, und zwar eben über alles andere als den Landabtausch. Die Bauherrschaft habe mehrmals antraben und Red und Antwort stehen müssen. Obwohl kein Rechtsanspruch bestehe, «mehr herauszuholen», sei genau das diskutiert worden: «Wenn Sie wollen, dass künftig weniger gebaut wird, müssen Sie so weitermachen», sagte er an die Adresse der linken Ratsseite. Reis Luzhnica (SP) sprach von einem guten Projekt, doch das sei kein Grund, auf die Fragen zu verzichten, die in der Kommission diskutiert worden seien, im Gegenteil – dafür sei die Kommission da: «So funktioniert Parlamentsarbeit, liebe Bürgerliche.» Markus Knauss (Grüne) erinnerte daran, dass niemand im Rat etwas dafür könne, dass die Vorgeschichte des Projekts bei Beginn der Kommissionsarbeit schon acht Jahre alt gewesen sei. Mit 112:0 Stimmen hiess der Rat die Vorlage gut.