Lieber Coop

 

«Die Frauen haben sich emanzipiert – wo bleiben die Männer?», schreibst du in deiner Postille. Konsum-Feminismus? Fröi! Aber, oh je, deine Unterzeile: «Vom Patriarchen zum Sitzpinkler», gleich mach ich mir vor Lachen in die Hose… Weiter gehts mit Herrn Theunert, vom Gleichstellungs- zum Männerbeauftragten* mutiert: «Gerade weil wir Männer wissen, dass unsere vermeintlichen Privilegien – Leistung immer und überall – sich gar nicht so schaurig privilegiert anfühlen, ist die männliche Zurückhaltung im geschlechterpolitischen Wandel zumindest verständlich.» Also: Karriere ist streng, da will Mann sich nicht noch Hausarbeit aufhalsen? Doppelbelastung ist was für Emanzen? Die Männer jedenfalls, so Theunert, warten lieber auf ein «Angebot», das ihnen nicht noch mehr «Stress (…) aufhalst, sondern auch Luft zum Atmen und Leben lässt.» Schlauer Plan – wenn ich einmal gross bin, werd‘ ich Mann!

 

Denn wenns dem zu viel wird, ist die Schuldige schnell gefunden: die Frauen-Emanzipation! Mithin also alle Frauen oder die Frau an sich. Walter Hollstein, Soziologe und Männerforscher* jedenfalls weiss: Die Frauen wollen gar nicht emanzipiert sein. Nämlich: «Was unter Frauenemanzipation verstanden wird – berufliche Kompetenz, materielle Unabhängigkeit – ist nur bei einer Minderheit gegeben.» Schein-Emanzen, elende! (Von gleichen Rechten wollen sie wohl auch nichts wissen, aber das gehört ja nicht zur Emanzipation…) «Neue Untersuchungen aus Österreich, den USA oder Deutschland belegen, dass eine zum Teil grosse Mehrheit von Frauen sich ein Beziehungsmodell wünscht, bei dem der Mann das Geld nach Hause bringt. Diese Frauen halten den Mann im traditionellen Rollenkorsett, das sie dann in Büchern und Talkshows kritisieren.» Uiuiui. Hat der seinen Titel im Internet gekauft? Mir kämen da doch Zweifel, ob das wirklich beides mal genau die gleichen Frauen sind. Und ob nach Jahrhunderten der Rechtelosigkeit und Abwertung die Frauen es wirklich so schnell geschafft haben, den Männern eben jenes Korsett anzuschnallen, in dem sie bis vor kurzem selber steckten? Sind wir Houdinis? (Oder doch Hexen?) Bei solch hemdsärmliger Betrachtung spielt‘s dann wohl auch keine Rolle mehr, was hiesige Untersuchungen befinden: Etwa dass die meisten geschiedenen Männer im Modell der «gemeinsamen elterlichen Sorge» mit der klassischen Rollenverteilung weiterfahren, obwohl dies der Mehrheit ihrer Ex-Frauen nicht gefällt. Auch würde gemäss Schweizer Arbeitskräfte-Erhebung ein Grossteil der Teilzeit arbeitenden Frauen sofort mehr arbeiten – wenn sie eine Stelle fänden…

 

Marco Caimi, Inhaber einer Männerpraxis* findet aber, wir hätten nun «volle Mitbestimmung der Frauen in allen Fragen, praktisch Erreichen der Lohngleichheit» etc., und Frau und Mann sollten endlich «aus den tiefen Schützengräben des Geschlechterkampfes steigen, um erneut entspannt Frau und Mann sein zu können, mit gegenseitiger Anziehung.» Erneut entspannt? So wie früher etwa, als Vergewaltigung, auch in der Ehe, ein Kavaliersdelikt war?

 

* Hat mal jemand die Entstehung solcher Berufe wie Männerforscher etc. historisch untersucht? Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wäre es ja redundant gewesen, zusätzlich zur männlich dominierten und auf die Männerwelt mit ihren Männerbedürfnissen ausgerichteten Wissenschaft auch noch explizit «Männerforschung» etc. zu betreiben. Und als dann die Emanzipation einschlug und die Männer mit dem Gleichheitsanspruch der Frauen überrumpelt wurden, hat da der neu erfundene Männerforscher sich eher gefreut über den Bruch mit dem Frauen-Ausschluss aus aller Forschung, Wissenschaft und Politik, oder hat er der ‹guten alten Zeit› nicht fast ein wenig hinterhergeweint?

Darüber könntest du doch mal schreiben, Coop! (Oder auch du, Migros!) Dann würde sich wenigstens die Mühe mit den 4 cm Altpapier jede Woche lohnen.

 

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