- Im Kino
Medea
Nur drei Jahre nach der Oscar-Nomination für ihren Kurzfilm «A la Kachuu» über die Tradition der Brautentführung in Kirgisistan legt Maria Brendle mit «Friedas Fall» eine Erzählung über ein lokalhistorisch relevantes Unrecht an Frauen nach. Die Thurgauerin Frieda Keller (Julia Buchmann) wird nach der vorletzten Jahrhundertwende in St. Gallen der vorsätzlichen Kindstötung angeklagt und ist sofort geständig. Frei nach einem Roman von Michèle Minelli (Drehbuchmitarbeit) entwickelt der Film einen raffinierten Spannungsbogen vom Erstreflex eines Schocks durch die verübte Tat über eine tröpfchenweise einfliessende Ausmalung der Tragweite der faktischen Rechtlosigkeit einer Frau bis hin zu einer schrecklich traurigen, aber angesichts der Verhältnisse empfindsam wirkenden mütterlichen Schutzhandlung. Dem Unvermögen der Männerdominanz, in Jurisprudenz, Politik und in den Medien diese Tat in einem grösseren Zusammenhang von Friedas Elend einer Mutterschaft durch Schändung und folgender sozialer Ächtung für beide ansehen zu können, stellt der Film zwei starke Frauenfiguren in Nebenrollen entgegen, deren insgeheim auf ihre Ehemänner ausgeübte Einfluss nicht überschätzt werden kann. Erna Gmür (Rachel Braunschweig) als Gattin des Staatsanwalts und die frisch mit dem Anwalt vermählte Gesine Janggen (Marlene Tanczik) sind es, die mit Infragestellungen und Parteinahme die Selbstsicherheit ihrer Ehemänner und ihre selbstgefällige Eindeutigkeit in der Einschätzung der Tragweite von Tat und Strafmass ins Wanken bringen. Aus diesem Blickwinkel ist deren Engagement, Frieda Keller müsse unbedingt ein Gnadengesuch an den Grossrat richten, nach der Verurteilung zum Tode durch die Guillotine als Schuldeingeständnis einer zu späten und zu halbherzigen Einsicht zu werten. Derweil die breite Bevölkerung viel schneller viel weiter bei der Anerkennung von gesellschaftlicher Veränderung war und für Fortschritt protestierte.
«Friedas Fall» spielt in den Kinos Arena,
Le Paris.