Kuckuckseier

Die Männerorganisationen haben die Care-Berufe entdeckt. Ihr Dachverband «männer.ch» hat die internationale Kampagne «MenCare» Ende Mai in der Schweiz lanciert. Eine der 22 Initiativen fordert, unterstützt mit Gleichstellungsgeldern: «Mehr Männer in die Kinderbetreuung». Denn, so der Projektleiter Lu Decurtins: «Nur 5 Prozent der Betreuenden in Kindertagesstätten und Kinderkrippen sind Männer. Das ist gleichstellungs- und bildungspolitisch problematisch», denn: «Speziell in den ersten Lebensjahren werden Kinder praktisch ausschliesslich von Frauen betreut.» (Ui!) «Direkte, spürbare Rollenvorbilder fehlen. Dem Jungen bleibt nichts anderes übrig, als entfernte, plakative Rollenvorbilder zu nutzen (Cowboys, Ritter, Gamefiguren, Wrestler oder andere Helden) – oder sich ‹Männlichkeit› einfach als Gegenteil von ‹Weiblichkeit› zu denken. Beide Varianten führen weit weg von einer realistischen, lebenstauglichen männlichen Geschlechtsidentität.»

Zunächst einmal staune ich, wie weit Mann es mit einem hemdsärmligen Psychologieverständnis im Gleichstellungs-Business bringen kann. Abgesehen davon, dass hier Freud und Jung gleich Hand in Hand in die Besenkammer gestellt werden: Hat nicht der Feminismus, die Emanzipations- und Frauenbewegung – mithin die Urmutter jeder Geschlechtergleichstellung – den Anfang dort, wo die Frauen nicht mehr «das andere Geschlecht», die «femme» qui «n’existe pas» sein wollten? Welcher ärmste aller armen Knaben findet denn in seiner ganzen Kindheit in keiner TV-Diskussion, keiner Werbung, keinem Restaurant, auf keinem Bauernhof, keiner Baustelle und auch sonst gar nirgends ein taugliches männliches Rollenvorbild? Dieses Lamento hat für mich etwa den Realitätsgehalt von Phantomschmerz oder männlicher Scheinschwangerschaft.

Ich finde es grundsätzlich stossend, dass Männerorganisationen für solche Anliegen Gleichstellungsgelder abziehen, während Frauen immer noch durchwegs strukturell benachteiligt sind. Männer rennen doch offene Türen ein, wenn sie in Frauenberufen arbeiten wollen (umgekehrt eher nicht). Bartträger und Glatzköpfe seid umarmt! Kommt und schuftet lange Tage mit vielen Zöglingen für wenig Geld! Warum das auf Kosten der Gesellschaft gehen soll, will mir nicht einleuchten. Nicht zuletzt gibt es ja den Effekt der «gläsernen Rolltreppe», den ein Hortleiter im Nationalen Forschungsprojekt «Gender in der Kita» beschreibt: So sicher wie sich Frauen in Männerstrukturen den Kopf an der «gläsernen Decke» schlügen, so sicher werde der Mann, kaum arbeite er in Frauenstrukturen, auch ohne besonderes Streben nach oben befördert. Man könnte mit etwas Zynismus fast vermuten, im Hortwesen der Stadt Zürich etwa sei vor bald zehn Jahren extra eine neue Leitungsebene eingeführt worden, um führungswillige Männer anzulocken. Und nachdem Feministinnen jahrzehntelang als Räf, Emanze, lila Latzhose usw. verunglimpft wurden, dürfen sie jetzt zuschauen, wie sogar in ihren Stammlanden, z.B. im städtischen Gleichstellungsbüro, «bei gleicher Qualifikation ein Mann bevorzugt» wird.

Auch den Ruf der SP nach einer 30%-Männerquote in Kitas halte ich für Quatsch. Während überall sonst angeblich «die bessere Qualifikation entscheidet» und Frauen konstant übergangen werden, soll der fette Kuckuck sie nun auch noch aus ihrem eigenen Nest drängen – ein Nest, dem man bis vor Kurzem die Berechtigung und die Professionalität, den gerechten Lohn und die gesellschaftliche Anerkennung abgesprochen hat. Ja, noch schlimmer: Man verspottet dieses Nest seiner «Frauigkeit» wegen noch immer und macht sich nun daran, endlich auch hier mannsgerechte Zackigkeit walten zu lassen. Nur: Ohne den Verzicht auf ein Quäntchen männlichen Dominanzanspruchs wird das leider trotz all den tollen Projekten nichts mit der Gleichstellung der Geschlechter…

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