Das Vier-Säulen-Modell aus Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression prägt bis heute die Zürcher Drogenpolitik. (Bild: Pexels)

Nasensprays gegen Fentanylgefahr

Dreissig Jahre nach der Lettenräumung informierte der Stadtrat über die aktuelle Drogenpolitik. Besonders die Gefahr von Fentanyl beschäftigt die zuständigen Stellen.

Tausend Nasensprays mit Naloxon habe die Stadt Zürich bereit, sagte Stadtrat Andreas Hauri (GLP). Die Substanz hilft bei einer Überdosierung von synthetischen Opioiden, wie zum Beispiel Fentanyl, indem sie die Opioid-Rezeptoren besetzt. Die Gefahr von neuen synthetischen Stoffen war ein grosses Thema an einer Medienkonferenz am Mittwoch zum Thema Drogen anlässlich der Räumung der offenen Drogenszene am Letten vor dreissig Jahren. Für die prominent besetzte Runde mit den vier Stadträt:innen Andreas Hauri, Raphael Golta (SP), Karin Rykart (Grüne) und Filippo Leutenegger (FDP) begann Hauri die Präsentation mit der Feststellung, dass es in Zürich nie mehr zu einer offenen Drogenszene kommen darf. 

Dann folgte eine kurze historische Zusammenfassung: Nachdem Anfang der 1970er-Jahre zum ersten Mal Heroin in Zürich beschlagnahmt wurde, gab es gut fünfzehn Jahre später bereits bis zu 5000 Fixer:innen in der Stadt. Sie sammelten sich besonders auf dem Platzspitz und später dann beim Letten. Nachdem die Stadt den Suchtkranken zuerst vor allem mit Repression begegnete, setzte sie nach und nach auch auf einen anderen Umgang. Wichtig für diese Änderung war auch die Volksabstimmung zur Überlebenshilfe 1990. Da stimmte die Stadtzürcher Stimmbevölkerung dafür, das Recht auf soziale Hilfe nicht mehr an Drogenverzicht zu binden. Vier Jahre später entstand dann das Vier-Säulen-Modell aus Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression, das bis heute die Zürcher Drogenpolitik prägt.

Vier Säulen für ein Halleluja

Über die Prävention sprach an der Medienkonferenz Schulvorsteher Leutenegger, der betonte, dass ein früher Zugang für eine erfolgreiche Arbeit unabdingbar sei. Deshalb beginne die Prävention bereits in der Mittelstufe. Danach gehe die Aufgabe quasi ein Leben lang weiter. Um beispielsweise Suchtprobleme im Alter zu vermeiden, sei besonders wichtig, dass man gegen Einsamkeit vorgeht. Der 72-jährige Leutenegger scheint von dieser Alterseinsamkeit jedenfalls nicht betroffen: Währenddem seine Stadtratskolleg:innen sprachen, drückte er mehrmals auf seinem Handy herum.

Danach folgte Karin Rykart, Vorstehende des Sicherheitsdepartements, die anhand des Beispiels der Bäckeranlage zur Repression sprach. Nachdem eine Kontakt- und Anlaufstelle (K&A) in der Nähe geschlossen wurde, entstand im Frühjahr vor zwei Jahren auf der Parkanlage im Kreis 4 eine Szene von Drogenkonsumierenden. Dagegen sei man mit erhöhter Polizeipräsenz vorgegangen. Zudem habe man im November eine provisorische K&A auf dem Kasernenareal eröffnet. Auch die Belebung der Anlage mit Flohmärkten oder Konzerten sei wichtig, so Rykart. 

Als Nächstes war Raphael Golta an der Reihe, der zur Schadensminderung sprach. In den Neunziger Jahren sei es noch «ein Knorz» gewesen, wenn Polizist:innen und Sozialarbeitende zusammen im Einsatz gewesen seien. Das habe sich heute verbessert, so der Vorsteher des Sozialdepartements. Ganz generell sei ein differenzierter Umgang mit Drogenkonsum gefragt. So erlaubt man beispielsweise in den K&A auch sogenannte Micro-Deals, damit Konsumierende nicht immer wieder die Räume verlassen müssen. Neben den K&A sei besonders die Kombination aus aufsuchender Sozialarbeit, Tagesstruktur und Unterkünften wichtig für einen möglichst sozialverträglichen Konsum. Dieser habe sich seit den Zeiten des Letten stark gewandelt. Mittlerweile wird vor allem Kokain konsumiert. Besonders in Form von Crack oder Freebase werde das Kokain in mehr als 80 Prozent der Fälle inhaliert.

Fentanyl im Anflug?

Eine neue Gefahr gehe von den synthetischen Opioiden wie Fentanyl aus, sagte Golta. Deshalb versuche die Stadt Zürich, sich mit einem Massnahmenplan darauf vorzubereiten. Wirklich akut ist die Situation noch nicht. Stand heute wurden erst zweimal Proben mit synthetischen Opioiden beim Drug-Checking abgegeben. Weil die Sub­stanzen einfach und günstig hergestellt werden können und sehr stark wirken, werden sie häufig anderen Drogen beigemischt. Da die Opioide so unwissentlich eingenommen werden, ist die Gefahr von Überdosierungen viel grösser, weshalb die Stadt die eingangs erwähnten Nasensprays bereit hat.

Bis diese richtig eingesetzt werden können, braucht es aber noch Geduld. Aktuell kann nur medizinisches Fachpersonal Naloxon verabreichen. Damit die Substanz allerdings auch von direkt Betroffenen oder Angehörigen eingesetzt werden kann, müsste diese Regel vom Bund gelockert werden. Man sei sich dieses Problems auf Bundesebene bewusst, so Golta auf Nachfrage. 

Zuletzt kam dann noch einmal Hauri zu Wort. Er sprach insbesondere über die Gesundheitsversorgung und die Therapie bei suchtkranken Menschen. Dort setzt man auf die stationären und ambulanten Angebote, die sogenannte Opioid-Agonisten-Therapie zur Suchtbehandlung und, falls die synthetischen Substanzen Zürich erreichen, eben auf Nasenspray.