Nahes Fenster

«Künstliche Intelligenz» ist ja in aller Munde; eine wirklich nützliche Anwendung davon sind automatische Übersetzungen, die unterdessen recht tauglich sind. Eigentlich ist das fast schade, denn diese waren davor ein zuverlässiger Quell von Heiterkeit, insbesondere in den Anfangszeiten des World-Wide-Webs, als Übersetzungsmaschinen wie «Babelfish» auf dem Markt erschienen. Damals gelangte ich einmal zufällig auf eine Website, die gut zehn verschiedene Länderfahnen anzeigte, wie sie ja häufig für Sprachversionen stehen. Ich klickte also (obwohl Schweizer) auf die Deutschland-Flagge. Schon ab dem ersten Satz war klar, dass die Übersetzung von einer Maschine kam, doch der grösste Teil des Inhalts liess sich aus dem Zusammenhang irgendwie erraten. Nur eine Stelle wollte sich mir partout nicht erschliessen: Auf jedem kleinen Popup-Fensterchen, diese waren ja damals recht in Mode, stand zuunterst «Nahes Fenster».

Auch eine taugliche Übersetzungsmaschine benötigt oft den Zusammenhang, um Texte korrekt zu interpretieren. Kürzlich installierte ich ein Spiel auf meinem Handy, bei dem nach jedem Spielzug am oberen Bildschirmrand eine Mitteilung erschien mit einer Zahl, gefolgt von «bewegt sich», also beispielsweise «23 bewegt sich». Es brauchte etwas Nachdenken, bis ich darauf kam, dass wohl die Anzahl der noch zur Verfügung stehenden Spielzüge gemeint war, also im englischen Original: «23 moves». Das ist zwar astrein übersetzt, aber im Zusammenhang halt falsch. Ähnlich verhält es sich bei Mitteilungen, die der kleine Projektor anzeigt, den ich aus Platzgründen gelegentlich anstelle eines Fernsehers verwende. Drücke ich den Ausschaltknopf, fordert er mich auf: «Drücken Sie noch einen, schalten Sie aus.» Das ist nicht so schwer zu verstehen, alle paar Wochen heisst es nach dem zweiten Drücken aber: «Starten Sie das Staubreinigungsmodell und fahren Sie es später herunter.» Beim ersten Mal suchte ich die Bedienungsanleitung, um herauszufinden, wie ich denn dieses Modell starten könnte, während der Ventilator laut aufheulte und 30 Sekunden heruntergezählt wurden. Ohne dass ich etwas herausgefunden hätte, schaltete sich das Gerät dann aus. Ein mulmiges Gefühl blieb, das erst beim etwa dritten Mal nachliess, als mir schwante, dass der Beamer mir eigentlich mitteilen wollte, dass er selbst in diesem Moment die Staubreinigung startete.

Lustige Übersetzungen sind aber nichts Neues. So erzählte mir vor Jahren ein Arbeitskollege von Recherchen, die ein ihm befreundeter Historiker in einem ehemals deutschsprachigen Gebiet Italiens in einem Archiv gemacht hatte, wohl im Südtirol oder im Veltlin, ich erinnere mich nicht mehr genau. Bei einem Spaziergang war ihm der Strassenname «Strada delle due Valigie» aufgefallen, «Strasse der zwei Koffer». Dies ist schon recht ungewöhnlich, und da er ja sowieso in diesem Archiv zu tun hatte, suchte er dort nach einer Karte aus der Zeit vor der Italianisierung des Gebietes, und dort hiess die Strasse «Schweighofer Strasse». Anscheinend hatten die italienischen Behörden einfach übersetzt, was sie lautlich gehört hatten, mit etwas italienischem Klischee-Akzent wird das anschaulich: «Schweigoffer Strasse» – «Zweikoffer-Strasse».

Übrigens, ich habe Sie etwas hängen lassen in Bezug auf das nahe Fenster. Sind Sie schon darauf gekommen? Ich musste mir damals damit behelfen, wieder auf die England-Flagge zu klicken, um die originale Sprachversion aufzurufen. Dort stand an dieser Stelle «Close window».