Neues Haus, alter Streit

Der Zürcher Kantonsrat tagte in der zweiten Sportwoche, wie nach ihm nächste Woche auch der Gemeinderat und die Kirchensynoden, in der ehemaligen Bullingerkirche. Die Parlamente bleiben dort bis mindestens 2027.

 

Der Kantonsrat tagt neu im einzigen Wahlkreis des Kantons, der SVP- und FDP-frei ist, wie Markus Bischoff (AL) bei der Bekanntgabe des Wahlvorschlags für das Handelsgericht launisch erläuterte. Das hinderte indes auch die KantonsrätInnen der beiden Fraktionen, sich der allgemeinen Begeisterung über den gelungenen Umbau anzuschliessen. «Das ist das schönste Provisorium, das wir je bauten», führte der zuständige Baudirektor Martin Neukom aus und übergab den symbolischen Schlüssel aus Zopfteig der Ratspräsidentin Esther Guyer. Sie hatte ihrerseits Gott und der Welt für den gelungenen Umbau gedankt, also vor allem den PlanerInnen, den ArchitektInnen und den Ausführenden, die den 9,2-Millionen-Umbau einer Kirche zu einem Rathaus in gut eineinhalb Jahren bewerkstelligen mussten. Das grösste Pro­blem sei gewesen, die Akustik einer Kirche in eine für ein Rathaus umzuwandeln, führte die Architektin aus. Die Kirche sei zum Zuhören und darum ein Hall durchaus erwünscht. Bei einem Ratsbetrieb stehe das Zuhören und Debattieren im Vordergrund und darum sollten alle sich gegenseitig gut verstehen. Akustisch ist dies mit Stoffen und einer exzellenten Sprechanlage gelungen; man hört sich gegenseitig unbestreitbar gut, ob man sich dann auch versteht, ist eine andere Frage. Auch Räume für zusätzliche Sitzungen bietet das Haus einige, so dass die Fraktionen tagen können. In ihrer Eröffnung meinte Esther Guyer, einige wären kaum betrübt, wenn sich der Umzug ins renovierte Rathaus am Limmatquai über das Jahr 2027 hinaus verzögern würde. Das Rathaus am Bullingerplatz (neu Rathaus Hard) bietet punkto Infrastruktur deutlich mehr als das alte Rathaus und kommt einem Haus des Parlaments deutlich näher. Nur hoffnungslose Nostalgiker wie ich sehnen sich ins alte Rathaus zurück.

 

Es gehört sich, dass in der Sitzung mitten in den Sportferien Traktanden behandelt werden, bei denen es auf eine Stimme mehr oder weniger kaum ankommt. Dazu eignen sich Parlamentarische Initiativen bestens. Bei denen geht es bei der ersten Lesung nur darum, ob 60 KantonsrätInnen sie für eine Weiterbehandlung unterstützen. Inhaltlich kann man nach den Voten abschätzen, wie es bei der zweiten Lesung ausgehen könnte, nachdem die zuständigen Kommissionen und der Regierungsrat allfällige Kompromisse ausgelotet haben. Bei den vier Initiativen mit mehr als 60 Stimmen würde ich folgendes tippen: Die Telemedizin erhält die gewünschte gesetzliche Verankerung, beim Ausmarchen zwischen Versorgungssicherheit und Naturschutz (was in dieser Zuspitzung nicht zutrifft), bei der Zonierung von Weilern und beim obligatorischen Ausbau der Solarenergie vor allem auf bestehenden Bauten besteht noch viel Diskussionsbedarf, sind aber breit abgestützte Lösungen möglich.

 

In der Frage der Telemedizin waren sich alle SprecherInnen einig. Es ist, richtig angewandt, eine Möglichkeit, die Engpässe bei den Notfallstationen und den HausärztInnen zu mildern und auch die Qualität zu heben. Sie ist aber heute rechtlich schlecht abgestützt, so dass Etliches, was gut möglich wäre (etwa Rezepte via Mail, Kontrollen ohne Arztbesuch), praktisch noch wenig erfolgt. Zudem, so der Praktiker Josef Widler (Mitte), sei die Entschädigung unzureichend. 

 

Bei den Böden führen die Bürgerlichen, angeführt von der SVP, ihren Kampf für die Versorgungssicherheit, respektive die Wahrung ihrer bäuerlichen Subventionen (das ist nicht böse gemeint, sondern legitime Interessensvertretung) weiter. Nachdem sie sich vor den Ferien gegen die Förderung von neuen Feuchtgebieten gewehrt hatten, ging es an diesem Montag um die teilweise Umwandlung von Ackerland in Magerwiesen durch das Abtragen von Humus. In unsicheren Zeiten sei die Versorgung mit eigener Nahrung zentral, lautete die Begründung. Durch Bauen und Kiesgruben sei viel mehr Ackerland gefährdet, ein zentrales Gegenargument. In diesem Zusammenhang erreichte auch noch eine Initiative von Barbara Grüter (SVP) für eine neue Zone zum Bauen in Weilern ausserhalb des Siedlungsgebiets die 60 Stimmen. Die Baudirektion ist daran, dies zu regeln, aber ganz offensichtlich weniger grosszügig, als dies die Grundeigentümer in der Weilern wünschen. Das Problem an dieser Initiative: Entscheiden werden vermutlich die Gerichte, was das Bundesrecht noch zulässt.

 

Nicola Siegrist (SP) vertrat als erster Sprecher der Klimaallianz die Initiative zum Vorantreiben der Energiewende. Um die nötigen 45 Terawattstunden Solarenergie zu erreichen, ist eine bedeutend grössere Anwendung nötig. Zumal Sonnenenergie die einzige Energie ist, die im grossen Stil den nötigen Zusatzstrom liefern kann. Die Solaranlagen in den Alpen seien schon recht (was David Galeuchet, Grüne, weniger findet), aber sie ersetzten die Produktion auf bestehenden und neuen Bauten nicht. Panels sollten nicht nur auf den Dächern, sondern auch an den Fassaden errichtet werden; nicht nur auf den Neubauten, sondern auch auf den bestehenden. Und hier vor allem in den grossen Liegenschaften in den Industriezonen und über den Parkplätzen. Wo genau, wie dies bezahlt werde und welche Ausnahmen gemacht werden können, darüber könne man eingehend diskutieren, fand Nicola Siegrist. Die NichtklimaallianzsprecherInnen störten sich an zweierlei: Erstens sei das neue Energiegesetz erst gerade in Kraft getreten und zweitens verstosse die Nachrüstung bei bestehenden Bauten zu stark gegen die Eigentumsgarantie. Zudem, so Yvonne Bürgin (Mitte), passiere in Rüti bereits sehr viel. Das kann ich nicht beurteilen, in Zürich jedenfalls wird allseitig viel geschwatzt und wenig getan.

 

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