Bea Gmür mit der letzten ‹So›-Ausgabe vom vergangenen November in noch alter Aufmachung und Patrick Reust mit der Nullnummer für den bevorstehenden Neuauftritt. (Bild: Arthur Schäppi)

Linkes Lokalblatt mit langem Schnauf

Das gibt es sonst nirgends rund um den Zürichsee: Ein linkes Infoblatt, das nunmehr seit einem halben Jahrhundert drei- bis viermal jährlich in sämtliche Haushaltungen der Gemeinde gestreut wird und das aus SP-Sicht über lokalpolitische Themen, Positionen, Parolen und Personen der Partei berichtet. Jetzt feiert das Wädenswiler SP-Blatt ‹So›, das sich an ein breites Publikum wendet, sein 50-Jahr-Jubiläum.

Am 17. Januar erscheint das ‹So›, ein von der SP Wädenswil drei-, bis viermal jährlich im Vorfeld von nationalen Abstimmungssonntagen herausgegebenes Infoblatt zu vorwiegend lokalpolitischen Themen, in einem neuen Look. Zwar noch immer mit schwarzer Schrift und roten Titeln und aus Kostengründen wie bisher mit Schwarz-weiss-Bildern. Aber mit einem etwas zurückhaltenderen aber dennoch frischen Schrift- und Erscheinungsbild, das sich stärker als bisher an jenem von Zeitungen orientiert. Dass sich das linke Infoblatt, das in einer Auflage von 11 600 Exemplaren in alle Haushalte von Wädenswil gestreut wird, gerade jetzt ein von einer professionellen Agentur kreiertes Redesign leistet, ist kein Zufall. Die kleine, in der Regel vierseitige Publikation im A4-Format kann ein grosses Jubiläum feiern: den 50. Geburtstag. Dem denkwürdigen Ereignis hat das dreiköpfige Redaktionsteam unter Leitung von SP-Gemeinderat Patrick Reust (50) denn auch die Jubiläumsausgabe gewidmet. Thematisiert und kommentiert werden darin zudem aktuelle lokalpolitische Abstimmungsvorlagen: die Auslagerung des städtischen Alters- und Pflegezen­trums Frohmatt in eine stadteigene AG sowie die Gründung eines Seewasser-Energieverbunds mit Energie 360°.

«SO sehen wir es»

Gegründet worden war das ‹So› im Januar 1975 von einigen Wädenswiler SP-Genossen. Sie stiessen sich damals an der «einseitigen», das heisst bürgerlich geprägten Informationsflut. Und wollten dies auf lokaler Ebene «mit dem vorliegenden Mitteilungsblatt – in bescheidenem Umfang, doch in eindrücklicher Art – korrigieren», wie sie in der ersten Nummer festhielten. «SO sehen wir es», lautete denn auch der später auf «So» verkürzte programmatische Zeitungstitel. Das Blatt sollte aber auch «den Kontakt unter Gesinnungsfreunden festigen sowie die Möglichkeit zur Kritik und Anregung an unseren Behördenmitgliedern verbessern». Entstanden ist ein lebendiges Parteiblatt, das über die Jahrzehnte stets lokale politische Vorgänge, Aktivitäten, Vorlagen und Geschäfte, aber etwa auch Wahlen thematisiert und kommentiert. Und immer mal wieder auch kantonale oder nationale Politthemen aufgreift. Lokale Dauerbrenner sind etwa städtebauliche Themen, raumplanerische oder verkehrspolitische Konflikte und der Abriss von günstigem Wohnraum, wie in jüngerer Vergangenheit wieder bei der Hangenmoossiedlung oder den städtischen Büelenhäusern, wie Patrick Reust sagt. Auch Schulfragen, Sozialpolitik, Seeufer, Budget und Gleichstellung gehören zu den wiederkehrenden Schwerpunkten und in der jüngeren Geschichte des Blattes natürlich Umwelt-, Klima- und Genderthemen, weiss Reust. Er hat die Redaktionsleitung vor gut zwei Jahren übernommen und mittlerweile fast sämtliche in der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern archivierten ‹So›-Ausgaben gesichtet, digitalisiert und auf der Homepage der SP Wädenswil aufgeschaltet. 

