Marken-MurX reloaded

von Markus Ernst Müller

 

Haben Sie den ‹Magazin›-Artikel über die DatensammlerInnen von Cambridge Analytica gelesen, die sowohl den Brexit wie Donald Trump über die Hürden der Demokratie gehievt haben wollen? Ich auch. Und haben Sie sich aufgeregt? Ich auch. Über einen kleinen, unscheinbaren Satz, der mein Weltbild zunderobsi brachte: «Die Feinkörnigkeit der Anpassung geht hinunter bis zu Kleinstgruppen, erklärt Nix im Gespräch mit ‹Das Magazin›.»

Noch im Januar 2009 lobte ich an dieser Stelle ebendieses ‹Magazin› dafür, dass wir die in ihm publizierten Texte nicht in ‹Das Magazin›, sondern grammatisch korrekt und flüssig lesbar im ‹Magazin› lesen durften. Und jetzt das. Brechen nun auch die letzten MohikanerInnen des gepflegten Sprachgebrauchs ein? Ich meine, hier sind nicht irgendwelche schriftunkundigen GelegenheitskommentatorInnen am Werk, sondern eine professionelle, qualifizierte Redaktion, die (neben Verschwörungstheorien und Lifestyleschreibe) immer wieder auch hochstehende Recherchen und treffende Analysen zustande bringt. Wieso können die ihren eigenen Magazinnamen nicht anständig deklinieren? Wieso? WIESO? (Regieanweisung: Das gross geschriebene «Wieso» stellen Sie sich bitte vom Kolumnisten schmerzerfüllt herausgebrüllt vor.)

Wenn man Marketingheinis und -henrietten danach fragt, kriegt man immer die gleiche Antwort, die mir auch der Pressesprecher des Wildnispark (sic!) Zürich einst bei einem Kaffee gab: «Wildnispark Zürich» sei halt eine Marke, und die sei nun mal unveränderlich. Wenn so etwas von einem Brandingfuzzi (hier verzichte ich auf das Dazuerfinden eines Femininums) kommt, kann ich das ja noch halbwegs nachvollziehen. Immerhin wird dieser in der Regel dafür bezahlt, lauwarme Luft in ein WAHNSINNIG tolles Image zu kleiden. Dass dabei seine eigene Arbeit auch nur lauwarme Luft ist, bleibt ihm wohl nicht verborgen, und um seinen wahrscheinlich sehr guten Lohn zu rechtfertigen, umgibt er das von ihm entworfene Produkt («Brand») dann mit einer religionsgleichen Aura: Nein, der Markenname darf KEINESFALLS dekliniert oder gar mit einem Bindestrich versehen werden! Das Logo muss IMMER auf einer weissen Fläche stehen, die den Schriftzug um exakt 2,53 Prozent überragt! Beginnt das Logo mit einem Kleinbuchstaben, so ist der Firmenname künftig IMMER und überall klein zu schreiben! Und selbstverständlich ist JEGLICHE Modifikation bei der Verwendung des Markenzeichens verboten. (Falls Sie auf einer Ihrer Publikationen das Facebook-f oder den Twitter-Vogel verwenden, dann wagen Sie es nicht, diese Ikönchen farblich anzupassen, sonst haben Sie früher oder später ein Heer von AnwältInnen auf dem Hals!)

Wie gesagt, von der Brandingseite her kann ich das verstehen. Aber die Marketingleute sind ja oft auch gebildet oder zumindest nicht total blöde – wieso lassen die sich den Brunz aufschwatzen und verteidigen ihn dann, als wäre er das Wort des Messias? Jede Firma möchte primär in einem positiven Umfeld wahrgenommen werden – was in aller Welt ist positiv an grammatischen Krüppelsätzen? Ich würde meinen: Eine Marke ist stark, wenn sie sich nahtlos in ihr Umfeld einpasst, und nicht, wenn sie als Fremdkörper den Lesefluss hemmt.

Nun, Marken sind halt eine schwierige Sache, die Stolpersteine sind mannigfach. Besonders, wenn die Markenschöpfer frei von Sprachverständnis sind. Ein hübsches Beispiel dafür zeigt sich in der Albis­strasse in Zürich Wollishofen, wo über dem Schaufenster eines Nasszellenspezialisten in stolzen Lettern prangt: «Bad Design AG». Bad Branding.

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