Nachhaltigkeit als Ziel und Verkaufs­argument

Stadt und Kanton Zürich veröffentlichen regelmässig eine Studie zum Zustand des Finanzplatzes der Region, zu der auch Zug und Schwyz gezählt werden. Der Spezialteil der diesjährigen Studie widmet sich den nachhaltigen Anlagen.

 

«Im rot-grünen Zürich soll auch der Finanzplatz grün werden», lautet der Titel der NZZ vom Samstag, in dem die Ergebnisse der Medienorientierung vom Freitag zusammengefasst werden. Abgesehen davon, dass der Kanton samt seiner freisinnigen Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh, die zusammen mit der tatsächlich roten Stadtpräsidentin Corine Mauch die Medienorientierung leitete, keineswegs rot-grün dominiert ist, trifft der Titel genauso zu wie jener im ‹Tages-Anzeiger›, der lautet: «Nachhaltige Anlagen dienen primär dem Image». Was keineswegs zwingend bedeutet, dass Banken und Versicherungen nachhaltige Produkte nur aus Imagegründen oder zur Kundenanbindung anbieten. Sie könnten sich auch zu einem guten Geschäft entwickeln. Auch wenn viele BankerInnen dies weniger intensiv annehmen, als die beiden PolitikerInnen es sich erhoffen.

 

Gut gehalten

An der Bedeutung und am Zustand des Finanzplatzes in der Schweiz und speziell in der Region Zürich hat sich in der Studie von BAK Economics, die Michael Grass vorstellte, grundsätzlich seit der letzten Studie nichts Wesentliches geändert. Wobei bemerkenswert ist, dass die Region die Coronakrise wirtschaftlich auch so gut überstanden hat, weil der Finanzplatz davon kaum betroffen war. Der Zürcher Finanzplatz schöpfte mit 97 300 Vollzeitangestellten 2021 29,9 Milliarden Franken Bruttowertschöpfung. Der Anteil am schweizerischen Finanzplatz beträgt 45 Prozent bei der Wertschöpfung und 42 Prozent bei den Angestellten. Dabei ist er in der Region recht konzentriert mit der Stadt Zürich als klarer Leaderin, in der 62 Prozent der Wertschöpfung des Finanzplatzes anfallen. Dabei spielen die Banken noch eine leicht grössere Rolle als die Versicherungen.

 

Der Finanzsektor ist seit 2011 bei der Wertschöpfung klar stärker gewachsen als die Gesamtwirtschaft, wobei der Zuwachs in der Stadt mit 3,1 Prozent im Schnitt deutlich höher ausfiel als in der Region mit 1,7 Prozent. Die Anzahl der Beschäftigten nahm seit 2011 in der Stadt um 0,7 Prozent, in der Region um 1,2 Prozent zu. Dabei gab es wiederum leichte Verschiebungen: Derzeit sind die Banken gegenüber den Versicherungen wieder im Aufwind, da letztere bei etlichen Katastrophen zahlen mussten.

 

Innerhalb der Bankenbranche kam es zu Stellenverschiebungen von den Banken zu den sonstigen Finanzdienstleistungen. Das spiegelt vor allem die Entwicklung, dass die Banken einen grossen Teil ihrer technischen Dienstleistungen (etwa den Zahlungsverkehr, aber auch die Börse) ausgegliedert haben. Das führte auch zu Veränderungen innerhalb der Angestellten: vom traditionellen Sachbearbeiter mit Banklehre zu IT-Ausgebildeten. Aber die Digitalisierung hat bisher die Anzahl der Beschäftigten nicht reduziert, sondern der Sektor ist nach wie vor eine Wachstumsbranche, und der Studienleiter Michael Grass betrachtet die Zukunftsaussichten als solide.

