«Nicht für Millionäre»

Bis zu den Stadtratswahlen vom 4. März 2018 befragen wir an dieser Stelle die amtierenden StadträtInnen und die neu Kandidierenden zu einem aktuellen Thema – dieses Mal Finanzvorstand Daniel Leupi (Grüne) zum Thema «Vermietungsreglement». Die Fragen stellte Nicole Soland.

 

Letzte Woche hat die Spezialkommission Finanzdepartement des Zürcher Gemeinderats ihren Entwurf einer neuen Vermietungsverordnung für die städtischen Wohnungen mit Kostenmiete vorgelegt. Was halten Sie von diesem Entwurf?

Daniel Leupi: Ich bin froh, dass sich die Kommission auf eine Regelung geeinigt hat, die alle von links bis rechts mittragen können. Die Stossrichtung ist vernünftig, und man hat nicht überreguliert: In Härtefällen können wir individuelle Lösungen finden. Ein Beispiel: Der 85-Jährigen, deren Mann gestorben ist, wird nicht postwendend die Dreizimmerwohnung gekündigt.

 

Es steht folglich nichts in der Verordnung, was Sie total auf die Palme bringt?

Es gab während den Beratungen inakzeptable Vorschläge der Bürgerlichen. So forderten sie Konventionalstrafen für MieterInnen, die ihre Auskunftspflicht verletzen. Hätten sie ihre Forderungen aufrechterhalten, hätte ich die neue Verordnung zurückgezogen. Grundsätzlich ist aber klar, dass sie einen Pflock einschlagen mussten, weil die Linken lange keine Anstalten machten, sich zu bewegen. Es brauchte Verhandlungsgeschick vonseiten des Kommissionspräsidenten Matthias Probst, und alle Fraktionen benötigten Zeit, um gemeinsam einen Konsens zu finden, doch das Resultat ist für mich in Ordnung.

 

Hätten Sie persönlich lieber eine Einkommenslimite in der Verordnung gehabt als ein Verhältnis wie die vorgeschlagenen 15 zu 85 Prozent?

Ich finde das Verhältnis gut. Ich war von Anfang an der Meinung, dass die städtischen Wohnungen nicht für MillionärInnen gebaut wurden. Aber die Leute müssen sich in jedem Fall erst neu orientieren können. Deshalb ist eine fünfjährige Übergangsfrist vorgesehen. Das Mietrecht nicht zu respektieren, kann sich die Stadt als Vermieterin nicht leisten; das müssen auch die Bürgerlichen beachten.

 

Will heissen?

Einerseits ist nun klar, dass die städtischen Wohnungen auch bis hin zum mittleren Mittelstand gedacht sind. Anderseits muss eine Familie nicht gleich ausziehen, wenn es eine Lohnerhöhung gibt. So bleibt die gute Mischung innerhalb der Siedlungen erhalten: Es braucht auch BewohnerInnen, welche die Kapazität und Energie haben, in der Siedlung und im Quartier Verantwortung zu übernehmen. Bei den geplanten Siedlungen legen wir darum ebenfalls Wert auf die soziale Durchmischung.

 

Die Einzelheiten, Ausnahmen und Verfahren der neuen Verordnung muss der Stadtrat in einem Mietreglement festhalten. Welche Probleme sehen Sie als federführender Stadtrat auf sich zukommen, und haben Sie schon eine Idee, wie sie zu lösen sind?

Die Liegenschaftenverwaltung wird das Reglement ausarbeiten. Es ist sicher keine unüberwindbare Aufgabe, aber eine, vor der sie und ich Respekt haben. Da in den städtischen Wohnungen bereits seit einiger Zeit fast zu wenig Menschen aus dem Mittelstand Aufnahme finden, wird eine gute sozioökonomische Zusammensetzung ohne Verletzung der Richtwerte eine Herausforderung. Den Grundsatz, dass das steuerbare Einkommen von neuen MieterInnen maximal viermal so hoch wie die Miete sein darf, hat die Liegenschaftenverwaltung beispielsweise bei der Vermietung der neuen Siedlung Kronenwiese nicht in jedem Einzelfall buchstabengetreu angewandt. Im Vordergrund stand eine gute Mischung aus Menschen mit und ohne Kindern, aus Alten und Jungen, aus In- und AusländerInnen. Wir haben der gemeinderätlichen Kommission dargelegt, wie die Zusammensetzung ist, und niemand hatte etwas dagegen; auch von den Bürgerlichen kam kein Pieps.

 

Sollten die neuen Vorgaben doch nicht erreicht werden: Wer wird zuerst aus seiner Wohnung geschmissen?

Weder die Liegenschaftenverwaltung noch ich haben ein Interesse daran, Kündigungen zu verschicken; wenn es dazu kommt, dann erhalten sie zuerst jene mit sehr hohen Einkommen. Ich gehe aber davon aus, dass bereits die Medienorientierung von letzter Woche wirkt. MieterInnen verfolgen die politische Debatte, und diejenigen, die die neuen Bedingungen nicht erfüllen, werden sich von sich aus umschauen. Die grösste Wirkung dürfte auf jeden Fall die Durchsetzung der Belegungsvorschriften zeigen: Platz zu haben ist der wahre Luxus in der verdichteten Stadt. Wer in eine kleinere Wohnung ziehen müsste und die Mittel für mehr hat, wird sich auf dem freien Markt was suchen.

 

In älteren städtischen Siedlungen sind freitragende Dreizimmerwohnungen für 1000 Franken pro Monat keine Seltenheit. Das Paar, das eine solche mieten will, darf gemäss neuer Verordnung ein steuerbares Einkommen von maximal 48 000 Franken erzielen. Wäre die Wohnung jedoch nach den strengen Richtlinien gemäss kantonalem Wohnbauförderungsgesetz subventioniert, dürfte das Paar ein höheres steuerbares Einkommen haben, nämlich maximal 53 000 Franken. Das ist doch absurd.

Bei der Erstvermietung einer neuen Siedlung wird sich die Liegenschaftenverwaltung nicht darauf einschiessen, dass das Verhältnis in jedem einzelnen Fall aufs Komma genau 1:4 betragen muss – siehe Kronenwiese. Aber dieses Verhältnis wird tendenziell strikter gehandhabt werden als früher. Dass wir den Fokus auf die sozial Schwächsten richten, war bei der Stadt immer schon so. Die Behauptung der Bürgerlichen, dass «die Falschen» in den städtischen Wohnungen leben, ist schlicht falsch.

 

Dann hat es die ganze Übung also nur gebraucht, weil die Bürgerlichen nicht glauben wollen, was ist?

Nicht ganz: Einige Freisinnige sind grundsätzlich dagegen, dass die Menschen in den städtischen Wohnungen eine Einkommensentwicklung machen dürfen, und mussten hier zugunsten des Kompromisses Abstriche machen. Für viel böses Blut sorgten natürlich auch die Fälle von Promis in städtischen Wohnungen. Diese sind jedoch allesamt vor meiner Zeit als Finanzvorstand passiert und waren übrigens ein Auslöser dafür, dass ich den Auftrag für eine neue Vermietungsverordnung gegeben habe. Seither kommt so etwas nicht mehr vor. Die neue Verordnung macht eine faire und transparente Vermietung möglich – das war mir besonders wichtig.

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