- Mobilität
Metrovision gegen verkehrsplanerischen Tunnelblick
Gefühlt einmal pro Woche, stets zu Stosszeiten, platzt das Autoaufkommen an der Forchstrasse aus den Nähten und ein Fahrzeug kollidiert mit der Forchbahn oder dem 11er-Tram. Mit der Folge, dass sich Automobilisten und öV-Benutzerinnen (wortwörtlich) im Schritttempo weiter Richtung Arbeitsplatz bewegen, bis die Unfallstelle geräumt und der Ersatzbus im Einsatz ist. Eine Besserung der Situation ist nicht in Sicht, im Gegenteil: Ab Herbst 2024 wird das Kinderspital in der Lengg für noch mehr Arbeitsplätze im Quartier sorgen. Und die 750-Millionen-Neueröffnung ist erst der Anfang des Wachstumsschubs, den die Spitallandschaft von Riesbach bis Witikon in den nächsten Jahren erleben wird: Bis 2040 strebt der Kanton eine Erweiterung des ‹Gesundheitsclusters› von 80 Prozent an. Berechtigt also die Sorge der ansässigen Bevölkerung, dass die eh schon autoverkalkte Verkehrsader Forchstrasse dem stetig wachsenden Verkehrsaufkommen bald nicht mehr gewachsen ist – trotz der neuen Buslinie 99 von Zollikon ins Balgrist, trotz neuer Stosszeit-Tramlinie auf der Forchstrasse ab 2026. Und: Eine Plafonierung des motorisierten Individualverkehrs auf 11 600 tägliche Fahrten durch den Kantonsrat droht, den öV noch zusätzlich zu belasten.
Mut zum Quantensprung
Höchste Zeit also, «sich belastbare Zukunftsgedanken zu machen», wie es in einem gemeinsamen Schreiben der Quartiervereine Hirslanden, Riesbach und Witikon vom 16 Mai heisst. Die vorgestellten Zukunftsgedanken sind nicht nur belastbar, sondern auch kreativ: Eine Metro soll die Verkehrsverstopfung lindern – nach Lausanneschem Vorbild, tangential zur Forchstrasse mehrheitlich unterirdisch vom Bahnhof Tiefenbrunnen Richtung Witikon (weil das Verkehrsaufkommen im boomenden Quartier ähnlich wie in der Forchstrasse die Kapazität des Nadelöhrs Schlyfi/Witikerstrasse zu sprengen droht) kraxelnd, mit Zwischenstops in der Epiklinik, dem Kinderspital und im Balgrist – zum Beispiel. Noch ist die Lengg-Metro erst Ideenskizze. «Recht freihändig», aber «mit Verkehrsplanern erarbeitet», fasst Urs Frey, Präsident des Quartiervereins Riesbach, zusammen. Einige der – ebenso freihändigen – Eckdaten: Rund 3 Kilometer Länge, 200 Höhenmeter, 300 Passagiere pro Zug, 15 Minuten Fahrzeit, erschliesst rund 11 000 Arbeitsplätze. Kostenpunkt: Ein gutes Stück mehr eine halbe Milliarde Franken. Finanzierung, Bauzeit etc. werden in der Skizze nicht erwähnt, das ist aber auch nicht ihre Aufgabe. Sie soll einzig die Idee lancieren: «Die Zeit für einen Quantensprung ist jetzt», sagt Frey. Die Stadt müsse aufhören, in denselben Bahnen (oder Gleisen?) wie immer zu denken. Und so fordern die drei Quartiervereine in der Medienmitteilung von der Stadt, dass sie auf Basis der Ideenskizze eine Machbarkeitsstudie zur unterirdischen Erschliessung des Gesundheitsclusters durchführe.
Ins Rollen gekommen
Der Zeitpunkt passt eigentlich gut: Mit dem Bau des zweiten Riesbachtunnels plant die SBB, um 2035 eine vierte S-Bahn-Linie dem rechten Seeufer entlang fahren zu lassen und damit verbunden möglicherweise den Ausbau des Bahnhofs Tiefenbrunnen – da würde sich die Anbindung der Lengg per Metro anbieten. Von der im regionalen Richtplan von 2023 vorgeschlagenen Seilbahn als mögliche Alternative zur Metro hält Frey derweil wenig. Er verweist auf die Zooseilbahn in Zürich als Beispiel für die mangelnde Realisierbarkeit solcher Projekte in der Stadt.
Zumindest ein erstes Stück ist die Metro-Idee ins Rollen gekommen: Ein Postulat von Grünen mit der Aufforderung an die Stadt, «einen Bericht zu erstatten, wie das Spitalgebiet Lengg langfristig durch den ÖV gut erschlossen werden kann», das Balz Bürgisser (Grüne), Jürg Rauser (Grüne) und Ann-Catherine Nabholz (GLP) im April eingereicht haben, wurde am Mittwoch im Gemeinderat als Vorstoss ohne Diskussion behandelt und – erwartungsgemäss – mit einem Ablehnungsantrag seitens SVP quittiert.