Niederschwellige Angebote für ein nachhaltiges Leben

Der Begriff Kreislaufwirtschaft hat sich im Diskurs über Nachhaltigkeit etabliert. Die Jungen Grünen haben dazu im Kanton Zürich eine Initiative lanciert. Was ihre Anliegen sind und was das Ziel einer Kreislaufwirtschaft ist, erklärt Gemeinderätin Selina Walgis im Gespräch mit Roxane Steiger. 

 

 

Kreislaufwirtschaft ist ein Schlagwort und Kernbestandteil zahlreicher Klimastrategien. Was soll man sich genau darunter vorstellen?

Selina Walgis: Möglichst alles was wir zum Konsumieren und zum Leben brauchen, sollte möglichst lange gebraucht und wieder verwendet werden können – sei es in derselben oder in einer recycelten Form. Auf diese Weise sollen innerhalb des Wirtschaftskreislaufes möglichst wenige Ressourcen verbraucht und Verschwendung vermieden werden.

 

Können Sie mir das anhand eines konkreten Beispiels aufzeigen?

Foodwaste ist ein bekanntes und relevantes Beispiel. Jedes dritte Lebensmittel landet heute im Abfall. Diese Lebensmittel gehen zwischen Feld und Teller verloren oder werden verschwendet. Das muss sich dringend ändern, vor allem der Umwelt zuliebe. 

 

Was macht der Kanton Zürich heute im Bereich Kreislaufwirtschaft?

Es gibt verschiedene Bereiche, bei denen es schon gut läuft. Gewisse Bereiche, wie das Plastikrecycling, hängen stark von den einzelnen Gemeinden ab. Einige sind darin bereits sehr gut aufgestellt, andere noch gar nicht – kantonal gesehen hinken wir beim Plastikrecycling hinterher. Was gut klappt, ist die Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm, dem Abfall aus der Behandlung von Abwasser in Kläranlagen. Phosphor ist ein Hauptbestandteil von Düngemitteln. So könnte die Schweiz ihren Bedarf an Phosphor mit Recycling-Dünger aus Klärschlamm decken. Ein weiteres Beispiel ist die fachgerechte Entsorgung von Metall. In den Kehrichtsverwertungsanlagen kann es zurückgewonnen und wiederverwendet werden. Auch im Baubereich wird bereits vieles richtig gemacht: 81 Prozent des Bauabfalls wird recycelt.

 

Gibt es Bereiche, in denen man mehr tun könnte? 

Meiner Meinung nach handelt es sich in erster Linie um ein Sensibilisierungsthema der Bevölkerung. Zum einen muss eine Sensibilisierung bei der Abfallentsorgung stattfinden, andererseits aber auch auf der Konsumebene. Bei Verschwendung im Bereich der Ernährung geht es nicht nur um Foodwaste, sondern im weiteren Sinne auch darum, dass man sich schon beim Einkaufen überlegen sollte, ob es mehr Sinn macht, tierische oder pflanzliche Produkte zu kaufen. Es geht bei diesen Überlegungen also nicht nur beim Wegschmeissen um Ressourcenverbrauch, welcher bei pflanzlichen Lebensmitteln deutlich tiefer ist, sondern auch beim Einkauf. Dasselbe gilt z.B. auch bei Kleidung. Die Bevölkerung muss so sensibilisiert werden, dass man sich auch beim Kauf Gedanken macht und abwägt, ob man etwas braucht, wie oft und wie lange es hält. Die Politik ist gefragt, die Rahmenbedingungen so anzupassen, damit es einfacher und günstiger ist, zum Beispiel Bücher oder Möbel, die man nicht mehr braucht, ins Brockenhaus zu bringen, anstatt sie wegzuschmeissen. Es muss durch günstige, niederschwellige Angebote, wie zum Beispiel Repair Cafés, einfacher gemacht werden, nachhaltig zu leben.

 

Aus diesem Grund haben die Jungen Grünen im Jahr 2019 die «Kreislauf-Initiative» lanciert. Sie fordert die Verringerung, Wiederverwendung und Wiederverwertung von Abfall sowie die Schliessung von Stoffkreisläufen. Der Regierungsrat empfiehlt sie zur Ablehnung, hat aber einen Gegenvorschlag erarbeitet. Die Initiative sei zu «eng» gefasst, da sie sich nur auf den Konsum bezieht. Wie sieht Ihr Ansatz konkret aus?

Grundsätzlich finden wir es gut, dass dieser Gegenvorschlag erarbeitet wurde. Es zeigt, dass der Regierungsrat unser Anliegen ernst genommen hat und ebenfalls sieht, dass sich etwas tun muss. Wir sind uns einig: Die Kreislaufwirtschaft soll in die Verfassung geschrieben werden. Allerdings gehen unsere Meinungen beim Punkt, was genau in der Verfassung stehen soll, etwas auseinander.

 

Weshalb?

Mit unserer Initiative setzen wir bewusst einen Fokus auf den Konsum. Wir haben den Begriff Konsum im Initiativtext drin. Im Gegenvorschlag ist von Konsum aber keine Rede. In diesem Sinne ist der Gegenvorschlag weniger umfassend als unsere Initiative, da durch den Konsum ein riesiger Bereich unserer verbrauchten Ressourcen gesteuert wird. Was ebenfalls fehlt, ist der Aspekt des Mikroplastiks, also Fremdstoffeinträge in die Umwelt. Da wird unseres Erachtens nach noch viel zu wenig hingeschaut. Es wäre uns ein grosses Anliegen, dass diese zwei Punkte vom Kantonsrat noch in den Gegenvorschlag aufgenommen werden.

 

Würdet ihr dann eure Initiative zurückziehen? 

Wir überlegen noch, ob wir die Initiative bei Eintreten des definitiven Gegenvorschlags zurückziehen würden. Aktuell befindet sich der Gegenvorschlag beim Kantonsrat in Beratung. Wenn der definitive Gegenvorschlag steht, können wir uns definitiv entscheiden. Wir haben die Initiative der zuständigen Kommission im Kantonsrat präsentiert und unsere Anliegen bezüglich des Gegenvorschlags verdeutlicht.

 

Was ist euch dabei ein besonderes Anliegen?

Ein besonders spannender und wichtiger Punkt sind die Fremdstoffeinträge, die mit der Mikroplastikproblematik zusammenhängen. Der grösste Teil dieses Mikroplastiks entsteht durch die Abreibung von Autoreifen auf der Strasse. Dort hat man noch keine Lösung gefunden, damit das Regenwasser, das diese Reifenbestandteile enthält, nicht direkt in den Gewässern landet, sondern vorher gereinigt wird. Dieses Beispiel steht stellvertretend für weitere Beispiele, bei denen man genauer hinschauen und handeln müsste, bevor es zu spät ist. 

 

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