Noch einmal Ja zum Stadion und zu Wohnungen für Zürich-West

Ein Gastbeitrag zur Stadion-Abstimmung vom 27. September von Christoph Gysi, Präsident Kulturmeile Zürich-West und ehemaliger Besitzer des Restaurants les halles.

 

Christoph Gysi

Ich hatte 20 Jahre lang ein Restaurant in Zürich-West, vor 18 Jahren haben wir zur Belebung des Quartiers die Vereinigung Kulturmeile Zürich-West gegründet, und durch die Ansiedlung zahlreicher Kulturbetriebe wurden unsere Erdgeschossnutzungen von vielen Besuchern aus Stadt und Umgebung am Leben erhalten. Unter der Hardbrücke ist in dieser Zeit ein Ausgehquartier und im Viadukt ein Autoren-Shop-Markt sowie Platz für soziale Einrichtungen entstanden. Die BewohnerInnen machten lediglich 14 Prozent der Quartierbevölkerung aus. Die Belebung musste somit von aussen kommen.

Damals wurde auf dem Hardturm noch Fussball gespielt, und das Stadion gehört seit meiner Kindheit (ich hatte einen Kollegen in den Bernoulli-Häusern) zum Quartier. Als SP-Wähler bin ich der Meinung, das sollte auch wieder so werden, denn die linke Mehrheit in ‹meinen› Kreisen 5 und 4 hat 2018 zu einem deutlichen Ja für das Projekt beigetragen, denn: Fussball begeistert, integriert und bietet Zusammenhalt. Ein Stadion mit Stimmung ist wichtig für die Motivation aller JuniorInnen und AmateurInnen in den über 50 Fussballvereinen allein in der Stadt Zürich, wo viele ihre Heimat finden.

Zürich(-West) benötigt Wohnungen in verschiedenen Grössen und unterschiedlichen Preiskategorien. Mich interessieren deshalb an dem Projekt vor allem die zahlreichen neuen Wohnungen und die Mischung aus verschiedenen Menschen, die dort leben werden, denn ein Quartier gilt erst ab 30 Prozent Bewohnern als lebendig. Mit dem Projekt Ensemble kommen wir diesem Ziel einen weiteren Schritt näher. Ich möchte nicht, dass auf der Brache – wenn die Stadt Zürich das Land bis 2035 an die Credit Suisse zurückgeben muss, sollte bis dahin kein Stadion gebaut werden – weitere Büro-Häuser mit Luxuswohnungen wie andernorts in der Umgebung des Hardturms entstehen. Zürich-West hat heute genug Büro-Pendler und Luxuswohnungen. Ein Nein an der Urne bedeutet im unteren Teil des Quartiers definitiv tote Hose und keine Freiräume.

Auf dem Areal werden Wohnungen für rund 1500 Menschen im tiefen und mittleren Preissegment entstehen, davon 174 Wohnungen auf Genossenschaftsbasis. Die CS hat der Stadt Zürich zudem weitere 125 Wohnungen an anderen Orten in der Stadt angeboten. Es entstehen Flächen für Gewerbe und Ateliers, Restaurants, Urban Gardening für Kinder und Erwachsene. Zürich-West ist Testgebiet für das Projekt Hitzeminderung des Stadtrates, und es werden nebst neuen Bodenbelägen im Umgebungsbereich auch neue Wohnformen angestrebt: In Wohnhochhäusern sind notabene pro Nase weniger Bodenversieglung und bessere Frischluftdurchlässigkeit als bei Blockrandbebauungen zu erwarten. 

Das Referendum gegen den vom Stadt- und Gemeinderat genehmigten Gestaltungsplan ist erfolgt, obwohl sich das Projekt gegenüber der ersten Abstimmung nicht verändert hat. Ich kann die Zwängerei der Interessengemeinschaft Freiräume Zürich-West nicht begreifen, denn es entstehen im Projekt grosse, für das Quartier vielfältig nutzbare Frei- und Aussenräume. Ich habe an einem Workshop des Projektteams teilgenommen, welcher die Quartierbevölkerung in die Entwicklung miteinbezogen hat. Zusammen mit der verkehrsberuhigten Hardturmstrasse und einer parkartigen Umgebungsplanung von der Pfingstweidstrasse bis hin zum Limmatufer entstehen zu einem grossen Teil unversiegelte Flächen. Durch das Mobilitätskonzept «autoarmes Wohnen» sind sogar weniger Parkplätze vorgesehen, als gemäss Parkordnung minimal notwendig wären. Dadurch können mehr, grössere und tiefer wurzelnde Bäume in natürliche Erde gepflanzt werden, ohne auf eine Tiefgaragendecke aufzustossen. Bei der Weiterentwicklung sind auch zahlreiche Vorschläge des Stadtrates zur Hitzeminderung eingeflossen.

Durch die halbherzige Nein-Parole der SP von oben herab muss ich annehmen, dass mit gutem Gewissen gegen die Parteidoktrin mit einem Ja gestimmt werden sollte, damit Wohnungen und Fussball bald stattfinden werden. Bau und Betrieb des Fussballstadions werden aus dem Ertrag der Hochhäuser finanziert. Ökologische Aspekte sind ganz zentral in das Projekt eingeflossen, sei es bei der Erschliessung durch den Langsamverkehr, durch den öV, durch den Abbau weiterer Parkplätze, durch eine grosszügige Aussen- und Freiraumgestaltung, durch Begrünung auch von Dachflächen, durch Photovoltaik-Anlagen etc. etc. Wie kann man zu Wohnungen für 1500 Personen nein sagen? Klar, es ist ein Deal. Aber es ist auch ein breit abgestützter Kompromiss.

Die heutige Brache ist eine Oase für ganz wenige, das Ensemble ist ein Projekt für ganz viele Menschen. Die Zürcher Stimmbevölkerung hat 2018 deshalb mit rund 54 Prozent und Ja-Mehrheiten in acht von neun Kreisen bereits einmal sehr klar Ja gesagt zum Projekt. Nach zig Anläufen liegt ein ausgewogenes, bei Bau und Betrieb vollumfänglich privat finanziertes und nachhaltiges Projekt vor, das zügig realisiert werden kann und von der Stadtregierung und mehrheitlich auch dem Parlament unterstützt wird. Schauen wir also gemeinsam, dass wieder ein gross­artiges Ja zum Wohn- und Fussballprojekt zustande kommt!

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.