Nur eine Frage des politischen Willens?
«Josef will wohnen»: So nennt sich eine Arbeitsgruppe, die in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift ‹Hochparterre› erklärt, dass sich auf dem 20 000 Quadratmeter grossen Josef-Areal bis zu 500 Wohungen realisieren liessen. Tatsächlich?
Beim Josef-Areal handelt es sich um ein Grundstück im Besitz der Stadt – dort stand das unterdessen abgebrochene Kehrichtheizkraftwerk Josefstrasse, und dort befindet sich auch die Zentralwäscherei, die zurzeit zwischengenutzt wird. In einem Artikel in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift ‹Hochparterre› ist erst mal nachzulesen, was seit längerem bekannt ist, nämlich erstens, dass sich das Areal in der Zone für öffentliche Bauten befindet, und zweitens, dass die Stadt im Hinblick auf die anstehende Entwicklung des Areals einen «partizipativen Planungsprozess nach allen Regeln der Kunst» durchgezogen habe: «Vor einem Jahr wurde schliesslich ein Entwicklungskonzept verabschiedet, das Bauvolumen, Freiräume und Nutzungen definiert und als Grundlage für die verschiedenen Architekturwettbewerbe dienen wird, die noch dieses Jahr starten sollen. Geplant sind der Ausbau des Werkhofs, ein Pflegezentrum in Kombination mit Alterswohnungen, ein Hallenbad, ein Quartierpark sowie publikumsorientierte Nutzungen.» Doch sei «keine einzige gewöhnliche Wohnung» vorgesehen – weil eben in der Zone für öffentliche Bauten Wohnnutzung nicht erlaubt sei. Dabei wäre es doch einfach, tönt es weiter im ‹Hochparterre›: Man müsste das Areal bloss umzonen, wie man es für das (unterdessen gescheiterte) Projekt an der Neugasse auch getan hätte. Eine solche Umzonung wäre «problemlos möglich» – es mangle bloss am politischen Willen. Und so stellt eine Arbeitsgruppe namens «Josef will wohnen» via ‹Hochparterre› schon mal drei Varianten vor, wie sich auf dem Areal Wohnungen realisieren liessen: «Ob konventioneller Blockrand mit Hochhaus, ob Assemblage von Würfeln, Höfen und Gärten oder ob halbrunder Hof mit zwei Hochhausscheiben – wird auf dem Josef-Areal zu Hunderten gewohnt, ist das auch ein städtebauliches Statement.»
Wohnanteil und Zonenplan
Am 4. Oktober haben die beiden SP-Gemeinderäte Marco Denoth und Pascal Lamprecht eine schriftliche Anfrage zum Josef-Areal eingereicht. Sie halten einleitend fest, dass es sich bei diesem Areal gemäss kommunalem Richtplan Siedlung, Landschaft, öffentliche Bauten und Anlagen um ein «Gebiet für verschiedene öffentliche Nutzungen und Gebiet für zusätzliche bauliche Verdichtungen» handle, «was sowohl Potenzial für bis zu 600 Wohnungen als auch für Infrastruktur-Anlagen» biete. Weiter sei im gesamten Richtplan die «Stadt der kurzen Wege» ebenso festgehalten wie das Drittelsziel, das besagt, dass mindestens ein Drittel der Wohnungen auf Stadtgebiet gemeinnützig sein soll.
Die beiden Gemeinderäte möchten vom Stadtrat unter anderem wissen, welcher Wohnanteil auf dem Gebiet angestrebt werde. Sie fragen auch danach, inwiefern die Arealentwicklung mittels Revision der Bau- und Zonenordnung oder via Sondernutzungsplanung, also etwa mittels eines Gestaltungsplans, vorangetrieben werden könne, «damit nebst den Infrastrukturbauten ebenfalls bis zu 600 gemeinnützige Wohnungen (inkl. Alterswohnungen) realisiert werden können».
