- Kultur
Möchtegern schüchterne Broadway-Vampirin
Dem aktuell dominierenden Trend vom Karren gefallen zu sein, ist für die Mittdreissigerin Jane Mumford überhaupt keine schockierende Erfahrung, sondern die blosse logische Fortführung eines lebenslangen Daseinsgefühls. In den Nullerjahren war es das Coolsein, mit dem sie sich vergeblich abmühte. Ihr Coming-Out als Goth – für die 50-Jährigen: Gruftie, für die 40-Jährigen: Emo und für die 20-Jährigen: «was macht ihr überhaupt hier?» – hingegen war ein ähnlich erschütterndes Erlebnis wie als Zombiefilmgeschulte die erste Totenwache zu halten. Aufgewachsen mit einer Mutter, die eine Chipstüte aufreissen für kochen hielt und einem Vater, der grenzwertige Spitzen britischen Humors so sicher nicht gesagt hat (er spricht kein Deutsch), schlich klein Jane als Randexistenz einer Unverstandenen durch ihre Schulplatzjahre und entwickelte zur Hauptsache zwei wahrlich ausgeprägte Talente: Eine extreme Schüchternheit und dank Gene Kelly eine manische Begeisterung für den Steptanz. Es ist deshalb auch klar, weshalb kein Rockstar aus ihr wurde. Ihr fehlte eindeutig das Rolemodel. Oder kennt jemand die grössten Loser aus dem alten Ägypten, deren unterirdischen Pannenabfolgeleben die oral history bis heute prägen? Eben. Also schloss sie sich – analogem Telefonzugang zum Internet und einer grossen physischen Bibliothek sei Dank – während fünf Jahren in ihrem Zimmer ein und kam mit 16 zum Schluss: «Niemand versteht uns. Niemand, der noch lebt.» Erste Versuche des amourösen Anbandelns missglückten an ihrem Hang zum Getränkeverschütten. Weitere Versuche scheiterten am Umstand, dass sie «nicht das Beuteschema ihres Beuteschemas» war. Dummerweise in all der von aussen besehen hochgradig belustigend wirkenden Lebensrückblende nie vollends unter die Räder gekommen ist bei ihr der Anspruch. An den potenziellen Partner, an die mehrfach ineinander verschachtelte Wesensreflektion, an die Freiheit einer lustbetonten Selbstbestimmtheit. Aber statt sich auf Konfrontation auszurichten, wie dies einer Amazone etwa in den Sinn käme, schlängelt sie sich weiterhin im Halbdunkel des Bühnenrands durchs Leben, bestellt eine Rückzugsortsublimation mit falschen Massen, liebt Vampire, Zombiefilme, nächtliche Friedhofsbesuche, aber fürchtet sich zugleich ungemein vor dem Tod. Die Mischung indes scheint insgesamt gar nicht so verquirlt, wie sie ihrem Publikum weiszumachen versucht, denn ein Überlebenskonzept als gutgelaunter Goth ist dem eines depressiven Hipsters noch immer um Längen vorzuziehen. Sagt sie und zieht steppend ins Fadeout.
Jane Mumford: «Leben!», 7.12., Millers, Zürich.