Lob dem Verbot

Einer muss es ja mal tun. Warum nicht ich. Nachdem inmitten der angehenden Kämpfe dieses Wahljahrs der Neoliberalismus wieder sein schon unangenehm verwestes Haupt erhebt und ächzt, «Eigenverantwortung und Anreize, mehr Freiheit statt Verbote», was viele inhaltsleere Wörtli sind, die auch in einer Reihe keinen Sinn ergeben, muss man mal was klarstellen: Mehr Verbote wären gut für uns alle und würden unsere Gesellschaft entscheidend voranbringen. Im Einzelnen:

 

Wie Philipp Lepenies in seinem lesenswerten Büchlein über «Verbot und Verzicht» nachweist, hat der Neoliberalismus auch bei den Linken gesiegt: Indem er es geschafft hat, das Narrativ in unseren Köpfen und Seelen zu verankern, dass staatliche Verbote quasi widernatürlich oder satanisch, auf jeden Fall unfreiheitlich seien. «Verbot» ist definitiv negativ konnotiert, mit dem Wort kann man Kinder und WählerInnen erschrecken. Währenddem kein Mensch meckert, wenn ihn Google, Elon Musk oder ein anderer soziopathischer Milliardär nach Belieben gängelt, sind staatliche Verbote das scheinbar Schlimmste, was einem passieren kann. Höchste Zeit zu beweisen, dass das blühender Quatsch ist. Alsdann:

 

1. Verbote sind demokratisch. Wenn Sie ernsthaft glauben, der Staat könne einfach so ein Verbot verhängen, haben Sie den Staatskundeunterricht aber gewaltig geschwänzt. Öffentliches Recht ist immer an eine demokratische Legitimation gebunden: Jedes Verbot muss von einer Mehrheit abgesegnet werden. Das nennt man Rechtsstaat. Der Staat muss eine Gesetzesgrundlage haben, wenn er handelt. 2. Verbote sind effektiv, da sie für alle gelten. Anreize tun das nicht, sie können von reichen Säcken mühelos übersteuert werden. 3. Verbote sind damit auch maximal gerecht. Punkt. Anreize schaffen immer Ungleichheit. Punkt. 4. Damit ist auch klar: Verbote geben Rechtssicherheit. Kein anderes Mittel kann das. Das wusste schon Gott mit seinen zehn Geboten. 5. Verbote sind effizient, weil deren Umsetzung einfach ist. Meist haben wir bereits die dafür nötige Infrastruktur. 6. Daraus folgend: Verbote sind billig. Es braucht keine Bürokratie, keine komplizierten Mechanismen. Ein Gesetz, ein paar Tafeln – und hopp! 7. Verbote bewirken Routine. Routine ist gut, sie entlastet uns, man muss kein Studium absolvieren, um den Alltag zu bewältigen. 8. Verbote senken dadurch die kognitiven Kosten, wir müssen nicht andauernd sinnieren, was wir tun sollen. Der Kopf wird frei.

 

Soweit so überzeugend. Aber nun werden Sie vielleicht einwenden, zu viele Verbote täten unsere Freiheit einschränken. Ich weiss ja nicht, wo Sie das wieder her haben, wohl aus dem neoliberalen Giftschrank, aber es ist ideologischer Gugus. Verbote haben die Kraft zum Gegenteil: Ein Autoverbot in der Innenstadt gibt allen anderen VerkehrsteilnehmerInnen mehr Freiheit. Ein Rauchverbot lässt alle AsthmatikerInnen aufschnaufen. Ein Flugverbot könnte schon einen ansehnlichen Teil des Klimas retten. Ein Verbot, seine Kinder windelweich zu prügeln,… ok, Sie habens begriffen. Alles eine Frage der Perspektive. Des Interesses. Also alles eine politische Frage.

 

Umso mehr sollten Sie sich von der neoliberalen Staatsverachtung verabschieden. Die modernen Herausforderungen, das sehen immer mehr PolitikerInnen von rechts bis links ein, können nur mit Verboten oder Geboten gemeistert werden. Eigenverantwortung und Anreiz funktionieren ganz einfach nicht (ausser natürlich als Ausreden). Werdet erwachsen.

 

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