Entwicklungskonzept steht
Das Entwicklungskonzept fürs Josef-Areal, das im ‹Hochparterre›-Artikel erwähnt wird und das der Stadtrat am 6. Juli 2022 verabschiedet hat, ist auf der Webseite der Stadt Zürich aufgeschaltet, genauer auf der eigenen Projektwebseite des Josef-Areals. Im kommunalen Richtplan sei für das Josef-Areal ein Hallenbad, ein Werkhof und ein grosser Quartierpark eingetragen, steht im Konzept. Nebst der im Bau befindlichen Energiezentrale von Entsorgung und Recycling Zürich sind ein Werkhof Grün Stadt Zürich, ein Hallenbad, ein Gesundheitszentrum für das Alter, Alterswohnungen sowie Räume für die Öffentlichkeit und das Quartier eingetragen. Es gab mehrere Dialogveranstaltungen für die Menschen im Quartier und eine Testplanung.
Das Entwicklungskonzept sieht eine rund 6000 bis 7000 Quadratmeter grosse «grosszügig durchgrünte» Quartierparkanlage vor. Diese darf nicht unterbaut werden: «Mit dieser Massnahme wird ein gut alterungsfähiger Baumbestand ermöglicht.» Für einen Begegnungsort, einen Veranstaltungsraum sowie öffentlich nutzbare Foyerräume seien maximal 1000 Quadratmeter Hauptnutzfläche vorgesehen. Die Parkplätze für den motorisierten Individualverkehr sind im Untergeschoss eingeplant: «Aufgrund des Spannungsfeldes zwischen Grundwasser (nur ein Untergeschoss zulässig) und nicht unterbauten Bereichen für Baumpflanzungen wird das Angebot an Autoabstellplätzen stark beschränkt.» Ein zentrales Thema im Konzept ist auch der Lärmschutz: «Aufgrund des lärmbelasteten Umfeldes ist die Gebäudehöhe auf maximal 30 Meter beschränkt.» Zum Lokalklima ist nachzulesen, «das Josef-Areal wird sowohl am Tag wie auch in der Nacht schlecht durchlüftet. Aufgrund des tageszeitlich ändernden Windfeldes kann jedoch aus allen Richtungen eine schwache Durchlüftung stattfinden». Mit einer entsprechenden Stellung der Gebäude sowie offenen Durchgängen durch die Gebäude sei darauf Rücksicht zu nehmen: «Ein starkes Augenmerk erfordert insbesondere die humanbioklimatische Situation am Tag. Eine gute Durchgrünung mit einem optimal alterungsfähigen und Schatten spendenden Baumbestand ist wichtig. Im Weiteren ist auf möglichst viel unversiegelte Bodenfläche sowie auf grosszügige Fassaden- und Dachbegrünung zu achten.» Zum Netto-Null-Ziel heisst es im Konzept unter anderem dies: «Bezüglich Betriebsenergie im Hinblick auf direkte CO2-Emmissionen ist das Ziel von Netto-Null CO2 zu erreichen. Dies ist möglich durch eine kompakte und suffiziente Bauweise, den grossflächigen Einsatz von Photovoltaikanlagen und durch einen CO2-armen Betrieb. Für die Beheizung der Gebäude (inkl. Hallenbad) steht zukünftig fossilfreie Fernwärme zur Verfügung.»
Zusammengefasst: Nur ein Untergeschoss und nur wenige Parkplätze möglich, Gebäudehöhe maximal 30 Meter, Lärmschutz-Problematik, schwierige Durchlüftung des Areals, viel Grünraum nötig sowie eine «kompakte und suffiziente Bauweise» und nicht zuletzt die Frage, wohin denn die Kinder aus all den zusätzlichen Wohnungen in die Schule gingen, wenn die aktuelle Zone für öffentliche Bauten, die für ein Schulhaus prädestiniert wäre, fürs Wohnen genutzt wird – das alles spricht auf den ersten Blick nicht gerade für einen Ort, an dem man mittels Hochhausbauten viel zusätzlichen Wohnraum schaffen kann. Ober anders gesagt: Ob es wirklich nur eine Frage der Umzonierung und des politischen Willen ist, ob Josef dereinst hier wohnen kann? Man darf auf jeden Fall gespannt sein, wie sich diese Geschichte weiterentwickelt.