«Nahe am Puls der Stadt zu sein, das werde ich vermissen»

Vom Papierstapel zu den Pixeln, vom humorvollen zum vielfältigen Gemeinderat: Nach zwei Amtszeiten, zwischen denen 20 Jahre Pause lagen, legt Monika Bätschmann ihr Amt als Gemeinderätin nieder. Im Gespräch mit Tim Haag zieht sie Bilanz.
Monika Bätschmann (Bild: Tim Haag)
Vom Papierstapel zu den Pixeln, vom humorvollen zum vielfältigen Gemeinderat: Nach zwei Amtszeiten, zwischen denen 20 Jahre Pause lagen, legt Monika Bätschmann ihr Amt als Gemeinderätin nieder. Im Gespräch mit Tim Haag zieht sie Bilanz.

Sie haben als Treffpunkt für dieses Gespräch das Personalrestaurant der SBB vorgeschlagen. Warum? Der Ort erinnert mich eher an Arbeiter:innenkantine, Gewerkschaft und SP als an die Grünen…

Monika Bätschmann: Wirklich? Und wo essen dann die Grünen?

Vielleicht auf dem Bauernhof?

Ich finde, das Restaurant passt durchaus auch zur Grünen Partei. Die Förderung des öV war schon immer ein Kernpunkt der Partei. Und ausserdem fahre ich selbst sehr gerne Zug.

Sie waren zweimal im Gemeinderat: Zwischen 1993 und 1998 und von 2018 bis Ende Juni. Können Sie sich noch an Ihr erstes Postulat erinnern?

Monika Bätschmann: Ich bin nicht sicher, ob das der erste Vorstoss war, aber bei diesem Postulat, das Sie herausgesucht haben, ging es um den Bau einer Fussgänger:inneninsel vor der Regensbergbrücke.

Dann ist Ihnen wie mir vielleicht aufgefallen, dass Sie im Postulat schon damals konsequent gendergerecht vom Fussgänger:innenstreifen geschrieben haben. 

Ich bin Feministin, seit ich denken kann. Ich konnte schon als Kind nicht verstehen, warum die Mädchen nicht das machen dürfen, was die Buben dürfen und umgekehrt. Und wenn man von Frauen und Männern etwas will, dann soll man auch beide ansprechen. 

Warum sind Sie den Grünen beigetreten?

Ich bin nach der Reaktorkatastrophe  in Tschernobyl zu den Grünen gekommen. Damals hatte ich drei kleine Kinder und fühlte mich verantwortlich, etwas für ihre Zukunft zu tun. Die Grünen waren die einzige Partei, die wirklich konsequent Umweltanliegen vertrat, und das hat mich überzeugt – und überzeugt mich bis heute.

Wie war es, zu einer Zeit, in der eine Auto-Partei existierte und vergleichsweise breite Unterstützung fand, für die Grünen politische Arbeit zu leisten?

Damals habe ich regelmässig an Standaktionen mitgemacht. Manchmal mussten wir die Flyer fast mit Helm und Schutzausrüstung verteilen. Als Grüne haben wir verbal schon auf die Kappe bekommen. 

Und heute?

Wenn ich heutzutage z.B. um sieben Uhr morgens am Schaffhauserplatz Flyer verteile, bedanken sich die Leute ab und zu für unser Engagement. Eine solche Wertschätzung habe ich früher nie erfahren.

Nach Ihrer Nicht-Wiederwahl 1998 haben Sie – familiär und beruflich bedingt – erstmal 20 Jahre Gemeinderatspause gemacht. Worin unterscheidet sich eine Gemeinderatssitzung aus dem Jahr 1998 von einer im Jahr 2024?

Früher haben wir wöchentlich einen Riesenstapel Papier nach Hause bekommen, heute läuft alles über E-Mail und Internet. Die ganze Kommunikation und Planung ist viel schneller, der Output viel höher geworden. Unsere Fraktion hat zum Beispiel in den letzten zwei Jahren 242 Vorstösse eingereicht. 

Finden Sie das eine gute oder eine schlechte Neuerung? Bevorzugen Sie als gelernte Rahmenvergolderin nicht das Greifbare, Physische dem Computer?

Wenn Sie mich damit fragen wollen, ob ich nicht mit Computern klarkomme, weil ich alt bin: In dem Thema bin ich ziemlich fit – ab und zu kann ich auch den Jüngeren noch etwas zeigen.

Was hat sich sonst verändert?

Die Anzahl Platzhirsche. Früher gab es das – plakativ ausgedrückt – Männerritual, dass Gemeinderat X redete und man genau wusste, danach steht Gemeinderat Y auf, gefolgt von Gemeinderat Z. Diesen Turnus des «Markierens» gibt es zum Glück nicht mehr. Andererseits habe ich das Gefühl, dass die Leute im Gemeinderat früher zum Teil lustigere Voten hielten. Stadtrat Ruedi Aeschbacher von der EVP hat damals jeweils ein Büchlein mit den besten Sprüchen des Jahres he­rausgegeben. Heute ist der Gemeinderat und seine Parteienlandschaft aber vielfältiger. Man hat mehr Möglichkeiten für Verbindungen, Absprachen etc. – das ist interessant.

Am 26. Juni haben Sie Ihre letzte Gemeinderatssitzung. Was werden Sie vermissen?

Die zwischenmenschlichen Kontakte, in der Fraktion mit meinen Kolleg:innen gemeinsam an unseren Herzensthemen zu arbeiten und ganz nahe am Puls der Stadt zu sein.

Und was nicht?

Gewisse Ansprachen von gewissen Gemeinderäten.

Welche politische Entwicklung bereitet Ihnen Sorge?

Die Situation im Rat, die man mit Polizeibashing bezeichnen könnte. Statt dass wir unsere Energie dafür einsetzen, uns zu überlegen, was für eine Polizei wir wollen oder was wir dazu beitragen können, dieses Ziel zu erreichen, skandieren wir «ganz Zürich hasst die Polizei». Das ist nicht produktiv und stimmt auch nicht. 

Vergolden Sie ab Juli wieder Rahmen, um die terminfreien Mittwochabende zu füllen?

Das denke ich kaum. Ich habe auch ohne Gemeinderat noch genügend Engagements: Ich bin im Vorstand der Nachbarschaftshilfe Höngg-Wipkingen und im Verein Hop! Züri, weiter werde mich mit Parteifreund:innen um das Thema Alter kümmern. Und ich habe zwölf Enkelkinder. Da wird mir kaum langweilig.