Lebensresumé
Zwiegespräch zwischen einem Lebenden und dessen totem Bruder stellt die Sinnfrage.
Hugo Haas (1901 – 1968 / Spiel: Norbert Zid) war Erster Schauspieler am Nationaltheater in Prag und vermochte als Jude vor dem Zugriff der Nationalsozialisten in einer Odyssee bis in die USA flüchten, wo er Kleinstrollen in B-Filmen übernehmen musste. In den Nachkriegsjahren kehrte er nach Wien zurück, wo er auch kein Glück mehr fand. Um zu überleben, musste er seinen Sohn bei seinem älteren Bruder, dem berühmten Komponisten Pavel Haas (1899 – 1944 / Spiel: Martin Dvorak) in Brünn zurücklassen, der ihn als eigenen Sohn anerkennen liess und ihn mitsamt seiner Tochter und seiner nichtjüdischen Gattin durch Scheidung vor der Verfolgung und Deportation retten konnte. Nicht aber sich selber. Er wurde in Auschwitz ermordet. In «Haas – Tage nach dem Ruhm», einem Gastspiel der ProArt-Company (tschechisch mit deutschen Übertiteln), sucht der Geist des älteren Pavel den im Exil lebenden Hugo heim und befragt ihn letztlich nach nicht weniger als dem Sinn des (Über-)Lebens. Martin Dvorak ist auch Tänzer, was ihm erlaubt, das um seinen Bruder Herumschleichen mystisch in Szene umzusetzen. Seine Worte sind zwischen Vorwurf und Neid, Provokation und Wehmut angelegt, schliesslich hätte wenigstens der kleine Bruder nach seiner geglückten Flucht potenziell die Möglichkeit gehabt, aus seinem herausragenden Talent eine weiterführende Karriere zu entwickeln. Stattdessen wurde er des Lebens und der Behelfsmässigkeit der Umstände regelrecht überdrüssig. Genau dies empfindet der Geist des frühzeitig im Gas Verendeten als Affront. Seine Suggestivfragen sind auch Neugier aber noch davor Unterstellungen, die Chance nicht bei den Hörnern gepackt zu haben und stattdessen zu jammern. Das Stück wirft einen Blick auf ein kolossales Dilemma, das Trost durch Leben versus Trost im Tod einander gegenüberstellt und die Aufgabe, eine Antwort zu finden, seinem Publikum überantwortet.
«Haas – Tage nach dem Ruhm», 24.3., Keller62, Zürich.