«Man kennt mich als verlässlichen Partner»

Ein Trio aus einer FDP-Frau, einem Grünen und einem Parteilosen stellt sich am 10. Juni zur Wahl als SchulpräsidentIn des Schulkreises Zürichberg. Was ihn an diesem Amt reizt, erklärt der Kandidat der Grünen, der ehemalige Kantonsrat Ralf Margreiter, im Gespräch mit Nicole Soland.

 

Unter der nicht mehr antretenden Schulpräsidentin Mirella Forster gab es in den letzten Jahren einigen Wirbel im Schul-kreis Zürichberg und insbesondere um die Schule Bungertwies; mehrere LehrerInnen kündigten. Was hätten Sie anders gemacht?

Ralf Margreiter: Das Bungertwies ist bislang die einzige Tagesschule im Schul-kreis Zürichberg und eine Pionierschule mit stolzer Tradition. Ich kann und will nicht zu Vorkommnissen in der Vergangenheit Stellung nehmen, bei denen ich nicht involviert war. Wenn Konflikte über die Medien ausgetragen werden, muss man aber auf jeden Fall feststellen: Da ist einiges schief gelaufen. Unruhe schadet der Schule.

 

Was braucht es denn grundsätzlich, damit in der Schule nicht «einiges schief» läuft?

Damit gute Bildung gelingt, braucht es eine gute Schulführung – mit den Schulleitungen, mit den Teams und auch mit den Eltern. Grundlagen dafür sind eine klare, transparente und rechtzeitige Kommunikation auf Augenhöhe und Verlässlichkeit. Das hat im Bungertwies offensichtlich nicht so funktioniert, wie es müsste, und auch nicht so, wie ich es handhaben würde: Für mich gehört der Schulpräsident nicht nur in sein Büro und an Sitzungen der vielen Gremien, sondern auch in die Schulhäuser. Werde ich gewählt, packe ich das als allererstes offensiv an: den Kontakt suchen und den regelmässigen Austausch pflegen. Die Führungsaufgabe als Schulpräsident ist in hohem Mass eine Arbeit für – und vor allem mit – Menschen. Das geht nicht ohne eine Vertrauensgrundlage. Sie ist die Basis für die Offenheit, die es auf beiden Seiten braucht, um gescheite Lösungen zu finden.

 

Wäre das hier ein Wahlpodium, dann würde Ihnen Ihr parteiloser Konkurrent, Präsident des Elternrats Langmatt, an dieser Stelle wohl vorwerfen, dass Sie nicht im Schulkreis wohnen, dessen Präsident Sie werden wollen.

Ich glaube nicht, dass das ein tauglicher Vorwurf wäre. Hanna Lienhard führte den Schulkreis lange Jahre, ohne je dort zu wohnen. Ein Problem sehe ich darin schon gar nicht. Mit Kindern im Schulalter ist es sogar ein Vorteil, wenn man als Schulpräsident nicht im Schulkreis wohnt. So entsteht gar nicht erst der Anschein der Befangenheit in eigener Sache. Grundsätzlich sehe und fühle ich mich als Stadtzürcher. Seit 2013 wohne ich beim Bahnhof Altstetten. Zum Schul-kreis und seinen Quartieren habe ich aber enge Bezüge: Ich wohnte an der Mühlebachstrasse und am Hegibachplatz. Von 2001 bis 2005 war ich in der Schulpflege, Geschäftsleitungsmitglied und Präsident einer Aufsichtskommission. Damals war ich sehr viel in den Schulen in Witikon engagiert, aber auch in anderen Quartieren. Auf die damaligen Kontakte kann ich heute noch zurückgreifen. Ich war auch Co-Präsident der Kreispartei, und meine erstmalige Wahl in den Kantonsrat erfolgte für die Stadtkreise 7 & 8.

 

Sie waren von 2003 bis 2016 Mitglied des Kantonsrats und präsidierten von 2011 bis 2015 dessen Kommission für Bildung und Kultur. Mangelnde Qualifikation für das Amt des Schulpräsidenten kann man Ihnen kaum vorwerfen…

Eher nicht, das stimmt. Ich kenne nicht nur die Eltern- und Unterrichtsperspektive aus eigener Anschauung. Für das Amt als Schulpräsident – keine parteipolitische, aber ganz dezidiert eine politische Funktion – bin ich der einzige Kandidat, der einen breiten Erfahrungsschatz und einen langjährigen Leistungsausweis aus Behörden und Politik mitbringt. Bezüge zur Bildung haben auch die beiden anderen – aber wie Behördenarbeit und das Zusammenspiel mit Politik und Verwaltung funktioniert? Ich weiss und kann das. Diese Erfahrung zählt: Sie hilft in der Präsidentenkonferenz, im Umgang mit dem Schulamt und mit dem Kanton, der sehr vieles bestimmt. Aus mehr als 20 Jahren politischer Tätigkeit bringe ich auch die entsprechenden Netzwerke mit. Man kennt mich als verlässlichen Partner. Das schafft offene Türen und offene Ohren.

