Mehr als ein Päckli

Einsamkeit, Kälte und Elend – für Menschen am Rande der Gesellschaft wird die Weihnachtszeit oftmals zum bedrückenden Ereignis. Der Verein «Njira» will Licht in diese dunklen Tage bringen. Co-Initiantin Sabrina Göldi erklärt im Gespräch Fabienne Grimm, wieso sie sich auch von der Corona-Pandemie nicht unterkriegen lassen.

 

Sabrina Göldi, vor vier Jahren haben Sie die «Weihnachtspäckliaktion» ins Leben gerufen. Wie kam es dazu?

Sabrina Göldi: Ich arbeitete damals mit Menschen zusammen, die am Rande unserer Gesellschaft leben. Als Weihnachten näher rückte, wollte ich diesen Menschen gerne eine Freude machen. Ich habe darauf mein Umfeld mobilisiert und nach Leuten gesucht, die bei einer Päckliaktion mitmachen. Das hat unglaublich gut funktioniert. Es kamen insgesamt 150 Geschenke zusammen. Da habe ich gemerkt, dass das Bedürfnis nach einer solchen Aktion in unserer Gesellschaft besteht. Nicht nur die Beschenkten haben Freude, sondern auch die Schenkenden. In den nächsten Jahren habe ich dann zusammen mit drei MitstudentInnen die Aktion weitergeführt und über Aushänge in Unis Päckli gesammelt. 2019 konnten wir so bereits 1000 Geschenke verteilen.

 

An wen werden die Geschenke verteilt?

Die Geschenke gehen an Menschen, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden und die von unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden – Obdachlose, Sexarbeiter­Innen, Geflüchtete, Suchtkranke, etc. Die Verteilung der Geschenke erfolgt über verschiedene Institutionen, wie Asylzentren, Notunterkünfte und Bordelle. Unsere rund 50 HelferInnen holen die Päckli bei uns ab und bringen sie dann bei unseren Partnerinstitutionen vorbei. Wir als OrganisatorInnen bleiben dabei eigentlich im Hintergrund. Der Fokus soll nicht auf uns liegen. Das ist uns wichtig.

 

Gibt es Vorgaben für den Inhalt der Geschenke?

Ja, den Inhalt der Geschenke geben wir jeweils vor: ein Paar Socken, zwei Hygieneartikel und ein Paar Handschuhe. Dadurch vermeiden wir, dass es zu Eifersucht unter den Beschenkten kommt. Wir sind aber immer wieder überrascht, wie individuell die Geschenke dann doch sind. Ausserdem haben wir in den letzten Jahren gemerkt, dass der Inhalt der Päckli gar nicht so eine grosse Rolle spielt. Viel wichtiger ist die Geste an und für sich und die Message, die man damit vermittelt. Mit den Päckli sagen wir als Gesellschaft: Wir denken an euch!

 

Packen Sie die Päckli ein, oder ist dies Aufgabe der SpenderInnen?

Am besten ist es, wenn die Geschenke fertig eingepackt bei uns ankommen. Wir müssen einfach wissen, ob der Inhalt für einen Mann oder eine Frau gedacht ist. Dafür schreibt man einfach ein M für «maskulin», ein F für «feminin» oder ein N für «neu­tral» auf das Päckli.

 

Die Sammelaktion läuft seit gut einer Woche. Sind bereits genügend Päckli zusammengekommen?

Leider war in es in diesem Jahr schwieriger als sonst. Bisher erreichten wir die Menschen vor allem über Aushänge an Unis. Dieses Jahr waren aufgrund der Corona-Pandemie viel weniger StudentInnen regelmässig in den Unigebäuden. Deshalb fehlen uns noch immer ziemlich viele Päckli. Wir hoffen aber, dass wir bis zum Ende der Sammlung genügend Geschenke beisammenhaben werden.

 

Sie erwähnten die Corona-Pandemie. Am 24. Dezember organisieren Sie jeweils eine Gassenweihnacht. Wie sieht es dieses Jahr aus? Macht Ihnen das Virus einen Strich durch die Rechnung?

Wir wollen auf jeden Fall irgendetwas machen! Gerade in diesem schwierigen Jahr ist es wichtig, für die Menschen da zu sein. Die Weihnachtszeit ist für Menschen am Rande der Gesellschaft oftmals sehr bedrückend. Viele von ihnen sind allein und fühlen sich einsam. Das wollen wir ändern. Mit der Weihnachtspäckliaktion und der Gassenweihnacht wollen wir für die Menschen ein Sternenschein in diesen dunklen Tagen sein.

 

Gleich wie im Vorjahr wird es aber wohl nicht sein, oder?

Natürlich müssen wir uns der Situation anpassen. Wir sind gerade dabei, ein Schutzkonzept zu erarbeiten. Auf das Singen von Weihnachtsliedern werden wir wohl oder übel verzichten müssen. Musik wird es aber dennoch geben. Wir haben z.B. vor, Geige und Gitarre zu spielen. Wie die Gassenweihnacht dieses Jahr im Detail aussehen wird, können wir aber noch nicht sagen.

 

Seit März 2020 sind die Weihnachtspäckliaktion und die Gassenweihnacht in den Verein Njira eingegliedert. Welche Projekte werden sonst noch durch den Verein organisiert?

Wir bieten auch Einzelbegleitungen für Menschen in schwierigen Lebenssituationen an. Ein Bereich der Einzelbegleitungen ist der HelferInnenpool. Sucht man z.B. jemanden, der einem beim Umzug hilft, wird man hier fündig. Der andere Bereich ist die Bezugspersonenarbeit. Hier begleitet ein Helfer oder eine Helferin einen Menschen langfristig und hilft bei der Verwirklichung bestimmter Ziele. Oftmals entwickelt sich bei der Bezugspersonenarbeit ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Beteiligten. 

 

Päckli können noch bis am 17. Dezember an folgende
Adresse geschickt oder direkt dort abgegeben werden: Verein Njira, Rotwandstrasse 35, 8004 Zürich. Weitere
Informationen unter www.njira.org

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