Nationalitätennennung: Transparenz im Abstimmungskampf schaffen

Am 7. März stimmt der Kanton Zürich über eine SVP-Volksinitiative ab, die verlangt, dass die Polizei Nationalitäten in ihren Meldungen immer angeben muss und einen Migrationshintergrund auf Anfrage. Während in mehreren Kantonen wie Bern oder Zug der Regierungsrat entsprechende Vorhaben ablehnte, war der Regierungsrat des Kantons Zürich leider weniger mutig. Er erarbeitete einen Gegenvorschlag, der auf die Nennung des Migrationshintergrundes verzichtet, aber vorsieht, dass die Polizei Nationalitäten in ihren Meldungen immer nennen muss. 

 

Alan David Sangines und Luca Maggi*

Dass der zuständige Sicherheitsdirektor Mario Fehr von seinem Gegenvorschlag überzeugt ist, überrascht nicht. Seine Behauptungen dazu verwundern aber. Noch mehr verwundert, dass bestimmte Medien die Behauptungen von Fehr unhinterfragt wiedergeben. Höchste Zeit daher, in einem unabhängigen Medium die beiden fehrdrehtesten Behauptungen unter die Lupe zu nehmen. 

 

Behauptung: Keine zwingende Nennung der Nationalitäten

Gegenüber Medien sagt Fehr, es sei falsch zu behaupten, der Gegenvorschlag sehe die zwingende Nennung von Nationalitäten in Polizeimeldungen vor. Es sei «gerade die Stärke des Gegenvorschlags, dass er den Polizeien Spielraum gebe, ob sie die Nationalität nennen wollten oder nicht» (‹Tages-Anzeiger› vom 6. Februar 2020). Dabei verwies er auf den Wortlaut der SVP-Initiative, in der es heisst: «Die Polizei informiert…» Im Gegenvorschlag laute die Formulierung jedoch, «Die Polizei ist befugt (…) zu informieren.» Zudem würden bei Verkehrs- und Arbeitsunfällen die Nationalitäten nicht genannt. 

Diese Darstellung ist arg verkürzt und der von Fehr konstruierte Zusammenhang falsch. Fakt ist, die SVP möchte einen neuen «Transparenz»-Artikel schaffen. Darin würde die Polizei verpflichtet, die Öffentlichkeit in transparenter Weise über Straftaten zu informieren und die Nationalität zwingend anzugeben. Auf Anfrage wäre auch der Migrationshintergrund zu nennen. Der SVP-Vorschlag formuliert aber auch Ausnahmen. Und zwar, wenn «erhebliche Gründe des Persönlichkeitsschutzes» gegen die Bekanntgabe sprechen oder wenn Personen identifiziert werden können.

Der Gegenvorschlag hingegen ergänzt der bereits bestehende Art. 51a des Polizeigesetzes, welcher der Polizei schon heute die Befugnis gibt, die Bevölkerung zu informieren. Dieser Artikel würde neu mit einem Abs. 2 ergänzt, welcher der Polizei im Falle einer Information vorschreibt, die Staatsangehörigkeit zu nennen, sofern keine Gründe des Persönlichkeitsschutzes dagegen sprechen oder die Gefahr besteht, dass die Personen identifiziert werden können. Also die gleichen Ausnahmen, wie die SVP in ihrer Initiative auch vorsieht.

Wenn Fehr sagt, dass die Polizei im Rahmen ihrer «Befugnis» immer noch entscheiden kann, ob sie informiert oder nicht, ist dies korrekt. Heute ist sie aber befugt, im Falle einer Information zu entscheiden, ob die Nationalität genannt wird. In Zukunft darf sie das nicht mehr. Sobald die Polizei informiert, muss die Nationalität immer genannt werden. Ausnahmen bilden nur die gleichen Gründe des Persönlichkeitsschutzes, wie sie auch die SVP in ihrer Initiative vorgesehen hat. Und von Verkehrs- und Arbeitsunfällen ist im Gegenvorschlag keine Rede. 

