«Mehr Mut, klar Farbe zu bekennen»

Kantonsrätin Karin Fehr Thoma kandidiert in Uster, wo es erst seit 2004 eine Ortspartei der Grünen gibt, für den Stadtrat. Warum es dort «mehr Grün» braucht, erklärt sie im Gespräch mit Nicole Soland.

 

Die Grünen Uster sind eine eher kleine Partei mit entsprechendem WählerInnenanteil. Angesichts dessen gleich einen Stadtratssitz anzupeilen, wirkt doch recht selbstbewusst.

Karin Fehr Thoma: Unsere Waldinitiative haben am 4. März 57,8 Prozent der Stimmberechtigten angenommen. Damit konnten wir verhindern, dass im Näniker Hardwald ein Waldgebiet der Stadt im Umfang von 24 Hektaren – einer Fläche von 34 Fussballfeldern – für den Kiesabbau abgeholzt wird. Wir Grünen waren notabene die einzige Partei, die sich dafür einsetzte, dass der Wald erhalten bleibt. Deshalb ist für mich klar, dass es auch die Stimme der Grünen im Stadtrat braucht.

 

Und was soll Ihre Stimme dort konkret bewirken?

Nehmen wir das Beispiel Klimawandel: Dieser Herausforderung muss sich auch die Stadt Uster stellen. Dies insbesondere, weil sie stark wächst und noch weiter wachsen wird. Umso wichtiger wird es, Naherholungsräume zu erhalten, mehr Grünraum in der Stadt zu schaffen und die städtische Mobilität möglichst umweltverträglich zu gestalten. Ich als Grüne kann einen guten Beitrag daran leisten, dass die Stadt noch stärker ökologisch verträglich weiterentwickelt wird.

 

Ganz schlimm steht es also nicht in Uster, etwas Grün ist vorhanden?

Stimmt, Uster ist diesbezüglich weiter als andere Städte. Wir haben einen Stadtpark, und ein Grün- und Freiraumkonzept wird zurzeit entwickelt. Ich komme aus Wetzikon und lebe seit fünf Jahren in Uster, deshalb stechen mir die Fortschritte ins Auge, die Uster im Vergleich mit Wetzikon vorzuweisen hat. Ein neues Konzept allein reicht jedoch nicht: Es braucht auch den politischen Willen, das Konzept umzusetzen, also auch mehr Mut, klar Farbe zu bekennen.

 

Die Grün- und Freiräume sind kaum das einzige Thema, mit dem sich die Stadt Uster befassen muss.

Natürlich nicht. Für mich nimmt die Finanzpolitik eine wichtige Stellung ein. Für das, was Uster bietet, haben wir einen sehr moderaten Steuerfuss, doch es stehen grössere Investitionen an, und die Verschuldung der Stadt Uster nimmt gemäss stadträtlichem Finanzplan massiv zu. Wenn uns die hohe Lebensqualität etwas wert ist, müssen wir zu einer vernünftigen, verantwortungsvollen Finanz- und Steuerpolitik kommen, anstatt einfach immer mehr Schulden zu machen: Wenn wir die Stadt im Sinne der Bevölkerung als sozial durchmischte Stadt weiterentwickeln wollen, werden wir um eine gewisse Steuererhöhung nicht herumkommen.

 

 

Welche grossen Investitionen stehen denn an? Schulhäuser?

Das Schulhaus «Krämeracker» befindet sich aktuell im Bau. Ebenso wird im Moment die Werkliegenschaft saniert und eine neue Hauptsammelstelle wird geplant. Zudem erfordert das auf dem Zeughausareal vorgesehene Kulturzentrum eine beträchtliche, aber absolut notwendige Investition. Wir haben in Uster aber auch weiterhin steigende Schüler-Innenzahlen, sprich Ausgaben, die wir nicht beeinflussen können. Die Schule ist für mich der letzte Ort, an dem ich sparen würde. Auch Tagesschulen sind ein Thema, wobei für mich qualitativ gute Tagesschulen eine Investition sind, die durchaus etwas kosten darf. Mir ist es jedoch ein zentrales Anliegen, dass wir nachfolgenden Generationen nicht einfach die Schulden aufbürden, die wir jetzt machen.

 

Die nachfolgenden Generationen profitieren doch auch, vom Schulraum zum Beispiel.

Sicher, doch ich finde es nicht fair, wenn sie derart hohe Schulden tragen müssen. Die Stadt hat zurzeit schlicht kein genügendes finanzielles Polster mehr, um alle anstehenden Investitionen finanzieren zu können. Hier muss man klarer als bis anhin sagen, ja, wir wollen uns diese Investitionen im Sinne einer Stadt mit hoher Lebensqualität und guter sozialer Durchmischung leisten, aber sie haben ihren Preis. Kommt hinzu, dass die Stadt Uster – wie alle andern Gemeinden auch – etwa 80 bis 85 Prozent ihrer Ausgaben gar nicht beeinflussen kann, da sie aufgrund übergeordneten Rechts getätigt werden müssen.

 

Ein weniger brennendes Thema als in Zürich scheint das Wohnen zu sein: Die Volksinitiative der Grünen, «bezahlbar und ökologisch wohnen», ging bachab.

Sie erhielt immerhin 42 Prozent Ja-Stimmen. Das Thema bezahlbare Wohnungen bleibt in Uster weiterhin aktuell. Hier hat man in den letzten Jahren viel gemacht, um Gutverdienende anzulocken. Das ist gelungen – und die Bevölkerungszusammensetzung ist, nebenbei gesagt, einer der Hauptgründe für die tiefe Sozialhilfequote der Stadt. Doch wir brauchen mehr gemeinnützigen Wohnraum. Den tiefen Anteil an Genossenschaftswohnungen von derzeit sieben, acht Prozent möchten wir erhöhen. Der nächste Schritt sind Planungszonen, in denen ein Anteil preisgünstige Wohnungen festgelegt wird, und dafür wäre eine rot-grüne Mehrheit im Stadtrat wichtig. Ebenso, wenn es darum geht, in Gestaltungsplänen einen bestimmten Anteil an gemeinnützigem Wohnungsbau festzuschreiben. Zudem braucht es auch bezahlbaren Gewerbe- und Kulturraum: Die Kulturszene ist einer der Trümpfe der Stadt Uster, doch was die städtische Kulturförderung betrifft, hat es noch Luft nach oben. Wir setzen uns dafür ein, dass die Ustermer-Innen, wenn schon nicht alle vor Ort arbeiten können, mindestens vor Ort ihre Freizeit verbringen – und dafür ist ein gutes Kulturangebot entscheidend.

 

Die SP hat an zwei Sammeltagen über 600 Unterschriften für ihre Veloinitiative gesammelt: Für mehr «grüne Mobilität» scheint bereits gesorgt zu sein.

Das Bewusstsein für die Förderung des Langsamverkehrs steigt in Uster kontinuierlich an. Ein beträchtlicher Teil des motorisierten Verkehrs ist in Uster ja hausgemacht, auch wenn die Leute das nicht gerne hören. Das ist insofern schade, als Uster als Velostadt prädes-tiniert wäre. Mit einer rot-grünen Mehrheit im Stadtrat würde deren Verwirklichung auf jeden Fall näher rücken.

 

Wir Grünen wünschen uns aber auch eine wesentlich aktivere und nachhaltigere Bodenpolitik für Uster. Deswegen haben wir für diesen Wahlkampf die Bodeninitiative lanciert. Eine rot-grüne Mehrheit im Stadtrat sowie eine starke links-grüne Vertretung im Gemeinderat würde eine solche ebenfalls stark beflügeln.

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