- Gemeinderat
Neues Jahr, altes Geschäft
Am Mittwochabend traf sich der Zürcher Gemeinderat zur ersten Sitzung im neuen Jahr und diskutierte ein altes Thema, und zwar in Form eines dringlichen Postulats der SP-, Grünen- und AL-Fraktion «betreffend Vorlage eines Berichts zur Reorganisation der Verwaltung». Es war im Februar 2018 im Zusammenhang mit der Beratung der Volksinitiative «Mehr Geld für Zürich: 7 statt 9 Stadträt:innen» eingereicht und im Oktober 2018 überwiesen worden. Sowohl die Reorganisation der Stadtverwaltung als auch die Reduktion auf sieben Stadträt:innen standen bereits mehrmals zur Debatte und/oder es gab Volksabstimmungen dazu, so etwa 1987, 1989, 1995, 2002, 2013 und eben 2018. Kommissionssprecher Urs Riklin knüpfte an die Initiative 7 statt 9 an und sagte, wäre sie durchgekommen, hätten die neun heute noch existierenden Departemente neu organisiert werden müssen. Letzteres Anliegen sei grundsätzlich sinnvoll, denn die Verwaltung müsse ihre Aufgaben effizient und effektiv erledigen können. Zudem kämen neue Probleme auf sie zu, aktuell zum Beispiel Umwelt- und Klimaschutz, erneuerbare Energien, Mobilität und natürlich der «Dauerbrenner» Wohnen. Aufgrund der Abstimmung von 2018 hätten die drei Fraktionen ihr Postulat eingereicht und damit unter anderem «ein Thema pro Departement» vorgeschlagen.
Der Stadtrat habe ein Mandat für eine Strategie extern in Auftrag gegeben – worauf der Gemeinderat «als wichtigste Erkenntnis» habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Organisation der Verwaltung Sache des Stadtrats sei und der Gemeinderat eigentlich nichts dazu zu sagen habe, fuhr Urs Riklin fort. Der Bericht habe aber verschiedene Handlungsfelder aufgezeigt, wie der Stadtrat die Reorganisation in Angriff nehmen könnte, wobei an den Departementen grundsätzlich festgehalten werde. 2021 sei der Bericht dann in der Kommission diskutiert worden. Dann kam die Pandemie dazwischen, und 2023 wurde noch eine Evaluation über die Delegationen des Stadtrats gemacht. Hier im Rat gehe es nun aber nicht um die Evaluation, sondern um den 16-seitigen Bericht, den die Kommission erhalten habe. Die Mehrheit der Kommission werde diesen zur Kenntnis nehmen und das Postulat als erledigt abschreiben.
«Ein Alibi-Bericht»
Eine Minderheit von AL, FDP und SVP wollte den Bericht ablehnend zur Kenntnis nehmen. Sophie Blaser (AL) erinnerte daran, mit dem Postulat habe man statt einer Reduktion auf sieben Stadträte das Ziel verfolgen wollen, eine Reorganisation auszulösen, die «fundiert und auf einer Faktenlage» erfolgen sollte. Der Stadtrat sei aber «nach wie vor sehr von sich selber überzeugt». Seine Mitglieder fänden, so wie sie es machten, sei es sowieso am besten, weshalb seit Jahren keine fundamentalen Änderungen vorgenommen worden seien. Das sei im Wesentlichen auch das, was im Bericht stehe. Sie sei da aber anderer Meinung, es gäbe durchaus «Doppelspurigkeiten und Widersprüchlichkeiten» zu beheben. Der Stadtrat sei zwar frei, sich zu organisieren, aber weil der Gemeinderat das Budget für diese Strukturen spreche, sehe sie auch ein «berechtigtes Interesse» bezüglich Mitsprache an der Organisation.