Breite Bevölkerung ansprechen

Noch gut an die Anfangszeiten erinnern mag sich der frühere SP-Stadtrat Hermann Koch (73), der von 1979 bis 1990 das ‹So› gemeinsam mit der früheren SP-Gemeinderätin und einstigen ‹Volksrecht›-Redaktorin Liliane Goldberger «praktisch im Alleingang» geschrieben hatte. «Die Texte haben wir jeweils auf Spaltenbreite mit der Schreibmaschine getippt, mit der Schere zugeschnitten und auf ein leeres A4-Blatt geklebt, bevor wir dann die losen Blätter in die Druckerei brachten». Optisch sei das ‹So› im Laufe der Zeit sicher attraktiver, inhaltlich aber auch etwas weniger angriffig geworden. Letzteres liege daran, dass sich das ‹So› schon unter früheren Redaktionsteams gewandelt habe, sagt Patrick Reust dazu: Von einem anfänglich typischen Parteiblatt vorwiegend für Mitglieder und Sympathisant:innen zunehmend zu einer Art Mini-Lokalzeitung, die sich ganz bewusst an eine breite Öffentlichkeit wende, aber ihre klar sozialdemokratische Ausrichtung  beibehalte.  «Denn ein eigentliches Kampforgan mit forscher Polemik würde von einem breiten Publikum kaum gelesen», ist Reust überzeugt. Keinen Platz in den «So»-Spalten hätten auch Berichte über nichtöffentliche Parteianlässe oder blosse parteiinterne Personalien. Für die Existenz der Zeitung wichtig sei aber, dass die kleine Redaktion auf eine beachtliche Zahl von regelmässigen oder gelegentlichen Autor:innen zurückgreifen könne.

Direkter Kanal ins Volk

Damals wie heute ermöglicht das ‹So› der Partei, ihre politische Arbeit und die ihrer Behördenvertreter:innen, aber auch Standpunkte und Parolen direkt in die Bevölkerung zu tragen – «und zwar ungefiltert»,  wie Reust betont. «Das ist gerade in der heutigen Medienlandschaft, wo die Redaktionen unter wirtschaftlichem Druck die Berichterstattung über die Lokalpolitik und die Aktivitäten der Ortsparteien laufend ausgedünnt haben, wichtiger denn je,» ergänzt Bea Gmür (62) im Gespräch. Die einstige SP-Präsidentin und Gemeinderätin hatte die linke Mini-Gazette von 2008 bis 2011 geleitet. 

Zweifelsohne hat sich die Presselandschaft seit der Gründung des ‹So› auch am Zürichsee radikal verändert. Kleinere Lokalblätter sind verschwunden oder in grösseren Verbünden aufgegangen. Und ‹Tages-Anzeiger› und NZZ haben ihre einstmals eigenen Regionalkorrespondenten längst aus den Bezirken abgezogen und die 2010 von der Tamedia übernommene ‹Zürichsee-Zeitung› hat ihre links- und rechtsufrige Ausgabe vor Jahren schon zusammengelegt. Unverzichtbar sei das ‹So› für die SP aber nicht nur aus medienpolitischen Überlegungen, sagt Bea Gmür: «Dank dem ‹So› können wir etwa über die Lancierung eigener Initiativen nicht nur aus erster Hand informieren, sondern auch gleich noch die Unterschriftenbögen beilegen», erklärt sie. Und stark mache das Blatt, dass es nicht etwa ein Sprachrohr des Vorstandes, «sondern ein Gemeinschaftswerk der ganzen Partei» sei. 

Herzblut, stramme Waden und Spenden

Finanziert werden Druck und Produktion des ‹So› weitgehend aus der Parteikasse, in geringem Masse auch aus dem Erlös von rund hundert bezahlten Abos. Um die Kosten für das neue Layout zu decken und um das Blatt später einmal allenfalls mit sozialen Medien zu verlinken, haben die ‹So›-Macher:innen im Hinblick auf das Jubiläum eine Spendenaktion gestartet. Zu den Ingredienzen der Erfolgsgeschichte des linken Publikationsorgans gehören aber seit jeher auch freiwilliges Engagement, Herzblut und stramme Waden. Denn die gesamte ‹So›-Crew ist ehrenamtlich tätig. Die Redaktion und die weiteren Schreiber:innen genauso wie die Lektorin oder der Layouter. Und nicht zuletzt auch die gut zwei Dutzend Verteiler:innen, die mit schweren Tragtaschen zu Fuss auf oft Kilometer langen Touren die Zeitung in die Briefkästen der Stadt stecken. Einzig in den beiden vergleichsweise dünn besiedelten Ortsteilen Schönenberg und Hütten erfolgt die Zustellung per Post.