 

Die Krise der CS, ja gar ein Eingehen der Grossbank, habe er in der Studie nicht extra berücksichtigt, beantwortete er eine Frage des NZZ-Journalisten an der Medienorientierung. Trotzdem geht aus der Studie zweierlei hervor: Auch wenn die CS wie vorgesehen 2000 Arbeitsplätze in Zürich wegrationalisiert, wächst die Anzahl der Arbeitsplätze in der Finanzbranche eher, als dass sie abnimmt. Ein Verschwinden der CS bedeutet zudem nicht, dass die von ihr angebotenen Leistungen nicht mehr gefragt wären. Sie gingen einfach an andere Banken über, zum Teil auch im Finanzplatz Zürich. Selbstverständlich sagte Stadtpräsidentin Corine Mauch, dass ein Verschwinden der CS für die Stadt eine schwierige Situation wäre. Aber eine wirkliche Kata­strophe wäre es vermutlich nicht. Es ist derzeit eine Krise der CS und nicht des Finanzplatzes Zürich mit offenen Stellen. Was nicht bedeutet, dass es für viele CS-Angestellte mehr ein Schaden als eine Chance wäre. Bei aller Bedeutung des Finanzplatzes darf man nicht vergessen, dass 84 Prozent der Wertschöpfung der Region aus anderen Branchen kommen, wobei etliche an den 16 Prozent der Finanzindustrie hängen.

 

Luft nach oben

Die Banken stehen bei der Klimabewegung stark in der Kritik. Sie finanzieren sehr viele klimaschädliche Investitionen, die auch im Widerspruch zu den internationalen Abkommen wie jenem von Paris stehen. Immer mehr KundInnen verlangen, dass ihr Geld nachhaltig investiert wird. Nachhaltiges Anlegen, Sustinable Finance, liegt im Trend. Weil der Bundesrat, aber auch die politisch Verantwortlichen in Stadt und Kanton Zürich überzeugt sind, dass die Zukunft des Finanzplatzes im nachhaltigen Anlegen liegt, gaben Letztere den Auftrag, dies in der vorliegenden Studie speziell zu untersuchen. Das BAK Economics, das die Studie zusammen mit Sabine Döbeli, CEO des Verbandes Swiss Sustainable Finance erstellte, schrieb in einer Onlineumfrage gut 500 Finanzfirmen an, von denen 108 antworteten. Da wohl vor allem jene antworteten, die eher positiv eingestellt sind, kann man den Schluss ziehen, dass das Thema die Branche noch nicht wirklich durchdrungen hat.

 

Dazu kommt noch die Frage des Greenwashings. Wie viele der als nachhaltig verkauften Fonds etwa sind dies auch wirklich, und wie können die KundInnen dies überprüfen? Wertmässig existiert ein grosser Fortschritt: Waren 2016 noch 215 Milliarden Franken beim Finanzplatz Zürich als nachhaltig angelegt, stieg die Zahl 2021 auf 2000 Milliarden, wobei ein grosser Teil in Fonds angelegt wurde. Der Trend dürfte sich verstärken. Für den geplanten CO2-freien Umbau der Zürcher Wirtschaft werden in den nächsten Jahren alleine 400 Milliarden Franken benötigt.

 

Michael Grass stellte in der Studie fest, dass der Zürcher und der Schweizer Finanzplatz bei den nachhaltigen Anlagen international führend waren, nun aber zurückfallen. Das hängt sicher auch etwas damit zusammen, dass viele Institute das nachhaltige Anlegen weniger als Mittel sehen, Wirkung auf die Nachhaltigkeit zu erzielen, sondern es vor allem als Mittel der Kundenbindung und des Marketings betrachten. Sieben von zehn Befragten glauben, dass nachhaltige Finanzprodukte für das Image bedeutend sind, aber nur jedes zehnte Unternehmen beteiligt sich selber an der Netto-Null-Allianz. «Es hat noch Luft nach oben», führte Michael Grass aus, und Sabine Döbeli findet, dass es einheitlichere Standards braucht, auch damit die KundInnen überprüfen können, ob mit ihrem Geld wirklich nachhaltig investiert oder Greenwashing betrieben wurde. Carmen Walker Späh und Corine Mauch gaben sich optimistisch, dass sich das nachhaltige Anlegen durchsetzen wird. Sie sind gewillt, mit Monitoring und Konferenzen ihren Beitrag zu leisten. «Aber ohne die Privaten geht es nicht», führte Corine Mauch zum Schluss aus.

 

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