- Im Kino
#MeToo
Es war das erste Vorstellungsgespräch der hartnäckigen Politjournalistin Shiori Ito für den Korrespondentinnenposten in Washington D.C. für das Tokyoter Broadcasting System. Ihr Vis-à-vis, Noriyuki Yamaguchi, gilt beruflich als Koryphäe und ist ein Intimus und der Biograf des damaligen Premierministers Shinzo Abe. Das Setting war mit einem Abendessen zu zweit ungewöhnlich privat. Heftige Unterleibsschmerzen sind das einzig tatsächlich Greifbare, als sie sich im Morgengrauen benommen und mit erheblichen Erinnerungslücken aus einem Hotel auf die Strasse rettet.
«Black Box Diaries» ist das Filmtagebuch ihrer zuletzt langjährigen Anstrengung, diese Vergewaltigung bei der Polizei überhaupt anzeigen zu können, einen Prozess anzustreben und die kraftraubenden äusseren Widerstände durch die öffentliche Meinung und die Omnipotenz ihres Peinigers überhaupt zu bewältigen. Noch heftiger wird und wirkt der Film, weil Shiori Ito ihr intimstes Innerstes nach aussen hin kehrt und die sie konstant plagenden Selbstzweifel, die sie überwältigende Ohnmacht als noch eindringlicher wirkende innere Widerstände genauso schonungslos thematisiert. «Müsste ich mich selbst als Opfer sehen, würde ich das psychisch nicht verkraften», sagt sie während der Pressekonferenz der Veröffentlichung ihrer Anklage, und es wird sämtliche ihrer Kräfte über alle Massen strapazieren, bis ein erstinstanzliches Urteil erwirkt sein wird.
Um nicht allen Halt komplett zu verlieren, klammert sie sich an ihre Fähigkeit ihres professionellen Vorgehens bei der ihr vertrauten Investigativrecherche und ackert profund sämtliche Quellen, Zeugen, Ämter ab, um darüber nicht allein ihr individuelles Erleben aufzuarbeiten, sondern um zugleich die, was die Rechte der Frau anbelangt, überaus rückständige japanische Gesetzeslage ihrer untauglichen Realitätsfremde zu überführen, anzuprangern und eine Veränderung herbeizuführen. Ein schier übermenschlicher Kraftakt.
«Black Box Diaries» spielt im Kino Houdini.