In Social-Media-Debatten wurde Fehr wiederholt gefragt, welche gesetzliche Grundlage es der Polizei nach Annahme des Gegenvorschlags erlauben würde, die Nationalitäten bei einer Polizeimeldung nicht zu nennen. Als Reaktion verweist er auf seine Aussagen während der Kantonsratsdebatte. Das ist mehr als fadenscheinig. Mit Verlaub: «La loi c’est moi»-Wünsche in Ehren, aber wir stimmen über einen konkreten Gesetzestext ab, der bis auf Persönlichkeitsschutz (genau wie die SVP-Initiative) keine Ausnahmen oder Spielraum vorsieht. Der einzige Spielraum bleibt daher der bereits bestehende Art. 51a Abs. 1 PolG, nämlich die Befugnis der Polizei, zu kommunizieren oder eben auch nicht zu kommunizieren. Wenn sie aber kommuniziert, gilt der Text des Gegenvorschlags (Abs. 2), und dieser lässt weder eine Befugnis noch einen Ermessensspielraum zu, die Nationalitäten wegzulassen. 

 

Behauptung: Mit Algeriern gegen Generalverdacht

In seinen öffentlichen Statements verweist Fehr dauernd auf abgewiesene Asylsuchende aus Algerien, die «zu 90 Prozent» kriminell seien. Es sei wichtig, dies zu benennen, denn die meisten abgewiesenen Asylsuchenden seien nicht kriminell. Indem man «die Fokussierung auf jene, die es wirklich angeht» lege, verhindere man, dass ein Generalverdacht entstehe, so Fehr. Diese Aussagen sind gleich in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zunächst ist es erfreulich festzustellen, dass auch Sicherheitsdirektor Fehr der Ansicht ist, dass die meisten abgewiesenen Asylsuchenden nicht kriminell sind, was aufgrund seiner Kommunikation in der Vergangenheit nicht ganz klar war. 

Bemerkenswert ist diese Aussage aber auch, weil sie geradezu nach einem Nein zu seinem Gegenvorschlag schreit. Zunächst zeigt Fehr, dass die Nationalität als Kriterium eben doch nicht relevant ist. Denn es sind eben nicht 90 Prozent der AlgerierInnen kriminell, sondern der abgewiesenen Asylsuchenden aus Algerien. Dies zeigt, dass eben nicht die Nationalität die ausschlaggebende Rolle spielt, sondern die Lebensumstände einer Person. Zudem sagen einzelne Polizeimeldungen auch noch nichts darüber aus, wie viele Prozent (abgewiesener Asylsuchenden) aus einer Nation straffällig werden. Dafür gibt es eben Kriminalstatistiken, die jährlich veröffentlicht werden.

Wenn die Polizei aber zum Schluss kommt, dass die Nationalität der Algerier genannt werden muss, weil sie in direktem Zusammenhang mit Straftaten steht, dürfte sie die Nationalität bereits heute nennen. Ganz ohne Gegenvorschlag. Sollte aber einmal eine abgewiesene Chinesin straffällig werden, müsste die Polizei die Nationalität nennen und hätte keinen Spielraum mehr, sie wegzulassen und so zu vermeiden, dass alle Chinesinnen einem Generalverdacht unterstellt werden. 

Fazit: Der Gegenvorschlag ist weder ausgewogen noch ermöglicht er es der Polizei, verhältnismässig zu entscheiden, ob sie Nationalitäten in ihren Meldungen nennen will. Er diktiert sämtlichen Polizeikorps eine Informationspolitik, die nicht nur der Strafprozessordnung widerspricht, sondern auch keine verhältnismässigen Abwägungen zulässt, um zu entscheiden, ob eine Nationalität für eine Tat relevant ist und deshalb genannt werden muss. Dieser Automatismus gehört abgelehnt! 

 

* Alan David Sangines, Gemeinderat Zürich, SP und Luca
Maggi, Gemeinderat Zürich, Grüne. Beide sind zudem Mitglied des 2xNein-Komitees

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