 

Und so haben Sie sich als Kandidat ins Gespräch gebracht?

So war es nicht. An der KV Zürich Business School habe ich einen tollen Job, spannende Aufgaben und einen Arbeitgeber, der mir viel Freiheit gibt. Ich war nicht auf der Suche. Als die Unruhe im Schulkreis Zürichberg auch medial einen sehr heftigen Niederschlag gefunden hatte, fragte mich Christoph Hug am 1. Mai-Fest 2017, ob ich mir dieses Amt vorstellen könnte – noch bevor Mirella Forster bekanntgab, dass sie nicht mehr antritt. Ich habe mir diese Kandidatur reiflich überlegt und sie in der Familie und im persönlichen Umfeld besprochen. Dass ich hier Rückhalt habe, war mir wichtig. Und der breite politische Rückhalt.

 

Zu den Rahmenbedingungen gehörte auch, dass die SP Sie unterstützt?

Ja, mir war es sehr wichtig, dass man innerhalb des rot-grünen Lagers rechtzeitig das Gespräch sucht und dafür sorgt, dass es eine einheitliche rot-grüne Kandidatur mit richtig Power gibt. Die SP hat dann einstimmig Unterstützung beschlossen und sich überzeugt gezeigt, dass wir es gemeinsam schaffen, das Schulpräsidium von der FDP zu erobern. Mittlerweile stehen auch AL, CSP und Grünliberale hinter meiner Kandidatur.

 

Schon bei Ihrem Rücktritt aus dem Kantonsrat lag es in der Luft: Sie halten es nicht lange ohne politisches Amt aus…

Natürlich haben mich die Politik und der politische Gestaltungswille nicht in dem Moment verlassen, als ich aus dem Kantonsrat ausgetreten bin. Ich trat ja nicht zurück, weil mir die Politik verleidet war, auch nicht wegen Erfolgslosigkeit, sondern weil die Zeit dafür neben Beruf und Familie nicht mehr reichte. Ich mag keine Halbbatzigkeiten. Wenn ich etwas mache, dann ganz oder gar nicht. Als vollamtlicher Schulpräsident darf ich mich zum Glück richtig reinknien…

 

Am 10. Juni befinden die Stadtzürcher Stimmberechtigten über die «Tagesschule 2025», genauer über die Pilotphase II des städtischen Pilotprojekts mit gebundenen Tagesschulen an der Volksschule. Ihre Haltung dazu?

Ich stehe überzeugt für ein Ja zu dieser Vorlage ein, nicht zuletzt, weil mir ein möglichst hoher Ja-Stimmen-Anteil und damit ein möglichst klarer Auftrag der Stimmberechtigten für mehr Tagesschulen sehr wichtig ist. Während der Pilotphase II können wir über eine längere Zeit und mit 30 statt bloss sechs Tagesschulen Erfahrungen sammeln, diese sauber evaluieren und die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Was funktioniert, was noch nicht? Dabei geht es nicht nur um die Zufriedenheit von Kindern und Eltern, sondern auch um die Erfahrungen der Profis in Unterricht und Betreuung: Alle müssen gut zusammenspielen, damit das Modell Tagesschule klappt.

 

Das Modell hat demnach Verbesserungspotenzial?

Seien wir ehrlich: Die ursprüngliche Vorlage des Stadtrats war bildungspolitisch und pädagogisch etwas schmalbrüstig. Der Gemeinderat hat in zwei Punkten nachgebessert, die Aufgabenhilfe erweitert und die Möglichkeit geschaffen, die vielen Lektionen in den letzten Klassen der Primarstufe auf vier statt auf drei Nachmittage zu verteilen. Wenn es am 10. Juni ein klares Ja gibt, dann haben wir eine starke Grundlage für eine wirklich gute Tagesschule. Darunter verstehe ich eine Tagesschule, in der pädagogische Fragen und die Kinder in der Vielfalt ihrer Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Und gute Bedingungen für das Personal.

 

Angenommen, Sie werden am 10. Juni gewählt: Womit werden Sie sich als erstes befassen müssen?

