- Im Kino
Manipulator
Ob die letzten fünf Jahre der Naziherrschaft der zwingendste Zeitabschnitt sind, um einer Nachwelt die Macht der Propaganda zu vermitteln, steht zu bezweifeln. Die Nationalsozialisten waren bereits an den Hebeln der Macht, verfügten über Oberhoheit über den gesamten Apparat von Staat, Partei, Militär und Medien. Eine potenzielle Parallele zum Heute, die Joachim Lang mit «Führer und Verführer» dezidiert herauszuschälen beabsichtigt, wäre in ihrer Wirkung beachtlich stärker, wenn das Hauptaugenmerk auf die Zeit davor und den Weg dahin gelegt worden wäre. Wer bereits über eine Zweitdrittelsmehrheit verfügt, kann natürlich allein nach Gutdünken handeln. Interessierender wäre – schaut man sich in der Jetztzeit um, worauf die Warnung Langs erklärtermassen abzielt –, wie das dem vorgelagerte mindestens genauso manipulative Schüren einer öffentlichen Meinung betrieben worden war. Nur verlangte ein solches Ansinnen nach einer sehr viel weiterreichenden analytischen Auslegeordnung, mündete im Resultat also nicht mehr in einem Unterhaltungsfilm für die breite Masse. «Führer und Verführer» strotzt vor Fallbeilsätzen. Der Reichspropagandaführer Joseph Goebbels (Robert Stadlober) und dessen Frau Magda (Franziska Weisz) bilden den Kopf der nationalsozialistischen Vorzeigefamilie, getreu dem Gusto Adolf Hitlers (Fritz Karl). Goebbels kämpft diesem Film gemäss an mehreren Fronten: Um die Anerkennung seiner Genialität der Massenmanipulation durch den Führer, was ihn zum zweiten Mann im Reich aufsteigen lassen sollte. Um die Durchsetzung ebendieser Deutungsmacht gegenüber dem restlichen, teils ihm gegenüber sehr kritisch eingestellten Stab. Und um die gleichzeitige Wahrung des schönen Scheins bei zeitgleich lebhafter libidinöser Parallelbeschäftigung. Dargestellt wird ein nachgerade wahnhaft karrieristischer Opportunist mit einer ausgeprägt inquisitorischen Begabung, seinem Ziel alles andere unterzuordnen.
«Führer und Verführer» spielt in den Kinos Capitol, Houdini.