Medienkritiker aus dem Proletariat

16 turbulente Jahre vertrat Daniel Römer als Präsident der Vereinigung für kritische Mediennutzung «Arbus» die Interessen von MedienkonsumentInnen. Jetzt ist für den Radioliebhaber Schluss. Tim Haag hat mit ihm über die proletarischen Ursprünge des Vereins, die Abschaltung des Landessenders Beromünster und den Siegeszug des Internets gesprochen. 

 

Tim Haag

 

Nach dem Ersten Weltkrieg setzte ein neues Massenmedium zum Höhenflug an: Das Radio. Die ersten Radioempfangsgeräte waren jedoch für weite Bevölkerungskreise unerschwinglich. Dem schuf eine Vereinigung von ArbeiterInnen aus Zürich, Basel, Winterthur, St. Gallen und Rorschach Abhilfe, indem sie die Empfänger kurzerhand selber zusammenbaute – der Arbeiter-Radiobund war geboren. Vornehmlich von RadiobastlerInnen gegründet, war für die Arbus-Mitglieder von Anfang an klar, dass die Organisation sich nicht nur um die technische Seite des Radios zu kümmern hatte, sondern auch um das Programm: So stellte man in den späten 1930er-Jahren besorgt fest, dass vermehrt auch in der Schweiz Sendungen aus Hitlerdeutschland gehört wurden und forderte von der Schweizerischen Rundspruchgesellschaft im «Kampf gegen Propagandagift» mehr volkstümliche Radioprogramme, aber auch mehr Nachrichten. 

 

Und was macht der Arbus eigentlich heute?

Daniel Römer: Heute konzentrieren wir uns nicht mehr nur auf das Radio, sondern lassen uns über alle Medien aus. In den letzten Jahren haben wir uns darauf fokussiert, an den Vernehmlassungen des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom) mitzuarbeiten, oder wir haben bei Gesetzesänderungen die Position der Konsumentinnen und Konsumenten vertreten, zum Beispiel bei der anstehenden Umstellung von UKW zu DAB. Und unsere zweite Kernaufgabe ist, KonsumentInnen im stetig unübersichtlicher werdenden Mediendschungel Orientierung zu bieten und kritisch zu beleuchten, was in diesem Dschungel passiert. 

 

Alles in allem klingt das so, als würde man beim Arbus heute kleinere Brötchen backen als früher. 

Zugegebenermassen: Unsere Vorgänger waren einiges einflussreicher und aktiver, als wir es heute sind. Das ist einerseits mangelnden Ressourcen geschuldet, andererseits liegt es daran, dass meine KollegInnen im Vorstand und ich wohl zu sehr auf das Radio eingeschossen sind. Uns hat die Übermacht der neuen Medien, die sich in den letzten 20 Jahren etabliert haben, schlichtweg überfordert.

 

Nicht freundlich gesinnt

Auch dem Fernsehen, dessen Versuchsbetrieb in der Schweiz in den 1950er-Jahren mit Radiokonzessionsgeldern finanziert wurde, war der Arbus anfangs nicht freundlich gesinnt: «Kein Radiofranken für das Fernsehen», lautete der Kampfspruch, mit dem sich der Verband erfolgreich gegen einen ersten Radio- und Fernsehverfassungsartikel wehrte. Man war sich sicher: Radiogelder fürs Fernsehen, dieses Freizeitvergnügen für Reiche, bedeuteten eine Schwächung des Radios, des Massenmediums der Arbeiterschaft. Der Fernsehboom übertraf die pessimistischen Erwartungen des Arbus aber bei Weitem, und bald gab es aus dem Einnahmenüberschuss Fernsehfranken fürs Radio – nicht umgekehrt.

 

Nach 16 Jahren geben Sie ihr Amt als Arbus-Präsident ab. Welche Entwicklungen haben Sie in dieser Zeit am meisten geprägt?

Am Anfang meiner Präsi-Zeit war das die Abschaltung des Landessenders Beromünster. Dieser Turm hatte aufgrund seiner wichtigen Rolle während des Zweiten Weltkriegs eine grosse Bedeutung für uns Radioenthusiasten. Als er Ende 2008 abgeschaltet wurde, war das für mich kein leichter Moment. Viel aktueller ist aber die Entwicklung, dass das Internet mittlerweile nicht mehr aus unseren Köpfen oder Hosentaschen wegzudenken ist. Es ist unglaublich schnell zum Hauptmedium der Gesellschaft geworden. 

 

Was halten Sie davon?

Ich finde das Internet super. Der Einfluss, den das Internet auf andere Medien haben kann, stört mich aber zum Teil sehr. Das Radioprogramm beispielsweise, sei es beim Deutschlandfunk oder der SRG, besteht bald nur noch aus einer Aneinanderreihung von Podcasts. Eine weitere, für uns als Arbus störende Veränderung der letzten Jahre ist, dass nach und nach Redaktionen zusammengelegt werden. Ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass es bei der SRG weiterhin eine Trennung zwischen Radio- und Fernsehredaktion gibt und dass in Zukunft nicht nur noch ein SRG-Einheitsbrei auf allen Kanälen zu empfangen ist. 

 

Propagandainstrument?

Im Lauf der Jahre fanden die Vertreter der Arbeiterschaft einen besseren Zugang zu den SRG-Organen: So produzierte beispielsweise das Studio Bern in Zusammenarbeit mit dem Arbus eine Radiosendung zum 1. Mai, in der die gewerkschaftlichen Redner an der Maifeier zu hören waren – sehr zum Missfallen der Bürgerlichen: «Radio Beromünster – ein sozialdemokratisches Propagandainstrument?», titelte daraufhin eine bürgerliche Zeitung. Infolge der Kritik drohte die SRG-Führung in Sachen 1.-Mai-Berichterstattug zurückzukrebsen – dank einer Intervention des Arbus blieb die Sendung aber im Programm. 

 

Wo muss der Radiobund in Zukunft intervenieren?

Schon ziemlich bald werden wir uns mit der – unserer Meinung nach unsäglichen – 200-Franken-sind-genug-Initiative befassen müssen. Diese Initiative hat einzig zum Ziel, die SRG zu schwächen, und deshalb müssen wir sie so laut wie möglich bekämpfen. Spannend ist hier die Frage, wie wir den neuen Medienminister Albert Rösti bei der SRG-Frage begleiten können.

 

Wieso braucht es überhaupt eine starke SRG?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich bloss die Fernseh- und Radiosender aus Ländern anschauen, in denen es keine gebührenfinanzierten Angebote gibt. Die Medien dort sind meiner Meinung nach schlichtweg unbrauchbar. 

 

Sie suchen momentan eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger – welche Anforderungen haben Sie an die neue Präsidentin, den neuen Präsidenten?

Der neue Präsident oder die neue Präsidentin muss mindestens eine Generation jünger sein als ich und im Gegensatz zu mir und dem Rest des Vorstands schon mit dem Internet aufgewachsen sein. Er oder sie soll aber auch wissen, dass es neben der jungen Generation noch immer uns Ältere gibt, die einen anderen Umgang mit Medien haben.

 

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