Mit dem Aufbau von Vertrauen im persönlichen Kontakt. Mit Bau- und Schulraumfragen. Und selbstverständlich mit den Tagesschulen. Schulintern steht die Umsetzung des neuen Berufsauftrags an. Ihn zu formulieren war nicht zuletzt der Versuch, zu quantifizieren, wieviel in welchem Bereich von den LehrerInnen erwartet und geleistet wird. Als Präsident der Bildungskommission des Kantonsrats konnte ich den neuen Berufsauftrag mitgestalten und Kompromisse für Verbesserungen schmieden: beim Unterricht etwa oder für die Klassenlehrerfunktion. Als Gewerkschafter ist mir wichtig, dass die LehrerInnen nicht nur aufschreiben, wozu sie verpflichtet sind, nämlich alle Stunden, in denen sie nicht direkt für den Unterricht gearbeitet haben. Sondern auch, wie viel Zeit sie für ihre Kernaufgabe aufgewendet haben. Das zu wissen, liegt auch im Interesse der Führung. Überlastete LehrerInnen sind weniger bereit für guten Unterricht und engagierte Mitwirkung im Team. Natürlich ist mir bewusst, dass man allein damit noch keine Entlastung bewirkt: Der Berufsauftrag ist nicht die Medizin, aber richtig umgesetzt er ist ein guter Fiebermesser.

 

Wo brennt es sonst noch im Schulkreis Zürichberg?

Die Stärkung der Sekundarschule ist im Schulkreis Zürichberg ein wichtiges Thema. Wir haben hier einen sehr hohen Anteil an Kindern, die nach der 6. Klasse oder spätestens nach der 2. Sek. ans Gymnasium wechseln.

 

Was ist daran so schlimm?

Bildungsgerechtigkeit bedeutet nicht nur, dass alle die gleiche Chance haben sollen, in die Mittelschule zu kommen. Es gibt gute Bildung und Erfolg im Leben auch ohne Mittelschule. Alle Kinder und Jugendlichen brauchen eine Volksschule, die für sie als gutes Sprungbrett ins Leben taugt. Hier gibt es einiges zu tun. Das Bundesamt für Statistik hat kürzlich die Ergebnisse zum Bildungserfolg von Jugendlichen publiziert, die 2011 eine Sek-II-Ausbildung begonnen haben. Dabei kam u.a. heraus, dass jeder fünfte Lehrvertrag aufgelöst wurde. Das sind viel zu viele. Wenn junge Menschen wegen mangelnder schulischer Leistungen die Lehrstelle verlieren, und das ist nicht selten, ist das auch ein klarer Auftrag an die Volksschule. Hier muss gezielt frühzeitig investiert werden.

 

Wie wollen Sie im Schulkreis Zürichberg das Geschirr flicken, das unter Ihrer Vorgängerin zerschlagen worden ist?

Vor allem in der ersten Zeit werden nicht inhaltliche Themen im Vordergrund stehen. Vielmehr geht es darum, dass der Schulkreis wieder eine gute und akzeptierte Führung hat und dass, auch dank offenem Dialog, eine Vertrauensbasis entsteht, auf der alle Beteiligten aufbauen können. Eine solche Basis ist unerlässlich, wenn es darum geht, Projekte umzusetzen und neue Projekte aufzugleisen.

 

Und wie würden Sie sich im Umgang mit den Eltern verhalten?

Wer auch immer die Nachfolge von Mirella Forster antritt, wird unter besonderer Beobachtung der Elternschaft stehen. Natürlich sind die Eltern im Schulkreis Zürichberg anspruchsvoll und erwarten viel, doch sie bieten ihren Kindern und den Schulen auch viele Ressourcen. Dort möchte ich ansetzen, diese Ressourcen für die Schule fruchtbar machen und abholen. Um auf den Anfang des Gesprächs zurückzukommen: Das funktioniert nicht, wenn man nur am Hirschengraben im Büro sitzt. Vielmehr gilt es, mit offenem Ohr und im offenen Dialog vor Ort zu sein.

 

Alle Wünsche können aber auch Sie kaum erfüllen.

Das geht allen so. Einige Wünsche lassen sich aus rechtlichen Gründen nicht erfüllen. Und jede individuelle Lösung muss für die einzelne Schule wie auch für den Schul-kreis insgesamt zu vertreten und zu verkraften sein. Wenn es plötzlich hundert ‹Einzelfälle› gibt, kollabiert das System Schule.

 

Kommen wir zum Schluss: Wie verstehen Sie das Amt des Schulpräsidenten, grundsätzlich gesehen?

Ich war in meiner beruflichen Laufbahn stets auch Dienstleister. Ich verstehe auch die Schulbehörde und das Sekretariat in dieser Rolle: als Dienstleister für die Schulen. Natürlich hat die Behörde auch zu entscheiden – zum Wohl der Kinder und ihrer Schule. Darauf würde ich ein besonderes Augenmerk richten.

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