Stefan Urech (SVP) sagte, an diesem Vorstoss störe ihn, dass die rotgrüne Mehrheit im Gemeinderat von Effizienz und Effektivität rede, aber gleichzeitg müllten sie den Stadtrat mit Vorstössen wie etwa einem «Genderbudgeting» zu. Der Stadtrat seinerseits habe sich einen «Gefälligkeitsbericht» schreiben lassen. Eigentlich bräuchte die Stadt Menschen von aussen, beispielsweise jemanden wie Elon Musk in den USA, «Menschen aus der Wirtschaft, die schon Firmen gesundgespart» hätten, befand Stefan Urech.
Nun für die Grünen fügte Urs Riklin an, dass bereits Massnahmen ergriffen worden seien und brachte als Beispiel Kreisbüros, die zusammengelegt bzw. geschlossen wurden. Doch auch die Grünen fänden, die Reorganisation, die stattgefunden habe, sei nicht unbedingt im Sinne der Autor:innen gewesen. Sie möchten den Stadtrat «ermuntern, ein bisschen grössere und mutigere Schritte in Angriff zu nehmen». Maya Kägi Götz (SP) sagte, die Stadt Zürich sei ein grosser Apparat, aber sie funktioniere auch sehr gut. Es gehe immer auch um «Dienstleistungen an die Gesellschaft und die Bürger:innen», was man nicht aus den Augen verlieren dürfe, «wenn wir uns hier mit uns selber beschäftigen».
Përparim Avdili (FDP) sprach von «persönlichen Gefälligkeiten von Rotgrün an Rotgrün» und stellte fest, «ein Alibi-Postulat hat ein Alibi-Gutachten ausgelöst, das wir hier mit einem Alibi-Bericht diskutieren».
Der Änderungsantrag, den Bericht ablehnend zur Kenntnis zu nehmen, ging mit 75 gegen 40 Stimmen (von FDP, SVP und AL) bachab, worauf der Rat den Bericht ebenfalls mit 75 gegen 40 Stimmen zur Kenntnis nahm. Einstimmig schrieb der Rat sodann das Postulat als erledigt ab.
Entschädigungsverordnung
Erstmals seit 26 Jahren soll die Vergütung der Ratsarbeit an den gestiegenen Arbeitsaufwand der Gemeinderät:innen angepasst werden. Darüber wird am 9. Februar an der Urne abgestimmt. Das Ja-Komitee von SP, Grünen, GLP, Mitte/EVP und AL stellte seine Argumente am Mittwochnachmittag den Medien vor (vgl. auch die Gemeinderatsberichte in den Ausgaben vom 6. und 27. September 2024). Tanja Maag (AL) erklärte, heute betrage die Entschädigung zwischen 13- bis 16 000 Franken im Jahr. Das sei zu wenig, um im Beruf das Pensum reduzieren zu können, was aber nötig sei, wenn die Ratstätigkeit mit Beruf und Familie vereinbar, also «für alle zugänglich», sein soll. Der Vorstoss gehe denn auch auf eine Idee der parlamentarischen Interessensgemeinschaft Frauen zurück. Lisa Diggelmann (SP) fügte an, der Arbeitsaufwand liege heute bei rund einem 30-Prozent-Pensum. Zudem enthalte die heutige Entschädigung weder Beiträge an die 2. Säule noch Unfall- bzw. Krankentaggelder. Deshalb sollen die Gemeinderät:innen künftig eine Grundentschädigung von 1000 Franken pro Monat bekommen sowie höhere Sitzungsgelder, was bei Teilnahme an sämtlichen Sitzungen einer Bruttoentschädigung von rund 28 000 Franken pro Jahr entspricht. Das sei « tiefer als der Medianlohn der Stadt Zürich für ein 30-Prozent-Pensum». Selina Walgis (Grüne) fügte an, dass die Gemeinderät:innen heute teilweise weniger erhielten als 1998, und das trotz längeren Sitzungen und höherem Arbeitsaufwand. Sven Sobernheim (GLP) sagte, wenn Mitglieder wegen Unvereinbarkeit des Amts mit Beruf etc. den Rat verliessen, gehe damit auch ein Wissensverlust einher. Das führe nicht zuletzt dazu, dass die Kontrolle über den Stadtrat, die der Gemeinderat ausübt, weniger gut funktioniere.