Nach den Sternen greifen

Zum Kampagnenauftakt lud das Initiativkomitee des bedingungslosen Grundeinkommens vergangenen Montag zur Medienkonferenz in Bern. Neben dem Kampagnenmaterial stellte das Komitee auch die Idee hinter dem Grundeinkommen vor.

 

Tobias Urech

 

John F. Kennedy präsentierte der Welt zu Beginn der Sechzigerjahre eine Vision. Nämlich die Vision einer Mondlandung der Vereinigten Staaten von Amerika am Ende der Dekade. Was viele für ein Ding der Unmöglichkeit hielten, wurde mit der Apollo-11-Mission im Jahr 1969 tatsächlich wahr. Der grosse Traum einer Nation hatte sich erfüllt und die SkeptikerInnen wurden eines Besseren belehrt. Als eine Art John F. Kennedy der Gegenwart sehen sich nach eigener Angabe die InitiantInnen des bedingungslosen Grundeinkommens. Vergangenen Montag veranstaltete das Initiativkomitee eine Medienkonferenz in Bern, wo es seine Anliegen der Öffentlichkeit präsentierte.

Die eher unbekannten Mitglieder des Komitees betonten, dass hinter dieser Initiative keine grosse Partei stecke, auch keine grosse Interessensvereinigung, sondern viele kleinere, regionale Gruppen, die sich für diese «grosse Idee» einsetzen würden. Schon vor zehn Jahren habe man die Idee lanciert und nun sei man endlich so weit, dass die Initiative im Juni zur Abstimmung kommt. Mitinitiant Christian Müller erklärte: «Meine Generation ist die erste in der Geschichte, die sich keine materiellen Sorgen zu machen braucht. Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Instrument, um die vorhandenen Chancen verantwortungsvoll in mehr Freiheit und Gerechtigkeit umzuwandeln.» Enno Schmidt, ein weiterer Initiant, nannte die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens einen Paradigmenwechsel. «Das bedingungslose Grundeinkommen lässt Glaubenssätze wanken. Das ist die Auseinandersetzung. Mit mehr Freiheit gibt es mehr Selbstverantwortung.»

 

Umdenken

Weitere InitiantInnen priesen das bedingungslose Grundeinkommen als Lösung für die von der Digitalisierung verursachten Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt. Daniel Hänni, Geschäftsführer des Unternehmens «mitte» in Basel, bezeichnete das bedingungslose Grundeinkommen als «humanistische Antwort auf den technologischen Fortschritt». Die Idee, allen Menschen ein Einkommen zu garantieren, welches das Überleben in der heutigen Zeit sichert, sei eigentlich urliberal. Anne-Béatrice Duparc, Mitglied des frankophonen Komitees «BIEN», sprach von der Wertschätzung unbezahlter Arbeit. Noch heute übernähmen Frauen die meisten Arbeiten im Zusammenhang mit der Familie – handle es sich nun um die Kinderbetreuung oder um die Pflege von Betagten. Durch das bedingungslose Grundeinkommen würden diese Arbeiten wohl in der Gesellschaft aufgewertet und mehr geschätzt werden, so die Vermutung der InitiantInnen.

Was, wenn niemand mehr arbeiten will, sobald die Initiative angenommen ist? Die InitiantInnen halten mit einer Umfrage gegen die Annahme des kollektiven Müssiggangs: Nur ein Zehntel der Befragten würde aufhören zu arbeiten. Dafür würden sich allerdings viele Leute Zeit nehmen für eine Weiterbildung oder für die Familie. Die InitiantInnen propagieren einen Systemwechsel. Sie wünschen sich eine Schweiz, die ausnahmsweise vorangeht und der internationalen Gemeinschaft eine neue Idee vorlebt.

 

Finanzierung

Weniger optimistisch sind die bislang ungeklärten Fragen der Finanzierung. Zwar habe mittlerweile auch das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) das Grundeinkommen neu durchgerechnet. Geht man von einem Grundeinkommen von 2500 Franken pro Monat aus, so ergibt sich laut BSV ein ungedeckter Betrag von 25 Milliarden Franken pro Jahr. Dieser Wert unterscheidet sich wesentlich von den jährlich ungedeckten 153 Milliarden Franken, von denen der Bundesrat ursprünglich ausgegangen ist. Dass man jetzt von einem viel kleineren Betrag ausgeht, hat vor allem damit zu tun, dass AHV und IV neu ebenfalls bei der Finanzierung des Grundeinkommens eingerechnet sind. Die InitiantInnen zeigten sich zuversichtlich, dass sich die 25 Milliarden Franken finanzieren lassen. Einerseits rechnen sie mit Einsparungen bei der Vereinfachung des Sozialwesens von einer Milliarde Franken und zusätzlich möchten sie eine Mikro-Steuer auf Geldtransaktionen einführen, die im einzelnen zwar kaum ins Gewicht fallen, dafür durch die grosse Menge an Transaktionen viel Geld in die Staatskasse spülen sollte. Das bedingungslose Grundeinkommen sei finanzierbar, weil ja bereits heute die meisten Menschen in der Schweiz ein Einkommen haben – das Geld sei vorhanden. Bei den ungedeckten 25 Milliarden handle es sich lediglich um die Einkommen der Kinder und der PartnerInnen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgingen.

Trotz aller Zuversicht betreffs Finanzierung haben die Mitglieder des Komitees selbst noch keine konkrete Vorstellung, wie diese genau aussieht. Zwar wünschen sie sich ein Grundeinkommen von 2500 Franken, doch das letzte Wort habe immer noch das Volk. Denn die Abstimmung über die Volksinitiative im Juni sei nur eine von vielen, würde das Grundeinkommen angenommen werden. Dementsprechend offen haben die InitiantInnen auch den Verfassungsartikel formuliert: «Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen. Das Gesetz regelt insbesondere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens.» Es sei also Sache der Parlaments, die Detailfragen zu klären und allenfalls wieder vors Volk zu bringen, würde denn das Referendum ergriffen werden.

Darüber, wer das Grundeinkommen erhalten soll, waren sich die Komiteemitglieder wiederum einig. Alle in der Schweiz wohnhaften Personen würden das Grundeinkommen erhalten – schliesslich sei es ja bedingungslos. Doch ergebe sich dadurch nicht eine unkontrollierbare Immigration in die Schweiz? Enno Schmidt verneint: «Die Schweiz ist bereits heute ein Land mit einer hohen Einwanderungsschwelle.» Zudem halte die Systemgrenze wohl viel Menschen davon ab, in die Schweiz zu ziehen. Das Ziel sei vielmehr, dass sich das System in andere Länder ausbreitet und sich die Schweiz als Lösungsanbieterin präsentiert.

 

Utopie

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Die InitiantInnen greifen mit ihrer Utopie einer postdigitalen Gesellschaft nach den Sternen und es ist bald klar, dass es ihnen vor allem darum geht, die Bevölkerung wenn nicht zum Umdenken, dann doch wenigstens zum Nachdenken zu bringen. Sie selbst glauben kaum an eine Annahme der Initiative – auch weil es aus dem linken Lager viele kritische Stimmen gibt. Doch die Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen ist ins Rollen gekommen; das Medienecho ist gross und die Stimmen der BefürworterInnen sind mindestens genauso laut wie die Stimmen der SkeptikerInnen. Doch ob und wann es zur Mondlandung kommt, steht bislang in den Sternen.

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