Offene Türen für weniger Beton

Der Zürcher Gemeinderat rennt mit seinem Wunsch nach weniger Treibhausgasausstoss aufgrund der Bautätigkeit offene Türen ein. Ein dringliches Postulat verlangt eine Auslegeordnung dazu, wie das Stadtspital zu «grösserem unternehmerischem Handlungsspielraum» kommen kann.

 

Gemeinsam behandelte der Zürcher Gemeinderat an seiner Sitzung vom Mittwochabend drei Vorstösse, die sich alle mit der Bautätigkeit befassten: Mit einer Interpellation hatten Florian Blättler (SP) und Christian Monn (GLP) Auskunft darüber verlangt, wie viel Treibhausgas aufgrund der Bautätigkeit ausgestossen und inwiefern dieser Ausstoss im Hinblick auf das Erreichen der Klimaziele berücksichtigt wird. Sie fragten zudem nach allfälligen Pilotprojekten für den Verzicht auf traditionellen Beton bei städtischen Bauprojekten und für die Berücksichtigung alternativer Baustoffe. Mit einer Motion forderten Julia Hofstetter und Brigitte Fürer (beide Grüne) ein Pilotprojekt für ein «zirkuläres Bauen» bei städtischen Gebäuden. Als Dritte im Bunde verlangten Patrik Maillard und Natalie Eberle (beide AL) eine Gesamtenergiebilanz für städtische Gebäude bei allen Bauprojekten.

 

Die Herstellung von Zement sei für acht Prozent des CO2-Ausstosses weltweit verantwortlich, sagte Florian Blättler und zeigte sich erfreut, dass sich die Stadt des Problems bewusst sei. Trotzdem sei der Treibhausgasausstoss «immer noch sehr hoch». Julia Hof­stetter verwies auf die «enormen Mengen» von Bauschutt, die aufgrund der vielen Neu- und Umbauten anfielen. Hier sei eine «massive Reduktion von grauer Energie» nötig. Deshalb solle die Stadt Zürich mit einem Pilotprojekt für zirkuläres Bauen «so viel CO2 einsparen wie möglich». Zirkuläres Bauen gehe weiter als Recycling, fügte sie an. So könnten ganze Bauelemente aus Abbruchhäusern wiederverwendet werden, beispielsweise Treppenhäuser. Patrik Maillard begründete die Forderung nach einer Gesamtenergiebilanz bei allen zukünftigen Bauprojekten mit einer «unbefriedigenden Antwort»: Die AL hatte im Zusammenhang mit dem geplanten Ersatzneubau der Siedlung Hardau I gefragt, wie sich die Gesamtenergiebilanz eines Ersatzneubaus gegenüber einer energieeffizienten Gesamtsanierung der bestehenden Gebäude darstellt. Die Verwaltung habe geantwortet, «dass die Stadt Zürich keine solchen Berechnungen macht». Dabei müsste das «selbstverständlich» sein, befand Patrik Maillard. Die SVP lehnte sowohl die Motion als auch das Postulat ab. Jean-Marc Jung begründete dies unter anderem damit, es gebe einen neuen Markt für wiederverwendbare Materialien, das spare Ressourcen und lohne sich immer mehr. Alles Geforderte könne folglich freiwillig gemacht werden. Im Übrigen hätten bereits die alten Römer ihre Materialien wiederverwendet und die Menschen im Mittelalter ebenso, fügte er an.

 

Christian Monn anerkannte zwar, dass man schon Beton-Recycling mache, doch es gebe noch «grosse Lücken». Alternative Baustoffe wie etwa Lehm müssten erst in «gleichbleibender Qualität» vorliegen und via kurze Transportwege verfügbar sein, damit sie sinnvoll eingesetzt werden könnten, und das Thema Holz als Baustoff fehle ebenfalls noch. Walter Angst (AL) betonte, der CO2-Ausstoss lasse sich nur dann sinnvoll reduzieren, wenn man nicht mehr so viele Gebäude abbreche. Beton dürfe man zudem nur dort einsetzen, wo es nicht anders gehe. Auch Ernst Danner (EVP) befand, zirkuläres Bauen sei «eine sehr gute Sache», wenn auch nichts Neues – wobei er als Beispiel dafür weder die Römer noch das Mittelalter brachte, sondern die Stadt Jerusalem. Bei der Motion jedoch habe die EVP Bedenken, weshalb sie sich der Stimme enthalten werde.

 

Hochbauvorsteher André Odermatt erklärte, die drei Vorstösse träfen einen sehr wichtigen Punkt im Hinblick auf den Klimawandel und das Erreichen des Netto-Null-Ziels: «Sie rennen damit offene Türen beim Stadtrat ein.» Die Motion überwies der Rat mit 92:15 Stimmen (der SVP) bei vier Enthaltungen (der EVP). Das Postulat kam mit 97:14 Stimmen (der SVP) durch.

 

Auslegeordnung gefordert

Viel zu reden gab ein dringliches Postulat von SP, Grünen und EVP mit folgendem Wortlaut: «Der Stadtrat wird aufgefordert, dem Gemeinderat einen Bericht vorzulegen, der aufzeigt, wie dem Stadtspital ein grösserer unternehmerischer Handlungsspielraum gewährt und gleichzeitig eine angemessene demokratische Mitbestimmung und Steuerung durch den Gemeinderat sichergestellt werden kann.» Marion Schmid (SP) erklärte, die PostulantInnen verlangten einen Bericht mit einer Gegenüberstellung von Varianten: Ausgliederung in eine öffentlich-rechtliche Anstalt versus Dienstabteilung oder Eigenwirtschaftsbetrieb mit Anpassungen. Wichtig sei, dass die demokratische Mitbestimmung gewährleistet sei. Mit dem Vorstoss wolle man einen Weg öffnen, «der politisch mehrheitsfähig ist», sagte sie. Das Ziel des Stadtrats sei die Ausgliederung, fügte sie an, was SVP und FDP begrüssten, während die Linke «eher kritisch» sei, nicht zuletzt angesichts von Beispielen wie dem Unispital, wo die Politik «keinen Einfluss mehr hat». Den Ablehnungsantrag der SVP begründete Walter Anken damit, es gehe den PostulantInnen bloss darum, die seit Langem angekündigte Ausgliederung, ja gar die Diskussion darüber zu verhindern. Auch Frank Rühli (FDP) befand, der Vorstoss sei «unnötig», denn der Stadtrat sei seit 2017 für eine Ausgliederung. Man müsse bloss endlich «Nägel mit Köpfen» machen. David Garcia Nuñez (AL) erklärte, seine Fraktion unterstütze den Vorstoss: Die AL sei die einzige Partei, die sich «immer klar gegen Ausgliederungen ausgesprochen hat». Mit 69:44 Stimmen überwies der Rat das dringliche Postulat.

 

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