Was für ein schönes Ende: Orpheus, der seine verstorbene Geliebte aus der Unterwelt zurückholen konnte, sie dann aber doch verlor, weil er sich nach ihr umdrehen musste, wird in den Himmel erhoben: Wer so schön singt, dass er die Unterwelt bezirzt, verdient, zum Gott zu werden! Am Opernhaus dreht sich Orpheus nochmals zum Sarg Euripides um, zögert, geht zurück, während der Schlusschor aus den Logen das gute Ende verkündet. Dann dunkel. Während ein Teil des Publikums schon zu applaudieren beginnt, ein Schuss – und ein Moll-Schlussakkord. Was soll Vergötterung noch bringen, wenn man die Liebe verloren hat? Claudio Monteverdi hat über den Mythos des Orpheus 1607 eine der allerersten Opern überhaupt geschrieben. Sie bewegt bei der Neuinszenierung am Opernhaus durch die enge rhetorische Verbindung von Inszenierung und Musik – und durch ihren Hauptdarsteller. Regisseur Evgeny Titov fokussiert ganz auf die Hauptfigur: Sie ist Mensch in einer Traumwelt, in der alle anderen Figuren comicartig verfremdet sind. Auch beim Chor, wo die musikalisch sehr überzeugende Zürcher Sing-Akademie den festen Chor des Opernhauses ersetzt. Das kippt wie beim singenden Höllentor mit seiner Girlie-Bewachung manchmal gar ins Kindermusicalhafte, schafft aber dank und durch die Zeichnung Orfeos genau an der Musik, existenziell zu werden. Krystian Adam füllt in der Titelpartie jeden Ton mit Bedeutung, nutzt jede Verzierung für Ausdruck und weiss um die Kraft des Zurückgenommenen, Leisen. Ists das Inszenierungskonzept, dass die andern Figuren um ihn herum – abgesehen vom schillernden Apollo Mark Milhofer – blass bleiben? An Dirigent Ottavio Dantone und dem klein besetzten Orchestra La Scintilla liegt es jedenfalls nicht. Im Übereinstimmung mit der schwarz und existenzialistisch bleibenden Bühne interpretieren sie die spannende Partitur eher introspektiv, aber sehr fein und gespannt.
«L’Orfeo», bis 11.7., Opernhaus, Zürich.